ELA: Europäische Arbeitsmarktbehörde im Aufbau

Foto: ELA

2019 wurde die Europäische Arbeitsmarktbehörde in Bratislava gegründet. 2024 soll sie voll funktionsfähig sein. Den Weg dorthin skizziert Exekutivdirektor Cosmin Boiangiu im KOMPETENZ-Interview.

KOMPETENZ: Vor kurzem hat die Europäische Arbeitsbehörde (ELA) ihre Arbeit in
Bratislava aufgenommen. Worum handelt es sich dabei?

Cosmin Boiangiu: Die Europäische Arbeitsbehörde ist eine der jüngsten EU-Agenturen. Unser
Mandat dreht sich um die Arbeitsmobilität in Europa. Wir haben ein ziemlich umfassendes Mandat
um den Mitgliedsstaaten zu helfen, die Arbeitsmobilität fair zu gestalten. Dazu gehören faire Arbeitsbedingungen und ein fairer Wettbewerb für Unternehmen. Deshalb haben wir ein recht umfangreiches Mandat zur effektiven Durchsetzung von Regeln. Und damit einhergehend, müssen wir gegen jeden möglichen Missbrauch von Rechtsvorschriften, Betrug und so weiter vorgehen.

KOMPETENZ: Welche Instrumente stehen Ihnen zur Verfügung?  

Cosmin Boiangiu: Wir sind eine sehr junge Organisation. Wir wachsen jeden Tag, sogar jetzt, während wir reden. Wir sollen im Sommer 2024 voll einsatzfähig sein. Bis dahin fangen wir an, uns zu organisieren, zu wachsen und bereits Aktionen zu initiieren. Wir haben drei operative Haupteinheiten. Eine widmet sich der Verbesserung der Zusammenarbeit zwischen den Verwaltungen der EU-Mitgliedstaaten. Denn es gibt auch viele administrative Probleme, wenn Menschen oder Unternehmen von einem Land in ein anderes ziehen, zum Beispiel in Bezug auf die soziale Sicherheit, die Rechte und Leistungen der Menschen und so weiter. Wir haben ein Referat, das ArbeitnehmerInnen und Unternehmen über ihre Rechte und Pflichten informieren soll, wenn sie im Ausland tätig sind. Und zu guter Letzt haben wir eine Durchsetzungseinheit, deren Hauptziel es ist, gemeinsame Inspektionen zu koordinieren und gegen Schwarzarbeit vorzugehen.

KOMPETENZ: Was ist der Vorteil einer Europäischen Arbeitsbehörde im Vergleich zu nationalen Arbeitsbehörden?

Cosmin Boiangiu: Es gibt Fälle, an denen mehr Länder beteiligt sind und in denen es um komplexe Arbeitsweisen geht, für diejenigen die das Gesetz umgehen wollen. Das ist es, was die ELA mit sich bringt, dieses Format der Zusammenarbeit und des gemeinsamen Vorgehens von Behörden aus mehreren Ländern. Wenn man nur in einem Land ermittelt, ist das nicht genug. Sie operieren auch in anderen Ländern, sie lassen sich nieder, sie stellen Leute aus dem Ausland ein – man muss also einen umfassenden Ansatz für die gesamte Situation haben. Um konkreter zu werden: Wenn es Anfragen von Mitgliedsstaaten gibt, die einen Fall gemeinsam mit anderen Mitgliedsstaaten untersuchen wollen, können wir diesen Prozess erleichtern, wir können diesen in erster Linie mit den Arbeitsbehörden, aber auch mit anderen Strafverfolgungsbehörden aus mehreren europäischen Staaten koordinieren.

KOMPETENZ: Warum wird die ELA erst jetzt eingerichtet? Diese Art von Problemen ist seit Jahren bekannt…

Cosmin Boiangiu: Das ist richtig. Es wurde beschlossen, diese Art von Behörde jetzt einzurichten, da es eine große Arbeitsmobilität in Europa gibt, und um diesen Prozess zu erleichtern, um sicherzustellen, dass den Bestrebungen der Menschen, die im Ausland arbeiten wollen, gedient wird, aber auch die Vorteile des Binnenmarktes gewährleistet werden. Natürlich hätte man dies schon früher tun können, aber dies ist eine der Lehren aus dem vergangenen Jahrzehnt, in dem viele Probleme mit dem Missbrauch der Rechtsvorschriften zusammenhingen. Es gibt nur ein europäisches Gesetz für Arbeit und soziale Sicherheit, aber es gibt 27 verschiedene Systeme, verschiedene Arten der Umsetzung. Und genau das wurde ausgenutzt von denen, die das Gesetz umgehen wollen. Was ELA bringt, ist mehr Kohärenz in den Instrumenten der nationalen Verwaltungen. 

