Christian Jungmayr freut sich, wenn er als Betriebsrat KollegInnen individuell helfen oder mit der Geschäftsführung für alle MitarbeiterInnen etwas erreichen kann. Stolz ist er darauf, dass in der Corona-Pandemie bisher niemand gekündigt oder in Kurzarbeit geschickt wurde.
Seit 1998 arbeitet Jungmayr bereits bei Nestlé – damals hatte das Unternehmen noch Fabriken in Österreich. Heute gibt es nur mehr die Zentrale, die sich um das Retail-Geschäft und den Großhandel kümmert, dafür aber mit der Nestlé-Tochter Nespresso ein Unternehmen, das heute in Österreich mehr als doppelt so viele Beschäftigte zählt wie die Mutter. Rund 270 MitarbeiterInnen sind für Nestlé tätig, an die 700 für Nespresso. Jungmayr war zunächst im Controlling der Fabriken tätig, später im zentralen Controlling. Kurz verschlug es ihn auch zu Nespresso, heute ist er in der Bilanzbuchhaltung eingesetzt.
Seelsorgestelle für die MitarbeiterInnen
2017 hat er sich erstmals der Wahl zum Betriebsrat gestellt, seit Mitte 2020 ist er Vorsitzender des Betriebsrats von Nestlé Österreich. Manchmal komme einem da ein bisschen die Funktion einer Seelsorgestelle zu, wenn der eine oder die andere MitarbeiterIn einmal ihr Herz ausschütten möchte, erzählt Jungmayr. Dann wieder kämen Fragen zur Gehaltsabrechnung, die man lieber zuerst mit dem Betriebsrat besprechen als gleich damit zur Personalabteilung gehen möchte. Oder es hakt in der Kommunikation mit einem/r KollegIn oder einem/r Vorgesetzten.
Dann gibt es da aber auch die Anliegen, welche die ganze Belegschaft betreffen. Als beispielsweise auf Grund der Neubestimmung von Gruppen und Stufen im Handelskollektivvertrag sich die Einklassifizierungen geändert hätten, habe das im Betrieb unter den MitarbeiterInnen zu vielen Gesprächen geführt. „Warum werde ich nicht hochgestuft? Warum bin ich nun in dieser Gruppe und nicht in jener?“ Niemals sei es dabei um Einkommenseinbußen gegangen, versichert der Betriebsratschef, „abgestuft wurde niemand“. Aber viele hätten sich selbst in einer anderen Gruppe oder auf einer anderen Stufe gesehen, da habe es Erklärungsbedarf gegeben.
Corona-Pandemie
Und dann war da auch noch die Pandemie. Obwohl das Home-Office zuvor nur fallweise gelebt worden sei, waren alle MitarbeiterInnen bereits mit Laptop und Headset ausgerüstet. „So konnten wir von heute auf morgen ins Home-Office switchen.“ Man sei nicht sicher gewesen, ob die Netzwerkstruktur dafür gerüstet sei – doch sie habe standgehalten. „Das Home-Office hat sofort sehr gut funktioniert.“ Wie in anderen Unternehmen auch, seien aber auch die Grenzen recht bald aufgezeigt worden: die Technik sei die eine Seite, das gleichzeitige Arbeiten und Betreuen entweder von Kleinkindern oder von älteren Kids im Home Schooling die andere. „Das ist schon eine wahnsinnige Belastung.“
Groß waren zu Beginn vor allem die Sorgen der AußendienstmitarbeiterInnen. „Sie haben gemeint: wie geht das nun weiter? Wir können gar nichts tun.“ Der Betriebsrat sei hier in engem Austausch mit der Geschäftsführung gewesen und schließlich wurde beschlossen: niemand verliere seinen Job, „auch wenn er im Moment nicht seine normale Aufgabe erfüllen kann“. Und auch, als Außenkontakte nach und nach wieder möglich wurden, fuhren nur jene wieder zu Terminen in den Lebensmittelhandel, die dazu bereit waren. „Wir haben niemanden gezwungen und gesagt: wer es sich zutraut, kann, niemand muss. Wir alle wussten ja noch nicht, wie sich das Virus verhält, und haben daher immer stark auf Freiwilligkeit gebaut.“
„Wir sind ein so großes Unternehmen und können es uns leisten, nicht in Kurzarbeit zu gehen.“
Christian Jungmayr
Stolz ist Jungmayr auch, dass niemand von der Belegschaft in Kurzarbeit war. Er sagt aber auch, es habe da gar keinen großen Push seitens des Betriebsrats gebraucht, „da gab es relativ rasch einen Konsens zwischen Geschäftsführung und Betriebsrat“. Der Tenor lautete: „Wir sind ein so großes Unternehmen und können es uns leisten, nicht in Kurzarbeit zu gehen.“ Im Großhandelsbereich gab es wegen der Schließungen in Gastronomie und Tourismus zwar Einbrüche. Das Retail-Geschäft habe das aber ganz gut abgefangen – im Bereich der Supermärkte hat die Pandemie ja zu Umsatzzuwächsen geführt.
