Wo es noch keinen Kollektivvertrag gibt

Kaja Unger, die Betriebsratsvorsitze der FH JOANNEUM in der Steiermark, ist überzeugt, dass ein Kollektivvertrag für die Fachhochschulen auch der Arbeitgeberseite nützt.

Die 21 heimischen Fachhochschulen gehören zu jenen nur zwei Prozent der Arbeitsplätze in Österreich, die über keinen Kollektivvertrag verfügen. Die Juristin Kaja Unger ist Betriebsratsvorsitze der FH JOANNEUM in der Steiermark und gehört zu jenen, die sich für einen Kollektivvertrag auch für diese Bildungsbranche einsetzen.

21 Fachhochschulen, das bedeutet derzeit auch: 21 verschiedene Entlohnungssysteme, 21 verschiedene Indexierungen oder Nichtindexierungen, 21 Arbeitszeitmodelle. „An einer FH muss ich in der Woche 22 Stunden unterrichten, an einer anderen 27, an einer dritten 14“, schildert Unger. Aber auch in der Verwaltung gebe es unterschiedliche Anforderungen: an manchen gelte die 38-Stunden-Woche, an anderen die 39-Stunden-Woche, es gebe allerdings auch Standorte mit einer Arbeitszeit von 40 Wochenstunden. Aber auch die Tätigkeitsbeschreibungen seien an den 21 Fachhochschulen nicht einheitlich.

Der Vorteil eines Kollektivvertrags für diese Form der Hochschulen liege auf der Hand, betont Unger. „Es gibt einen rechtlichen Rahmen, der für alle verbindlich ist. Es gibt einen gleichwertigen Entgeltrahmen, der für ganz Österreich gilt und es leichter macht, Mitarbeiter:innen anderer Fachhochschulen zu beschäftigten. Und es gibt weniger Konflikte, weil sich der Einzelne nicht mehr unfair behandelt fühlt.“ Dass dann nicht mehr mit jedem einzelnen neuen Mitarbeiter oder jeder einzelnen neuen Mitarbeiterin ein Arbeitsvertrag ausverhandelt werden müsste, wäre auch für die Arbeitgeber:in-Seite von Vorteil.

„Es gibt einen rechtlichen Rahmen, der für alle verbindlich ist. Es gibt einen gleichwertigen Entgeltrahmen, der für ganz Österreich gilt und es leichter macht, Mitarbeiter:innen anderer Fachhochschulen zu beschäftigten. Und es gibt weniger Konflikte, weil sich der Einzelne nicht mehr unfair behandelt fühlt.“

Kaja Unger, Betriebsratsvorsitze der FH JOANNEUM in der Steiermark

Vorbilder für einen Fachochschul-Kollektivvertrag

Gäbe es für einen Fachhochschul-KV Vorbilder? Unger nennt hier auf der einen Seite die Unis, auf der anderen die Pädagogischen Hochschulen. Das Spezifikum der FH seien aber die privaten Träger der Einrichtungen. Hier bräuchte es ein kollektivvertragstaugliches Gremium, in dem die Arbeitgeber:innen organisiert seien. Die Bildung einer solchen Körperschaft – etwa in Form eines Vereins oder Verbands – wollen die Betriebsräte an den FH mit Unterstützung der GPA erreichen, so Unger, wobei es nicht an allen Fachhochschulen Betriebsratsgremien gibt. Das sei derzeit nur an 16 FH der Fall. Ideal wäre zudem, wenn die Arbeitgeber:innen-Seite sich hier freiwillig zusammenschließt und nicht erst per Gesetz dazu gedrängt werden müsse.

Das Verhandlungsgegenüber auf Regierungsseite ist bei diesem Vorhaben Wissenschaftsministerin Eva-Maria Holzleitner (SPÖ). Sie habe selbst an einer FH gearbeitet, erzählt Unger, und kenne daher auch die spezifische Problematik. Mit ihr seien die Betriebsrät:innen an der FH diesbezüglich auch bereits ins Gespräch gekommen, als diese noch gar nicht Ministerin gewesen sei.

Der ideale Fahrplan sähe so aus, dass die Geschäftsführungen der FH zumindest bis Ende 2027 bereit wären, eine Körperschaft zu gründen, die kollektivvertragsfähig ist. Für die KV-Verhandlungen an sich wären dann – wenn man sich etwa die Entstehung des Unikollektivvertrages im Rückblick ansehe – weitere fünf Jahre ein realistischer Zeitrahmen.

Erfolgreich gegen Kettendienstverträge

Doch bis es so weit ist, arbeitet Unger an der FH JOANNEUM, an der es seit 2017 eine umfangreiche „Vertragsschablone“ gebe, bereits im Rahmen ihrer Möglichkeiten an weiteren Verbesserungen für die insgesamt 850 Mitarbeiter:innen in Verwaltung und Lehre. Gelungen sei etwa die Beschränkung auf nur mehr zwei Mal befristete Verträge, danach sind die Arbeitsverhältnisse inzwischen unbefristet. „Damit gibt es nun weniger Kettendienstverträge.“ Von diesen problematischen Verträgen besonders betroffen gewesen seien Frauen. Warum? „Weil Männer härter verhandeln. Sie sagen mehrheitlich, ich komme nicht, wenn ich keinen unbefristeten Vertrag bekomme. Frauen verlassen sich dagegen eher auf die Zusage, dass es nach einer anfänglichen Befristung dann zu einer Verlängerung kommt.“

Die Ungleichbehandlung von Männern und Frauen ist Unger aber auch noch in einem anderen Bereich ein Dorn im Auge: bei den Prämienzahlungen. Da diese gehaltsabhängig sind und Männer tendenziell ihre Verträge besser ausverhandeln, fallen auch die Prämien höher aus. „Das ist nicht fair. Wenn ich schon ein hohes Gehalt habe, brauche ich nicht auch noch eine hohe Prämie.“ Hier versucht sie aktuell mit der Geschäftsführung ins Gespräch zu kommen.

