Qualitätsvollem Journalismus droht der Untergang

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Wegen knapper Ressourcen wird JournalistInnen omnifunktionales und omnipräsentes Arbeiten am Informationsfließband aufgebürdet.

Unabhängiger, kritisch hinterfragender Journalismus war noch nie so wichtig wie heute. Das hat mit der Corona-Pandemie zu tun – aber nicht nur. Denn recherchierte und damit dem Grundsatz des Qualitätsjournalismus „check, re-check, double-check“ folgende Information ist das Gegenteil von in Online-Portalen bewusst lancierten Fake News, die die Menschen verunsichern.

Unabhängiger, kritisch hinterfragender Journalismus war aber auch noch nie so gefährdet wie heute. Das hat weniger mit dem Virus zu tun, das unsere Gesundheit attackiert. Die Gefahr geht hier vor allem davon aus, dass die Medienhäuser auch unabhängig von Covid-19 in einer Krise stecken. Alle beäugen daher die Kristallkugel, um Möglichkeiten zu finden, wie Journalismus in Zukunft zu monetarisieren wäre. Verunsicherte Manager versuchen sich an verschiedenen Konzepten, teils widersprüchlich oder rasch wechselnd. Der Druck landet dann 1:1 in den Redaktionen.
In diesen „Versuchslaboren“ wird den JournalistInnen die Mutation von schon bisher in verschiedensten Fachgebieten „firm“ zu sein hin zum omnifunktionalen und omnipräsenten Arbeiten am Informationsfließband aufgebürdet: Print, Online, Video, Foto, Podcast, Social Media – alle Kanäle sollen am besten rund um die Uhr bespielt werden. Und zwar von immer weniger Beschäftigten. Die ureigenste Profession, also intensive Recherche und Auseinandersetzung mit einem Thema, bleiben auf der Strecke. Und damit die journalistische Qualität. Denn nicht Klicks und Conversions sind die eigentlich harte Währung, sondern besagte journalistische Qualität. Und mit der muss sich auch Geld verdienen lassen.

Aus- und Weiterbildung bleibt auf der Strecke

Viele KollegInnen berichten der JournalistInnengewerkschaft in der GPA von ihrer Verzweiflung ob des unaufhörlich steigenden Drucks. Mehrere RedakteurInnen haben schon ihren Job gekündigt – dies trotz der ohnedies bereits überproportional hohen Arbeitslosigkeit im Medienbereich. Darunter sind viele Junge, die der Branche entnervt den Rücken kehren. Denn sie sind nicht lange in dem Glauben zu halten, viele Zugriffe gepaart mit möglichst wenig Aufwand in der Erstellung seien das Qualitätsmerkmal für Inhalte.
Um angehenden JournalistInnen die Qualitätsmerkmale für Inhalte vermitteln zu können, würde es auch einer entsprechenden Aus- und Weiterbildung bedürfen. Doch gerade diese bleibt auf der Strecke. Akuter Zeitmangel in den Redaktionen und die permanente und zunehmende Personalknappheit führen dazu, dass junge KollegInnen von Beginn an voll mitarbeiten müssen, ohne intern geführt zu werden. Externe Aus- und Weiterbildung: totale Fehlanzeige.

In dieser bedenklichen Entwicklung ist die Angst um die Zukunft von qualitätsvollem Journalismus berechtigt. Die vierte Macht im Staat und wichtiger Grundpfeiler einer funktionierenden liberalen Demokratie, könnte es nicht mehr lange geben.
Da reicht die Ansage der Bundesregierung nicht, die vorgibt, den Medien mit einem „im internationalen Vergleich umfassenden Unterstützungspaket“ unter die Arme gegriffen zu haben. Verbunden „mit dem Impfturbo und dem dadurch zu erhoffenden Aufschwung sollen auch unsere Medien wieder in eine bessere Zukunft blicken können“, behaupten Türkis-Grün. Das Gegenteil ist der Fall. Nicht nur, dass sich die Arbeitsplatzsituation dadurch nicht nachhaltig verbessert hat, müssen sich die JournalistInnen noch den Vorwurf anhören, der Regierung gegenüber finanziell hörig geworden zu sein.

