Mit Ende Jänner 2025 schließen die Möbelhäuser kika und Leiner endgültig ihre Türen. 1.350 Menschen verlieren ihren Arbeitsplatz. Die KOMPETENZ hat mit Michael Pieber, Geschäftsführer der Gewerkschaft GPA Niederösterreich, über die Zukunft der kika/Leiner-Mitarbeiter:innen und die geplante Arbeitsstiftung gesprochen.
Das Traditionsmöbelhaus Leiner wurde ursprünglich 1910 in St. Pölten gegründet. kika/Leiner wurde 2018 an René Benkos Signa-Gruppe verkauft. Nach der Insolvenz im Sommer 2023 wurden 23 von 40 kika- und Leiner-Filialen geschlossen. Im November 2024 musste das Unternehmen erneut Insolvenz anmelden.
KOMPETENZ: Was hat die Gewerkschaft GPA für die Mitarbeiter:innen nach der zweiten Insolvenz erreichen können?
Michael Pieber: Wir als Gewerkschaft GPA standen nach der Insolvenz im November laufend in Kontakt mit den Betriebsrät:innen des Unternehmens. Besonders unser Handelssekretär Martin Prahser war natürlich immer für die Betriebsräte da, wenn Fragen aufgetaucht sind. Zunächst war unsere Aufforderung – landesweit – an die Mitarbeiter:innen: Unterschreibt nichts! Eine einvernehmliche Auflösung des Arbeitsverhältnisses ist bindend und kann nicht rückgängig gemacht werden, ihr verliert sonst wesentliche Rechte.
Als es dann in der Folge zum Konkurs kam war klar, dass alle Beschäftigten ihre Jobs verlieren würden. 600 Personen werden allein in NÖ arbeitslos, 1.350 in ganz Österreich. Wir wussten, dass wir unbedingt eine Arbeitsstiftung brauchen, denn das ist eine große Unterstützung für die Betroffenen, damit sie wieder eine berufliche Perspektive finden können.
KOMPETENZ: Kam die zweite Insolvenz überraschend?
Michael Pieber: Bei der Insolvenz im Sommer 2023 wurden die Immobilien vom operativen Geschäft losgelöst. Letzteres übernahm Hermann Wieser. Versprochen wurde den Mitarbeiter:innen eine heile Welt ohne Probleme, vorausgesetzt, sie würden sich nur tüchtig anstrengen.
Diese pauschalen Versprechungen machten uns als Gewerkschaft aber sofort hellhörig. Der Druck, der auf dem Unternehmen lastete, wurde an die Beschäftigten weitergegeben. Zu diesen ersten Alarmzeichen kam noch hinzu, dass die vom Unternehmen versprochenen strategischen Partner und große Investitionen ausblieben.
Die Immobilien-Gruppe bot zunächst Hilfe an, es wurden Mietvergünstigungen in Aussicht gestellt. Auch das bevorstehende Weihnachtsgeschäft stimmte optimistisch. Doch bereits im November war das Unternehmen insolvent. Nochmals war die Rede von einem Investor, aber nach kurzer Zeit wurde klar: es wird ein Konkurs.
KOMPETENZ: Unmittelbar nach dem Konkurs habt ihr eine Arbeitsstiftung gefordert. Warum?
Michael Pieber: Die Idee, eine Arbeitsstiftung einzurichten, hatten wir von Anfang an. Schon bei der Insolvenz im November beschrieben uns die Betriebsrät:innen die Lage als hoffnungslos. Wie also weiter? Es brauchte unbedingt eine Vision für die Menschen bei kika/Leiner, denn die bittere Wahrheit war, dass ihre harte Arbeit trotz der Versprechungen des Unternehmens nicht zum Erfolg geführt hatte.
Der einzige Weg, um den Menschen eine Zukunft zu bieten, ist daher eine Arbeitsstiftung. Die Beschäftigten haben jahrelang – manche jahrzehntelang! – Sozialabgaben geleistet, nun ist der Moment gekommen, wo sie Unterstützung brauchen. 1.350 Mitarbeiter:innen verlieren hier ihre Arbeit und ihre Perspektiven! Sie haben sich eine Vision für ihre Zukunft und eine Neuorientierung verdient.
KOMPETENZ: Was sind die Vorteile einer Arbeitsstiftung?
Michael Pieber: Für jüngere Beschäftigte, die nur kurz bei kika/Leiner gearbeitet haben, mag es leichter sein, einen neuen Job zu finden. Aber ich kenne Menschen, die arbeiten seit vier Jahrzehnten dort! Für sie und für alle anderen älteren Beschäftigten ist es schwieriger wieder Arbeit zu finden. Firmen stellen ungern ältere Arbeitnehmer:innen ein.
Um eine drohende Langzeitarbeitslosigkeit abzuwenden ist es daher extrem wichtig, den Beschäftigen Schulungen, Unterstützung und Weiterbildung anzubieten. Und das kann eben eine Arbeitsstiftung am besten, denn von der Computerschulung bis hin zum Berufswechsel ist dort alles möglich. Wichtig ist, dass das Angebot der Stiftung zu den Menschen passt.
