Darf der Chef mich zum Testen und Impfen zwingen?

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Impfstraßen in den Betrieben und regelmäßige Testpflicht am Arbeitsplatz werfen viele Fragen auf. Wir haben zusammengefasst, was derzeit gilt.

Impfstraße im Unternehmen

Gregor L. kontaktiert uns gleich mit mehreren Fragen. „Der Chef“, erklärt er, „plant, eine Impfstraße im Unternehmen einzurichten. Zu diesem Zweck kursiert eine Liste, auf der sich alle Impfwilligen eintragen können. In der Belegschaft gibt es schon Diskussionen zwischen denen, die sich eintragen und denen, die sich nicht eintragen wollen. Die Gemüter sind erhitzt. Müssen Impfwillige sich im Unternehmen impfen lassen, wenn das angeboten wird?“ Hier lautet die klare Antwort: Nein. Eine Impfstraße im Unternehmen ist lediglich ein Angebot. Wo man sich impfen lässt, entscheidet jede/r Einzelne für sich.

Wir habe Gregor L. noch auf etwas anderes aufmerksam gemacht: Dass der Arbeitgeber, um planen zu können, eine Umfrage macht, wer bereit wäre, sich im Unternehmen impfen zu lassen, ist vernünftig. Allerdings darf er das nicht mit einer Unterschriftenliste tun, die im Unternehmen kursiert. Die Entscheidung, sich impfen zu lassen, ist eine höchstpersönliche. Der Arbeitgeber darf die Beschäftigten nicht darüber informieren, welche KollegInnen das Impfangebot annehmen und welche nicht. Eben das passiert aber mit einer Unterschriftenliste, die herumgereicht wird. Hier werden Datenschutzbestimmungen verletzt.

„Wie sieht es denn generell mit einer Impfpflicht aus?“, erkundigt sich Gregor L. weiter. Derzeit gibt es keine gesetzliche Impfpflicht. Jede Impfung stellt einen Eingriff in die körperliche Unversehrtheit dar, die verfassungsrechtlich geschützt ist. Nur der Gesetzgeber kann unter bestimmten Voraussetzungen eine Impfpflicht erlassen. Der Arbeitgeber hat diese Möglichkeit nicht. „Muss ich dem Chef überhaupt sagen, ob ich geimpft bin oder nicht?“, möchte er außerdem wissen. Die Rechtsberaterin erklärt ihm, dass ArbeitnehmerInnen grundsätzlich nicht dazu verpflichtet sind, ihrem Arbeitgeber Auskunft über Gesundheitsdaten zu geben. Das betrifft auch den Impfstatus. Lediglich dort, wo Impfungen gesetzlich vorgeschrieben oder aufgrund der Tätigkeit (z.B. Kontakt zu vulnerablen Personen) dringend empfohlen sind, besteht eine diesbezügliche Auskunftspflicht.
In diesem Zusammenhang muss auch bedacht werden, dass derzeit nicht erwiesen ist, dass eine Impfung den/die Geimpfte/n sowie andere Personen zuverlässig vor Ansteckung schützt. Tatsächlich scheint es so, als könnten Geimpfte weiterhin am Corona-Virus erkranken, allerdings in abgeschwächter Form. Eine Impfung schließt auch die Ansteckung anderer Personen nicht aus. In der Interessenabwägung sollte dieser Umstand zu Lasten des Arbeitgebers gehen.

Testpflicht

Sabine B. hat Ärger mit ihrem Vorgesetzten, der von ihr verlangt, alle sieben Tage einen Nachweis darüber zu erbringen, dass sie SARS-CoV-2-negativ ist. Diesen Nachweis behält er ein. In der Rechtsberatung weisen wir Sabine B. darauf hin, dass eine Testverpflichtung nur dort vorliegt, wo Gesetz oder Verordnung sie verhängen. Von einer Testpflicht sind derzeit außerdem nur bestimmte Berufsgruppen erfasst. Selbst bei Vorliegen einer Testpflicht darf der Arbeitgeber den Nachweis über ein negatives Testergebnis nicht an sich nehmen oder eine Kopie davon anfertigen. Es ist gesetzlich geregelt, dass die Aufbewahrung des Nachweises durch den Arbeitgeber unzulässig ist. Da Sabine B., wie sie berichtet, in der Buchhaltung arbeitet und keinerlei Kontakt zu KundInnen hat, ist sie nicht verpflichtet, sich regelmäßig testen zu lassen. Ihr Vorgesetzter kann ihr keine Tests vorschreiben.
„Aber er beruft sich auf die Fürsorgepflicht“, gibt Sabine B. an. Die Fürsorgepflicht, erklärt ihr der Rechtsberater, umfasst nicht nur den Gesundheitsschutz von KollegInnen, sondern auch die Wahrung der Grundrechte der ArbeitnehmerInnen. Der Arbeitgeber ist verpflichtet, zur Vermeidung von Ansteckung mit dem Corona-Virus technische oder organisatorische Schutzvorkehrungen zu treffen. Auch die Arbeit im Home-Office kann vereinbart werden. Diesen „gelinderen Maßnahmen“ ist stets der Vorrang vor Eingriffen in die körperliche Unversehrtheit zu geben.