KOMPETENZ: Auf welche Sektoren wollen Sie sich konzentrieren?

Cosmin Boiangiu: Wir haben letztes Jahr eine Kampagne gestartet – unsere erste umfassende Aktion – mit dem Schwerpunkt Landwirtschaft. In diesem Jahr expandieren wir, wir stocken unser Personal auf, also wollen wir auch unser Angebot erweitern. Wir haben dieses Jahr mit der Konzentration auf den Straßenverkehr begonnen und werden später im Jahr zu anderen Sektoren übergehen, z. B. dem Bausektor. Der Bausektor ist einer der Sektoren, in dem die meisten mobilen ArbeitnehmerInnen in der EU beschäftigt sind. Darüber hinaus werden wir uns aber auch auf andere Hochrisikobereiche konzentrieren, z. B. die fleischverarbeitende Industrie. Die Forstwirtschaft ist ein weiterer Bereich, in dem wir unser Verständnis der Probleme, die in diesem Sektor bestehen, vertiefen wollen. Wir haben auch ein Instrument zur Risikobewertung, und wir wollen sicherstellen, dass wir alle möglichen Risikobereiche in Bezug auf Missbrauch und Betrug im Zusammenhang mit der Arbeitsgesetzgebung abdecken.

KOMPETENZ: Können sich auch Beschäftigte direkt an die ELA wenden und um Ermittlungen bitten?

Wir sind eher als eine Art Back-Office gedacht. Die ArbeitnehmerInnen und Unternehmen sind unsere eigentlichen Nutznießer. Wir haben jedoch noch keine Instrumente, um direkt mit den ArbeitnehmerInnen zu arbeiten, aber wir arbeiten eng mit den Gewerkschaften zusammen. Wir haben eine sehr enge Beziehung zu den Sozialpartnern. Die ArbeitnehmerInnen können also über die Gewerkschaften und Sozialpartner erreicht werden. Das ist ein weiterer Teil unserer Tätigkeit: die ArbeitnehmerInnen über ihre Rechte und ihre Schutzmöglichkeiten zu informieren. Denn in vielen Fällen sind sie sich ihrer Rechte nicht bewusst und wissen nicht, was sie im Falle eines Missbrauchs tun können. Außerdem wollen wir starke Partnerschaften mit anderen Strafverfolgungsbehörden in ganz Europa, mit der Polizei oder den Steuerbehörden, aufbauen, um gemeinsam handeln zu können, denn ArbeitsinspektorInnen allein können sich nicht mit dem gesamten Spektrum der Probleme befassen, die bei einer Untersuchung oder einer Inspektion auftreten können.

KOMPETENZ: Was werden die nächsten Schritte in der Entwicklung der ELA sein?

Wir sind sehr damit beschäftigt, unsere Arbeitsweise festzulegen, und haben bereits begonnen, Ergebnisse zu erzielen. Unser Ziel ist es, solide Interventions- und Handlungsmöglichkeiten zu haben. Das heißt, wir wollen uns als vertrauenswürdige und respektierte Institution etablieren. Das ist eine ganze Menge Arbeit. Wir wollen viel in die Risikobewertung investieren, um sicherzustellen, dass wir alle Möglichkeiten kennen, wie Rechtsvorschriften missbraucht oder nicht eingehalten werden. Wir wollen auch viel in den Aufbau von Kapazitäten investieren, um den nationalen Verwaltungen und Sozialpartnern in unseren Mitgliedstaaten zu helfen, sich mit diesen Fragen zu befassen und sich selbst zu organisieren. Es handelt sich also um eine große Anstrengung der Konsolidierung, des Aufbaus, würde ich sagen.

Übersetzung: Christian Bunke

Zur Person

Cosmin Boiangiu, geb. 1970, ist Diplomat und Exekutivdirektor der 2019 gegründeten Europäischen Arbeitsbehörde.

ELA

Die Europäische Arbeitsbehörde (European Labour Authority, ELA) wurde 2019 in Bratislava gegründet. Also solche strebt sie eine Verbesserung der Zusammenarbeit zwischen den EU-Ländern an, koordiniert gemeinsame Kontrollen und schlichtet in Streitfällen zwischen EU-Ländern. Die Behörde befindet sich derzeit noch im Aufbau und soll 2024 mit angestrebten 124 Bediensteten voll einsatzfähig sein.

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