Das Land Niederösterreich hätte mit diesen Menschen am liebsten die Löcher in der Pflege gestopft. So funktioniert das aber nicht aus unserer Sicht! Natürlich benötigen wir Personal in der Pflege, doch für gute Arbeit müssen die Menschen auch motiviert und gut ausgebildet sein.
KOMPETENZ: Die Gewerkschaft GPA Niederösterreich hat außerdem eine Petition für die Stiftung gestartet, warum?
Michael Pieber: Wir fordern schon seit Jahren eine permanente Arbeitsstiftung des Landes in NÖ, doch die Landesregierung will dafür kein Geld in die Hand nehmen. Auch diesmal war das Interesse von Land gering. Daher gingen wir an die Öffentlichkeit und organisierten eine Petition. Gleich zu Beginn wurde sie von weit über 1.000 Unterstützer:innen unterzeichnet, insgesamt erreichten wir schließlich über 3.000 Unterschriften.
Warum wir so für die Stiftung kämpfen? Es geht hier nicht nur um kika/Leiner, auch andere Branchen im Land sind aktuell mit Insolvenzen und Kündigungen konfrontiert. Beim Automobilzulieferer Scheffler in Berndorf werden durch die Schließung des Werks 2026 mehrere hundert Beschäftigte ihre Arbeit verlieren. Auch diese Menschen brauchen Visionen für ihre Zukunft.
Es ist daher höchste Zeit, dass das Land eine permanente Arbeitsstiftung einrichtet, wie sie aktuell in anderen Bundesländern – z.B. in Wien mit dem waff – schon existiert. Daher fordern wir über diese bereits vereinbarte Stiftung für kika/Leiner hinaus eine permanente niederösterreichische Arbeitsstiftung.
Eine Stiftung ist übrigens keine Investition im nachhinein! Die Menschen haben jahrelang Beiträge eingezahlt., damit sie eben im Ernstfall Unterstützung bekommen. Als Gewerkschaft fordern wir außerdem, dass Firmen, die nicht in Konkurs gehen, sondern von sich aus schließen, ebenfalls zu einer Stiftung beitragen sollen!
KOMPETENZ: Haben die Beschäftigen bei kika/Leiner noch ihre Gehälter bekommen?
Michael Pieber: Als kika/Leiner im November insolvent wurde, waren für die Beschäftigten noch das kommende Monatsgehalt und das Weihnachtsgeld offen. Dank der ausgezeichneten Zusammenarbeit mit der Insolvenzabteilung der AK NÖ und der IEF-Service GmbH konnten die Beschäftigten diese Gelder Mitte Dezember erhalten, was in der Vorweihnachtszeit wirklich eine große Erleichterung war! Auch der Masseverwalter, Herr Volker Leitner, hat in der Insolvenz gute Arbeit geleistet.
Hier zeigt sich, wie enorm wichtig der Insolvenz-Entgelt-Fonds (IEF) ist! Dieser Fonds wird aus den Lohnnebenkosten gespeist – die viele Politiker ja gerne kürzen würden. Davor kann man nicht oft genug warnen, besonders wenn, so wie jetzt, noch weitere Insolvenzen auf uns zukommen werden.
KOMPETENZ: Wie geht es nun ab Februar für die Mitarbeiter:innen weiter?
Michael Pieber: Zum Glück haben die langjährigen Beschäftigen bei kika/Leiner aufgrund ihres guten Kollektivvertrags lange Kündigungsfristen. Sie können nur Quartalsweise gekündigt werden. Das gibt uns bei der Gewerkschaft mehr Zeit, um sie gut zu unterstützen.
Ich möchte noch eines betonen: Stiftungen bilden Arbeitnehmer:innen aus! Gerade in Zeiten des Arbeitskräftemangels kommt ihnen eine wichtige Rolle zu. Firmen, die Stiftungen mitfinanzieren, bekommen daher auch wieder etwas zurück, nämlich besser ausgebildete Arbeitskräfte. Arbeitsstiftungen sind Personalpools für Unternehmen, sie produzieren gut ausgebildete Leute, treffsicher für den Arbeitsmarkt!
Was ist eine Arbeitsstiftung?
Wer von einer Kündigung betroffen ist, kann sich mit Hilfe einer Arbeitsstiftung auf einen neuen Job vorbereiten. Je nachdem, welche Kenntnisse man schon hat, was man sich wünscht und wie die Chancen am Arbeitsmarkt aussehen, entsteht dann ein maßgeschneiderter persönlicher Plan. Dieser enthält z.B. Weiterbildungen, Praktika oder ganze Berufsausbildungen, wo es notwendig ist, und die dabei helfen, den Wunschjob zu finden.
Michael Pieber
Der St. Pöltner verhandelte jahrelang Kollektivverträge in der GPA-Zentrale in Wien, ehe er zunächst die Landesgeschäftsführung im Burgenland übernahm. Seit 2022 leitet er die Landesgeschäftsstelle der GPA in NÖ und lebt mit seiner Familie in St. Pölten, wo er auch für die SPÖ im Gemeinderat aktiv ist.