Datenschutz: Betriebsrat verhindert Weitergabe von Krankenstands-Auswertungen

Quelle: Clara Fritsch
Quelle: Clara Fritsch

Ein Betriebsrat berichtet im Interview, wie es ihm gelang die Auswertung und Weitergabe sensibler Beschäftigtendaten zu verhindern. Er möchte anonym bleiben.

Fritsch: Lieber Max Mustermann, bei euch im Betrieb war der Schutz von Gesundheitsdaten der Beschäftigten nicht ganz so, wie man sich das vorstellt. Was war da los?

Max Mustermann: Bei uns war schon lange das Gerücht am Laufen, dass unsere Krankenstände nicht nur administrativ erfasst werden, sondern auch Beschäftigte miteinander verglichen wurden. Mir kam als Betriebsrat zu Ohren, dass seit Jahren die Anzahl der Krankenstandstage, Kuren und Pflegefreistellungen der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter namentlich von der Personalabteilung ausgewertet werden und dann an die Abteilungsleiter weitergegeben. Da dachte ich mir: Das darf doch nicht sein. Das geht doch niemanden etwas an, warum oder wie lange ich in Krankenstand oder Pflegefreistellung gewesen bin.

Fritsch: Wie hast du davon konkret erfahren?

Mustermann: Das Gerücht über diese Weitergabe der Auswertungen gab es schon lange. Es dauerte jedoch einige Zeit, bis ich solch eine Liste zu Gesicht bekam. Die Beschäftigten wollten nicht einmal dem Betriebsrat davon etwas erzählen, weil sie dann befürchten „in die Auslage gestellt“ zu werden. Obwohl die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter im Recht sind, weil ja ihre Krankenstandsdaten so nicht ausgewertet werden dürften, möchten sie nicht selbst als „undichte Stelle“ gelten.

Fritsch: In welchem Umfang wurden denn diese Daten erfasst? War das nur in Einzelfällen, wenn man den Verdacht hatte, jemand „feiert krank“, oder war das häufiger der Fall?

Mustermann: Das war ganz regelmäßig. Die Listen wurden monatlich erstellt. Vielleicht ist es deshalb vielen auch „normal“ erschienen, weil das schon zur Routine dazu gehört hat. Da denkt man sich dann als Beschäftigter: „Das gehört so.“ Alle Direktoren und Abteilungsleiter erhielten für ihre Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter diese Zusammenstellungen.

Fritsch: Du wolltest also dieses Vorgehen verhindern, zugleich aber niemanden persönlich mit hineinziehen.

Mir war wichtig, die Kolleginnen und Kollegen zu schützen, von denen ich die Informationen hatte. Ich wollte die Auswertungen stoppen aber auch verhindern, dass flächendeckend die Frage gestellt wird, wer denn den Betriebsrat informiert hat. Leider ist das bei uns gang und gebe, dass der Kontakt mit dem Betriebsrat nicht erwünscht ist und die Geschäftsführung das auch sehr deutlich zum Ausdruck bringt.

Mir war auch wichtig, die Personalabteilung nicht „vor den Vorhang zu stellen“.

Mustermann: Was hast du dann unternommen?

Ich bin zuerst einmal in die Personalabteilung und habe auf die Unzulässigkeit solcher Auswertungen hingewiesen. Da bekam ich von der Personalabteilung Antworten wie: „das ist ja nicht aussagekräftig“, „das haben wir schon lange so“, „die Statistik führt eh zu keinen Konsequenzen“, „der Abteilungsleiter muss das wissen, um planen zu können“ und Ähnliches.

Mein Ziel war es aber, diese Auswertungen zu stoppen!

Nach einigen Anläufen und Gesprächen mit der Personalabteilung ist es mir dann doch gelungen. Ich bin über ein halbes Jahr immer wieder zu Terminen in die Personalabteilung marschiert, habe mich aber schlussendlich durchgesetzt: Diese Auswertungen wurden eingestellt.

Fritsch: Was war denn das ausschlaggebende Argument? Womit hast du sie schlussendlich überzeugt?

Mustermann: Ich habe ihnen darlegen können, dass diese Auswertungen keine rechtliche Grundlage haben. Es gibt kein Recht des Managements, keine Verpflichtung der Direktoren, Gesundheitsdaten der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter auszuwerten. Warum jemand auf Kur geht, geht niemanden etwas an. Eine Planbarkeit ist für die Geschäftsführung auch gegeben, wenn sie nicht wissen, warum ich wo auf Kur bin. Das musste erst geklärt werden, dass solche Auswertungen nichts mit Fürsorgepflicht zu tun haben, sondern ungesetzlich sind.

Fritsch: Man kann sagen: Da hast du einen wirklich langen Atem gebraucht.

Mustermann: Das kann man wohl sagen.

Übrigens, die Auswertungen finden wirklich nicht mehr statt, wie mir Beobachter berichten.

Fritsch: Danke für das Interview

Das Interview ist erstmals unter http://arbeitundtechnik.gpa-djp.at erschienen.

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