Gleichstellung: Wo bleibt Halbe-Halbe?

Spring cleaning. Man with headphones and mop in living room

Frauen verdienen weniger als Männer und haben nicht die gleichen beruflichen Chancen. Wenn wir das ändern wollen, dann muss Sorge- und Haushaltsarbeit endlich gerecht verteilt werden. Eine kürzere Arbeitszeit für alle und flächendeckende, ganztägige Kinderbildungseinrichtungen sind die Voraussetzungen.

Der Equal Pay Day fiel heuer auf den 31. Oktober. Das ist der Tag, ab dem Frauen – statistisch gesehen – gratis arbeiten. Denn die Männer haben da bereits soviel verdient, wie die Frauen erst am Ende des Jahres. Diese Einkommenslücke von knapp 17 Prozent hält sich hartnäckig, sie liegt über dem europaweitem Durchschnitt von 14 Prozent.

Dass Frauen 2023 immer noch so viel weniger verdienen als Männer hat viele Gründe: Frauen leisten neben ihrer bezahlten Arbeit den Großteil der Sorge- und Haushaltsarbeit. Einkaufen, Kochen, sich um die Kinder kümmern, Wege erledigen, für die älteren Verwandten sorgen, etc. Zwei Drittel dieser unbezahlten Aufgaben übernehmen Frauen. Um das schultern zu können, arbeitet mehr als jede zweite Frau in Österreich in Teilzeit.

„Kinderbildungseinrichtungen sollten insgesamt 40 Stunden wöchentlich und mindestens acht Stunden lang geöffnet sein, ein Mittagessen anbieten und maximal fünf Wochen im Jahr schließen!“

Julia Ilger

Teilzeitjobs wiederum bieten meist schlechtere Stundenlöhne. Viele Frauen sind außerdem in sog. Frauenjobs bzw. Frauenbranchen tätig. Dazu gehören u.a. Gesundheits- und Pflegeberufe, viele Serviceberufe oder die Kinderbildungseinrichtungen. Dort liegen die Gehälter unter jenen von Industrie oder Tech-Firmen.

GPA Frauenkongress 2024

Aktuell in Planung ist der GPA Frauenkongress am 30. September 2024 zum Thema ‚Was ist gesunde Arbeit?‘. Diskussionen und Workshops über geschlechtergerechte Arbeitszeitverkürzung, Care-Arbeit, Lohntransparenz oder‚ Frauenbranchen‘ werden den Ist-Zustand in Österreich beleuchten und Lösungen aufzeigen. Eingeladen zum Kongress sind natürlich Frauen UND Männer!

Sandra Steiner, Bundesfrauenvorsitzende und stellvertretende Vorsitzende in der Gewerkschaft GPA sowie Betriebsratsvorsitzende im internationalen IT-Konzern Eviden Austria GmbH, findet diese Ausgangslage von Grund auf problematisch: „Es wird in Österreich völlig selbstverständlich akzeptiert, dass Frauen die Familienarbeit erledigen und dafür Teilzeit in ‚Frauenbranchen‘ arbeiten, wo die Gehälter hinter den Männerbranchen zurückbleiben. Das finde ich einer reichen Industrienation unwürdig!“

Einkommenslücke und Kindertagesstätten

Ob bezahlte und unbezahlte Arbeit fair verteilt ist, hängt einerseits mit tradierten Rollenbildern zusammen, andererseits damit, ob es Kinderbildungseinrichtungen gibt, die eine Vollzeitarbeit überhaupt ermöglichen. So ist in Wien, wo das Angebot an Kindertagesstätten bundesweit am besten ausgebaut ist, die Einkommenslücke am niedrigsten. Umgekehrt können Frauen dort, wo Kindergärten bereits mittags schließen, nur einer Teilzeitbeschäftigung nachgehen.

Ein Vollzeitjob für beide Eltern ist nur dann möglich, wenn die Versorgung der Kinder sichergestellt ist: „Kinderbildungseinrichtungen sollten insgesamt 40 Stunden wöchentlich und mindestens acht Stunden lang geöffnet sein, ein Mittagessen anbieten und maximal fünf Wochen im Jahr schließen“, erklärt Julia Ilger, Bundesfrauensekretärin in der Gewerkschaft GPA. Diesen Kriterien entsprechen allerdings nur rund 38 Prozent der Kindertagesstätten in Österreich: „Weniger als die Hälfte unserer Kinderbildungseinrichtungen sind vollzeittauglich“, kritisiert Ilger (siehe Kasten S. 5). Daher müssen sich in Österreich endlich die Rahmenbedingungen ändern: „Wir brauchen ein Recht auf flächendeckende leistbare Kinderbildungsplätze ab dem ersten Geburtstag“, fordert Frauenvorsitzende Steiner, „Die Gewerkschaft GPA arbeitet außerdem seit Jahren hart daran, bessere Arbeitsbedingungen und Gehälter für die Elementarpädagog:innen zu erkämpfen, um diese Berufsgruppe aufzuwerten.“