Hugo F. wiederum gehört zu einer Berufsgruppe, der regelmäßige Tests durch Verordnung verpflichtend auferlegt sind. Er ist im Handel tätig und unterhält regelmäßig Kontakt zu KundInnen. „Muss ich mich in meiner Freizeit testen lassen?“, fragt er in unserer telefonischen Rechtsberatung nach. „Im Betrieb gibt es leider kein Testangebot. Mein Chef sagt, sich testen zu lassen, sei Privatsache.“ Das stimmt so nicht, erklären wir ihm in der Beratung. Der regelmäßige Test ist Voraussetzung dafür, dass er seine Arbeit ausüben darf. Die Testpflicht ist daher nicht dem privaten, sondern dem beruflichen Bereich zuzuordnen. Für Hugo F. gilt der Generalkollektivvertrag zum Corona-Test, der vorsieht: Wenn ArbeitnehmerInnen aufgrund der geltenden Verordnung ihren Arbeitsort nur mit einem nachweislich negativen Testergebnis betreten dürfen, dann ist der Arbeitgeber verpflichtet, sie für die Teilnahme an einem Test von der Arbeit freizustellen. Das Entgelt muss für die dafür erforderliche Zeit fortgezahlt werden. Dasselbe gilt für die erforderliche An- und Abreisezeit. Der Test soll tunlichst auf dem Weg zur Arbeit oder auf dem Weg vom Arbeitsplatz nach Hause absolviert werden.

Und noch eine Regelung aus dem Generalkollektivvertrag ist für Hugo F. interessant: Ist er verpflichtet, eine Maske zu tragen, hat sein Arbeitgeber durch geeignete arbeitsorganisatorische Maßnahmen zu gewährleisten, dass ihm alle drei Stunden das Abnehmen der Maske für mindestens zehn Minuten ermöglicht wird. Es handelt sich dabei um keine Arbeitspause, die zehn Minuten sind Arbeitszeit, sondern lediglich um eine Masken-Tragepause.

Bereits geimpft

Lena K. hat ein anderes Problem. Sie hat Ende April in unserer telefonischen Rechtsberatung – stellvertretend für viele ArbeitnehmerInnen – angefragt, ob die aktuelle COVID-19-Schutzmaßnahmen-Verordnung nach erfolgter Impfung noch Gültigkeit für sie hat. „Muss ich, obwohl ich bereits die 2.Teilimpfung erhalten habe, noch immer eine Maske tragen und regelmäßig testen gehen?“, möchte sie wissen. Sie erbringt Dienstleistungen und hat häufigen Kontakt zu KundInnen. Daher schreibt die Verordnung vor, dass sie sich alle sieben Tage testen lassen und eine Bescheinigung über das negative Testergebnis mit sich führen muss. Auch geimpfte Personen, informiert sie die Rechtsberaterin, haben die vorgeschriebenen Maßnahmen einzuhalten. Allerdings gibt es für sie eine Möglichkeit, sich das siebentägige Testen zu „ersparen“: Sie kann einen Corona-Antikörper-Test machen. Der diesbezügliche Nachweis über neutralisierende Antikörper ersetzt für einen Zeitraum von drei Monaten die vorgeschriebenen Tests. Von der Politik ist geplant, Geimpfte ehestmöglich Getesteten gleichzustellen.

Die Gewerkschaft GPA hilft

GPA-Mitgliedern steht ein vielfältiges Beratungsangebot zu arbeitsrechtlichen Fragen zur Verfügung. Nicht-Mitglieder können unter 050301-301 eine kostenlose Erstberatung in Anspruch nehmen.

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