Corona-Bonus
Froh ist Jungmayr auch, dass Nestlé in Sachen Sicherheit für MitarbeiterInnen von Beginn an auch immer auf die aktuelle Forschung schaute. „Als in Österreich allgemein noch auf einen Meter Abstand gesetzt wurde, war unsere Firmenpolitik schon bei zwei Metern Abstand.“ Heute würden die 3G gelebt und auch stichprobenartig kontrolliert, es gebe die Möglichkeit sich im Haus testen zu lassen und auch in Sachen Impfen habe man sich schon früh um ein MitarbeiterInnenkontingent in der Impfstraße im Austria Center bemüht.
Wie ab Februar Impfpflicht und 3G am Arbeitsplatz unter einen Hut zu bringen sein werden, sieht Jungmayr als kein großes Problem, darüber werde man sich sicher mit der Geschäftsführung verständigen können. Persönlich tritt er für eine Impfpflicht ein. „Es muss aber jeder selbst wissen, was vernünftig ist.“
„In den nächsten Gesprächen wird es um zusätzliches Home Office-Equipment gehen.“
Christian Jungmayr
Und was steht derzeit sonst noch auf seiner Betriebsratsagenda? „In den nächsten Gesprächen wird es um zusätzliches Home Office-Equipment gehen“, verrät Jungmayr. Manche MitarbeiterInnen bräuchten einen zweiten Bildschirm, andere einen Bürosessel. Das soll nun möglich gemacht werden. Die Nestlé-MitarbeiterInnen haben übrigens vergangenes Jahr auch einen Coronabonus in Höhe von 200 Euro erhalten „auf Grund des anstrengenden Jahres“. Wertschätzungen wie diese, aber auch die Weihnachtspakete, die derzeit gerade geschnürt würden, seien eine wichtige Motivation für die Belegschaft. „Und auch, wenn es das jedes Jahr gibt, freut man sich dann doch.“
Zur Person:
Christian Jungmayr, geb. 1979 in Wien, nach Abschluss der Handelsakademie seit 1998 bei Nestlé Österreich tätig, zunächst in verschiedenen Firmenbereichen im Controlling tätig, 2015 kurzer Wechsel zur Nestlé-Tochter Nespresso, danach bis 2018 im Businesscontrolling und seitdem in der Bilanzbuchhaltung eingesetzt. Seit Ende 2017 Mitglied des Betriebsrats, zunächst als stellvertretender Vorsitzender, seit Mitte 2020 Vorsitz des Betriebsrats von Nestlé Österreich. Jungmayr ist verheiratet und Vater von zwei kleinen Kindern. Seine Freizeit verbringt er gerne mit der Familie – und freut sich, wenn er es manchmal auch noch schafft seinen Hobbys Lesen und Radfahren nachzugehen.