Der Wirtschaftshistoriker Robert Skidelsky diskutiert in seinem Buch „Automatisierung der Arbeit“ ausführlich, ob wir es dabei mit „Segen oder Fluch“ zu tun haben.
Arbeit hat unabhängig von ihrem Zweck einen intrinsischen Wert. Das ist eine zentrale Botschaft von Robert Skidelsky, die er gleich zu Beginn im ersten Kapitel seines Buches „Automatisierung der Arbeit: Segen oder Fluch?“ deponiert.
Skidelsky ist ein britischer Wirtschaftshistoriker, der u.a. in Oxford und in Warwick lehrte. WirtschaftshistorikerInnen haben gegenüber betriebswirtschaftlich denkenden PolitkerInnen oder LobbyistInnen den Vorteil, dass sie am ehesten einen Blick für das große Ganze der sozio-ökonomischen Entwicklung der Gesellschaft haben. Also der Menschen. Um sie geht es letztendlich auch bei der Automatisierung der Arbeit, da sie von ihnen ausgeübt bzw. ausgebadet wird. Ob sie nun Segen oder Fluch ist, diese Frage erörterte der Wirtschaftshistoriker in den vergangenen zwei Jahren bei Forschungsaufenthalten in Wien, am Institut für die Wissenschaften vom Menschen (IWM) sowie am Institut für Höhere Studien (IHS). Ergebnis davon ist der gleichnamige 130-Seiten-Band, der jetzt in deutscher Übersetzung im Wiener Passagen Verlag erschienen ist.
Dank Einsatz von Maschinen seit dem Industriezeitalter kann mehr Arbeit auf effiziente Weise erledigt werden, weshalb auch die Wochenarbeitszeit in den vergangenen Jahrzehnten gesunken ist. Unsere heutige Dienstleistungsgesellschaft würde ohne Computer, Waschmaschinen oder Geschirrspüler kaum funktionieren. Unter der Annahme, dass die Reduktion der Arbeitszeit zum – nicht nur materiellen – Wohlergehen („Work-Life-Balance“) der Menschen beiträgt, ist sie erstrebenswert, so Skidelsky. Die von John Maynard Keynes, über den der Wirtschaftshistoriker eine vielfach prämierte dreibändige Biografie verfasst hat, vorausgesagte 15-Stunden-Woche in den Industrieländern ist jedoch bis dato nicht realisiert worden.
Robert Skidelsky plädiert in vier Kapiteln, die den Charakter wissenschaftlich-philosophischer Essays mit zahlreichen Referenzen haben, für einen ethischen Einsatz von Technologie und für eine Wirtschaft, die nicht auf Wachstum fokussiert ist, sondern auf dem Gemeinwohl der Menschen. Als politische Interventionen empfiehlt er etwa die Förderung der Beschäftigungssicherheit, Verbesserung der Arbeitsbedingungen oder Umverteilung von Einkommen. Skidelsky ist sich jedenfalls sicher, wie er schreibt, dass die Folgen der Automatisierung „zu zerstörerisch“ sein werden, um sie dem viel zitierten „Markt“ zu überlassen, und weist hier insbesondere auf die zunehmend ausgefeilten Möglichkeiten von Künstlicher Intelligenz (KI) hin.
„Der Verlust der Arbeit bedroht sowohl die Erwerbseinkommen als auch den Sinn des Lebens. Erwerbseinkommen können möglicherweise ersetzt werden. Doch die Gefahr für die Sinnstiftung – wozu sind wir hier auf dieser Welt? – ist nicht so einfach zu bannen“, so Skidelsky.
Insofern liefert das schmale Buch viel Stoff zum Nachdenken.
Robert Skidelsky
Automatisierung der Arbeit: Segen oder Fluch?
Passagen Verlag, Wien 2020
131 Seiten
ISBN: 978-3-7092-0413-9
Euro 15,30.