Abgeltung für gesellschaftspolitischen Auftrag

Sinnvoller und nachhaltiger als die teilweise nach kaum nachvollziehbaren Kriterien platzierte Inseratenkeule wäre die Umsetzung einer von der JournalistInnengewerkschaft seit Jahren geforderten neuen Medienförderung als Abgeltung eines gesellschaftspolitischen Auftrages. Von einer massiven Aufstockung einmal abgesehen, muss diese allerdings endlich klaren Qualitätskriterien entsprechen. Soll heißen: Förderungswürdig sind nur jene Medien, die sich an geltende Gesetze, journalistische Kollektivverträge und journalistische Ethiknormen halten.

„Wiener Zeitung“ als öffentlich-rechtliches Medium

Während sich die Politik mit Inseraten nach Gutdünken um eine Abgeltung des gesellschaftlichen Auftrages von Qualitätsmedien herumschwindelt, ruiniert sie gleichzeitig mit Anlauf eines dieser Qualitätsprodukte: die „Wiener Zeitung“. Die älteste noch bestehende Tageszeitung der Welt steht im Eigentum der Republik. Doch die Regierung als deren Vertreter scheint alles daran zu setzen, den Medienstandort Österreich noch ärmer zu machen. Die Ansage, Pflichteinschaltungen im gedruckten „Amtsblatt“ zu streichen, ist der Todesstoß für das unverzichtbare Qualitäts-Zeitungsprodukt.

Eben wegen besagter Pflichteinschaltungen wurde die „Wiener Zeitung“ bisher nicht nur von einer Medienförderung abgeschnitten. Sie durfte gleichzeitig auf dem Werbemarkt tunlichst nicht als Konkurrent anderer Medien aufscheinen, den eigenen Zeitungsverkauf kaum bewerben, ja nicht einmal die Inflation beim Verkaufspreis berücksichtigen.

Sich auf diesem Markt künftig zu bewegen, die Qualität des eigenen Produktes einer breiten Öffentlichkeit anzupreisen und nicht zuletzt auf diesem Weg den Einnahmenentfall ein bisschen auszugleichen: An diesem Teil einer Bestandsgarantie ist der Geschäftsführer der „Wiener Zeitung“ schlichtweg nicht interessiert. Dessen bisher kolportierte Linie: die verbleibenden Pflichteinschaltungen digital zu betreuen und darüber hinaus zu einer Ausspielstation von PR-Sonderprodukten für das Kanzleramt zu verkommen.

Ein echtes journalistisches Angebot findet sich in diesem „Konzept“ nicht. Die JournalistInnengewerkschaft in der GPA unterstützt deshalb vollinhaltlich Forderungen nach einer „Wiener Zeitung“ als öffentlich-rechtliches Zeitungsmedium. Dies könnte ein qualitätsvolles Gegengewicht zu den oftmals Fake-News-gesteuerten Online-Portalen sein und mit Schwerpunkt-Themen etwa im Kulturbereich punkten. Eine zumindest Teil-
Finanzierung durch die öffentliche Hand wäre nachvollziehbar – finanziert sich doch auch die Hochkultur nicht aus Kartenverkäufen alleine. Und last but not least würde das öffentlich-rechtliche Medium „Wiener Zeitung“ eine Entlastung des journalistischen Arbeitsmarktes bringen.

Rette die Wiener Zeitung

Unterzeichne die Petition auf mein.aufstehn.at und schreibe an Bundeskanzler Sebastian Kurz und Vizekanzler Werner Kogler. Fordere sie auf, eine
neues Finanzierungsmodell für die Wiener Zeitung zu entwickeln.

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