Unger ist derzeit zudem damit beschäftigt, sich die Stellenbeschreibungen aller Mitarbeiter:innen anzusehen. Im Sommer 2026 muss auch in Österreich die Entgelttransparenzrichtlinie der EU umgesetzt sein. Im Hinblick darauf wolle sie bereits entsprechend vorbereitet sein, indem sie eben jetzt schon schaue, wer Aufgaben erfülle, die mit dem aktuellen Gehalt nicht ausreichend entlohnt würden und diese Mitarbeiter:innen daher eigentlich höher einzustufen wären. Diese Richtlinie biete gerade an den FH eine positive Perspektive. „Da hat man dann zumindest etwas in der Hand, wenn man keinen Kollektivvertrag hat.“

Betriebsratsgründung

Du denkst auch darüber nach, in deinem Betrieb oder in deiner Filiale einen Betriebsrat zu gründen? Ab fünf dauernd beschäftigten Mitarbeiter:innen habt ihr das Recht, eine Belegschaftsvertretung zu wählen! Deine Gewerkschaft GPA unterstützt dich dabei! Alle Infos zur Wahl und Unterstützung (auch nach der Gründung) erhältst du in deiner Regionalgeschäftsstelle. Für Nicht-Mitglieder ist eine Erstberatung kostenlos!

Mehr zur Betriebsratswahl findest du hier.

Die Freude an der Betriebsratsarbeit wurde Unger übrigens bereits von ihrer Mutter vorgelebt. Diese sei Betriebsratsvorsitzende in einem sehr großen internationalen Konzern gewesen, erzählt die Tochter. „Da habe ich mitbekommen, was es für Schwierigkeiten im Unternehmen gab und wie man sich für Mitarbeiter:innen einsetzen kann.“ Sie selbst sei zudem „ein kommunikativer Typ“, sie rede gerne und sei gerne mit Leuten zusammen – allesamt gute Voraussetzungen für die Betriebsratsarbeit.

Dem Betriebsrat an der FH JOANNEUM, für die sie seit 2005 tätig ist, gehört sie seit 2009 an. Seit 2015 ist sie die Vorsitzende der Belegschaftsvertretung und inzwischen nur mehr zwölf Stunden pro Woche in der Lehre tätig. Für 28 Stunden ist sie als Betriebsrätin freigestellt. Insgesamt teilen sich an der FH JOANNEUM vier Betriebsrät:innen 80 Stunden Freistellung. Da es mehrere Standorte gebe, habe sich das als sehr praktikabel herausgestellt.

Arbeit und Freizeit trennen

Ernst nimmt Unger eine gewisse Trennung von Arbeit und Freizeit. Abends ist sie für Mitarbeiter:innen zwar unter der Woche zwar meist erreichbar, auch angesichts des Umstands, dass in der Lehre tätige Kolleg:innen oft untertags nicht telefonieren können. Am Wochenende wüssten die Mitarbeiter:innen aber, dass sie wirklich nur in ganz dringenden Fällen anrufen sollen. Und ist sie auf Urlaub, dann ist das Telefon umgeleitet. Urlaub bedeutet für Unger übrigens vor allem eines: Entspannung. „Ich liege da lieber am Strand als Besichtigungstouren zu machen.“ Im Alltag sucht sich Unger, die mit ihrem Mann und ihrer Tochter, die noch zur Schule geht, in Gaz lebt, ihren Ausgleich vor allem beim Garteln.

Was sie in ihrer Rolle als Betriebsrätin lernen musste? „Ich suche immer gleich nach Lösungen. Aber diese Lösungen werden von den Mitarbeiter:innen nicht immer angenommen.“ Geholfen habe ihr hier die Konfliktlotsenausbildung der Gewerkschaft, die sie ebenso absolviert habe wie die beiden Basiskurse. „Was ich dort gelernt habe: ich kann Lösungswege vorgeben, aber jeder muss dann selbst seinen Weg gehen.“ Das sei auch deshalb ein wichtiger Grundsatz, weil andernfalls die eigene psychische Gesundheit leiden würde.

Zur Person

Kaja Unger, geb. 1974, studierte und promovierte in Rechtswissenschaften an der Uni Graz, danach absolvierte sie ergänzend einen Lehrgang für IT-Recht. Zunächst im Bankenbereich und nebenberuflich an der Fachhochschule Kärnten tätig, seit 2005 an der Fachhochschule JOANNEUM.

Einstieg als Mitarbeiterin der Rechtsabteilung, seit 2007 auch in der Lehre tätig (IT-Recht, Arbeitsrecht, Datenschutzrecht), seit 2012 ausschließlich Lehrende. Mitglied des Betriebsrats seit 2009, seit 2015 hat sie den Vorsitz inne. Unger lebt mit ihrer Familie in Graz.

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