Kinderbildungsplätze: Nicht mit Vollzeitjobs vereinbar

Nur 38 Prozent der Kindertagesstätten in Österreich haben länger als 10 Stunden geöffnet. 10 Stunden sind das tägliche Zeitfenster, das Eltern brauchen, um einer Vollzeitbeschäftigung plus Wegzeiten nachgehen zu können. In Wien sind 71 Prozent der Kindergärten so lange geöffnet, in Oberösterreich z.B. nur 14 Prozent. Außerhalb von Wien entsprechen dem nur 2 von 10 Kinderbildungseinrichtungen. Was dazu führt, dass Frauen überwiegend Teilzeitjobs annehmen müssen.

Quelle Momentum Institut, Statistik Austria, Kindertagesheimstatistik 2020/21

Rollenbilder einzementiert

Junge Paare, das wissen wir aus Umfragen und Studien, teilen sich die Hausarbeit meist einigermaßen fair auf, solange sie keine Kinder haben. Mit dem ersten Kind geht die Mutter in Karenz und arbeitet anschließend oft Teilzeit. Sie übernimmt dann den Großteil der Sorge- und Haushaltsarbeit. Um den Einkommensverlust auszugleichen machen die Väter Überstunden und beteiligen sich weniger an Haushalt und Kindererziehung.
Die politischen Maßnahmen der letzten Jahre haben diese Strukturen gefestigt. „Anstatt Arbeitszeit generell zu verkürzen und auch Männer für mehr Care Arbeit zu animieren, wurden Arbeitszeiten einzementiert, die nicht den Herausforderungen der Zukunft gerecht werden“, erinnert Sandra Steiner an die Einführung des 12-Stunden-Tages und der 60- Stunden-Woche im Jahr 2018. „Eine Chance für mehr Halbe-Halbe hätte die neue Karenzregelung sein können“, ergänzt Ilger. „Doch die Regierung hat keine Anreize für junge Väter, sich mehr einzubringen, gesetzt.“

Arbeitszeitverkürzung

Als Betriebsratsvorsitzende eines internationalen Konzerns beobachtet Sandra Steiner, dass andere Länder in Sachen frauengerechter Arbeitszeiten und im Überwinden konservativer Rollenbilder viel weiter sind: „Neben fehlenden Kinderbildungseinrichtungen sehe ich auch große Defizite bei modernen Arbeitszeitmodellen mit kürzeren Arbeitszeiten.“

„Die junge Generation, die kürzer arbeiten will, wird von Politik und Arbeitgebern als ‚faul‘ bezeichnet.“

Sandra Steiner

Wäre eine Arbeitszeitverkürzung der Weg aus dem Dilemma? Der Wunsch nach weniger Wochenarbeitszeit und nach einer besseren Vereinbarkeit von Beruf und Privatleben ist besonders bei jungen Menschen stark ausgeprägt. „Die junge Generation, die kürzer arbeiten will, wird von Politik und Arbeitgebern als ‚faul‘ bezeichnet“, kritisiert Steiner. „Ebenso nimmt der Arbeitsminister die Frauen ins Visier, die Teilzeit arbeiten, er diffamiert sie als nicht leistungsorientiert. Dabei unterschlägt er aber die unbezahlte Familienarbeit, mit der die Frauen in Wahrheit das Land am Laufen halten.“

GPA Frauensekretärin Julia Ilger zur neuen Karenzregelung: Vorsicht,
Mogelpackung!

„Bislang galt der Karenzanspruch bis zum Tag vor dem zweiten Geburtstag des Kindes. Seit dem 1. November müsste nun der zweite Elternteil mindestens zwei Monate Karenz in Anspruch nehmen, wenn man das Kind bis zum zweiten Geburtstag zu Hause betreuen will, also 22+2 anstatt bisher 24 Monate. Ausnahmen sind nur Alleinerziehende sowie Paare, bei denen der andere Elternteil keinen Karenzanspruch hat (Selbständige, Arbeitslose).
Der Haken daran: Die zwei Monate können vom Partner übernommen werden, müssen aber nicht. Denn die Beteiligung des Partners – meist des Vaters – ist freiwillig. Damit läuft die neue Regelung auf eine Kürzung des Karenzanspruchs um zwei Monate für die Frauen hinaus.
Ziel einer neuen Karenzregelung hätte aus unserer Sicht eine höhere Väterbeteiligung sein müssen und eine bessere Verteilung von Care-Arbeit zwischen Männern und Frauen! In Wahrheit verbirgt sich hier eine Verschlechterung für die Frauen!“
Die neue Regelung gilt für Kinder, die ab dem 1.11.2023 geboren sind!


Derzeit bezahlen jene Frauen, die weniger als 40 bzw. 38 Stunden arbeiten, die Verkürzung ihrer Erwerbsarbeitszeit selbst, mit niedrigeren Gehältern und Pensionen. Ihre wöchentliche Arbeitszeit ist trotzdem insgesamt länger, weil sie die unbezahlte Sorge- und Haushaltsarbeit erledigen. Außerdem leidet ihre Gesundheit: unter überlangen Arbeitstagen, durchwachten Nächten, fehlender Freizeit und zu wenig Erholung!

Eine Lösung könnte daher eine – bezahlte! – Arbeitszeitverkürzung für alle sein. Die Gewerkschaft GPA fordert seit Jahren ein neues Arbeitszeitmodell, das kürzeres und flexibleres Arbeiten ermöglicht. Die 4-Tage-Woche bei gleichbleibender Bezahlung und verringerten Arbeitszeiten wäre so ein Modell. „Davon würden Frauen UND Männer profitieren. Mit begleitenden politischen Maßnahmen würde es die Arbeitsteilung und Kinderbetreuung deutlich erleichtern, das haben Feldversuche bereits gezeigt“, erklärt Julia Ilger.

Transparenz bei den Einkommen

Damit endlich auch die Einkommensschere schneller zugeht, hat die EU mit der neuen Transparenz-Richtlinie ein wichtiges Tool zur Verfügung gestellt. Die Richtlinie sieht vor, dass alle Unternehmen mit mehr als 100 Beschäftigten künftig transparent über Bezahlung für gleichwertige Arbeit informieren müssen. Die Mitgliedstaaten müssen diese Daten sammeln und öffentlich aufbereiten. Wenn das geschlechtsspezifische Lohngefälle 5 Prozent übersteigt, müssen vom Unternehmen wirksame Maßnahmen ergriffen werden, um die Lücke zu schließen. Ansonsten drohen hohe Strafen. Österreich hat drei Jahre Zeit für die Umsetzung. Sandra Steiner zeigt sich optimistisch: „Somit sind die Unternehmen in die Pflicht genommen und müssen aktiv werden. Ich sehe das durchaus als einen Meilenstein!“

3 Fragen an Sandra Steiner, GPA Bundesfrauenvorsitzende:

KOMPETENZ: Was bringt die EU-Transparenz-Richtlinie?

Sandra Steiner: „Ich sehe diese Richtlinie als eine große Chance, endlich die Lohnschere wirkungsvoll zu bekämpfen! Sie wird einen verbesserten Einblick in Lohn- und Gehaltsstatistiken ermöglichen, so kann Diskriminierung gezielt aufgespürt werden. Die Richtlinie muss bis 2026 umgesetzt werden. Danach ist vorgesehen, dass Unternehmen, die keine Maßnahmen zum Schließen der Einkommenslücke ergreifen, Strafe bezahlen. Es liegt an der Regierung, zeitgerecht mit der Umsetzung in nationales Recht zu beginnen. Für uns ist die Richtlinie ein wichtiger Schritt in Richtung Gleichstellung!“

KOMPETENZ: Wo stehen wir bei ‚gleicher Lohn für gleiche Arbeit‘?

Steiner: „Die Transparenz-Richtlinie enthält eine ganz wichtige Neudefinition, nämlich ‚gleicher Lohn für gleichWERTIGE Arbeit‘. So können nun Tätigkeiten über Berufe und Branchen hinweg verglichen werden, anhand von Schlüsselkompetenzen wie Verantwortung, Arbeitsbelastung, Ausbildung, usw. Hier zeigt sich, dass Menschen im Pflegebereich genauso belastet sind wie Beschäftigte im Industriesektor. Der Begriff der ‚gleichwertigen‘ Arbeit ist ein enormer Fortschritt!“

KOMPETENZ: Ist ‚weniger Arbeit für alle‘ eine Lösung?

Steiner: „Ja! Eine Arbeitszeitverkürzung bei gleichbleibendem Gehalt ermöglicht es jungen Familien, sich ihre Betreuungspflichten und die Hausarbeit besser aufzuteilen, weil dann beide Eltern kürzer arbeiten. Frauen bleibt bei diesem Modell auch echte Freizeit, denn: Wir brauchen auch Zeit für uns selbst!“

Scroll to top