Wenn ElementarpädagogInnen kündigen

Foto: privat

Bianca Schatz stand viele Jahre selbst in Kindergartengruppen und betreute als Assistentin Mädchen und Buben von drei bis sechs Jahren. Seit einem Jahr ist sie Betriebsratsvorsitzend der Kinderfreunde Oberösterreich. Wichtig ist ihr in dieser Funktion auf die angespannten Arbeitsbedingungen ihrer rund 230 KollegInnen, die in Einrichtungen in Linz, Wels und Steyr arbeiten, aufmerksam zu machen. Sie fordert eine bessere Bezahlung von PädagogInnen und AssistentInnen sowie kleinere Gruppen.

„Es ist erschreckend, es ist September und es gibt keine PädagogInnen mehr“, sagt Bianca Schatz. In den Kindergärten in Linz seien diesen Herbst daher nun drei Gruppen mit AssistentInnen als GruppenleiterInnen gestartet – eine absolute Notlösung. Die Personalsituation in Kindergärten ist seit Jahren angespannt, die Corona-Krise hat das Problem noch verstärkt. Was man zuletzt auch im Bereich Pflege massiv hört, damit kämpft man im Bereich Elementarpädagogik ebenfalls: immer öfter schmeißen PädagogInnen hin, erzählt Schatz. „Die KollegInnen im Verwaltungsbereich unserer Rechtsträger fürchten sich schon, wenn eine Pädagogin im Büro anruft, dass wieder jemand kündigt.“

Personalmangel

Dazu komme das große Problem, dass immer weniger AbsolventInnen einer Bildungsanstalt für Elementarpädagogik überhaupt in den Beruf gehen. „Die Argumente sind dann immer die gleichen: die Verantwortung ist zu hoch, so kann man keine pädagogische Arbeit mehr leisten.“ Ihre Erfahrungen im Kindergartenalltag bestätigen das, erzählt Schatz. Wenn man wie derzeit in vielen Gruppen auf Grund der angespannten Personalsituation üblich, mit 23 – immer öfter durch die Inanspruchnahme der Möglichkeit der Gruppengrößenüberschreitung mit 25 – Kindern alleine in der Gruppe sei, könne man nur mehr darauf achten, dass sich keines der Mädchen und Buben verletzt. „Eine Kinderbildungseinrichtung ist aber keine Aufbewahrungsstätte, sondern eine pädagogische Einrichtung“, so Schatz. Um diesem Anspruch gerecht zu werden, brauche es aber auch mehr Personal.

„Die KollegInnen im Verwaltungsbereich unserer Rechtsträger fürchten sich schon, wenn eine Pädagogin im Büro anruft, dass wieder jemand kündigt.“

Bianca Schatz

Schatz fordert, die Gruppengröße auf 17 Kinder zu senken, in Krabbelgruppen sollten es statt derzeit bis zu zehn – mit Gruppenüberschreitung elf – Kinder idealerweise maximal neun sein. Das würde nicht nur den Alltag der hier Beschäftigten erleichtern, das würde vor allem auch erst eine pädagogische Arbeit ermöglichen. „Vor rund etwa zwei Jahren haben in der zweigruppigen Kinderbildungseinrichtung, in der ich tätig war, den Versuch gemacht, zwei Wochen lang an jedem Tag jedes Kind individuell anzusprechen und das zu dokumentieren. Wir haben mit Schrecken gesehen, dass wir es nicht geschafft haben, mit jedem Kind in Kontakt zu treten.“ Es gebe Kinder, die keine Aufmerksamkeit brauchen, es gebe aber auch Kinder, die sie brauchen, aber nicht einfordern.

Besonders prekär sieht die Situation beim Thema Integration aus. „Das geht derzeit auch in eine völlig falsche Richtung“, kritisiert Schatz. In einer Gruppe mit dann 15 Kindern könnten bis zu vier Kinder mit besonderen Bedürfnissen betreut werden. Diese Bedürfnisse seien dann aber meist höchst unterschiedlich und könnten von der einen AssistentIn für Integration, kaum abgedeckt werden. „Die KollegInnen zerreißen sich.“ Zudem seien hier auch die Stunden beschnitten worden. Auch für Sprachförderung für Kinder mit nichtdeutscher Muttersprache gebe es zu wenig Mittel.

Fehlende Mittel

Stichwort Geld: eine AssistentIn verdient im ersten Jahr 1.945 Euro brutto (wobei die meisten nur teilzeitbeschäftigt seien), eine PädagogIn 2.435 Euro brutto. „Hier gehört auf jeden Fall etwas draufgelegt.“ Immer schwieriger werde es zudem, Leitungen zu finden. „Die Leitungszulage beträgt bei einer Gruppe 139,50 Euro und für jede weitere Gruppe 58 Euro.“ Das Gros der Kindergärten habe in Oberösterreich zwei bis vier Gruppen – die LeiterIn stehe dann immer selbst in ihrer Gruppe und kümmere sich zusätzlich um die administrativen Aufgaben. Wenn KollegInnen ausfallen, federe aber auch sie das ab und springe ein – dann bleiben die Leitungsaufgaben liegen und müssen außerhalb der eigentlichen Arbeitszeiten erledigt werden. Immer weniger PädagogInnen würden sich das um den wenigen Mehrverdienst und dafür höheren Verantwortung antun wollen.

Die meisten Rechtsträger sind in Sachen der Entlohnung grundsätzlich auf Seiten der ArbeitnehmerInnen, so Schatz. Allein: sie verfügen nicht über ausreichend Mittel, um hier die Gehälter zu erhöhen. Sie sind auf Mittel der öffentlichen Hand angewiesen. „Und die Förderung ist an das Landesschema gebunden, welches gerade noch über dem Mindestlohntarif der Privaten Kinderbetreuungseinrichtungen liegt“, so Schatz. Sie fordert daher Bund und Länder auf, mehr Mittel für den Bereich Elementarpädagogik zur Verfügung zu stellen. So, wie es derzeit laufe, könne es nicht weitergehen.

Sie appelliert aber auch an die Rechtsträger, sich hier zusammenzutun und gemeinsam und entschiedener und mit mehr Druck als bisher gegenüber der öffentlichen Hand aufzutreten. „Ich finde, die Träger sind da oft zu geduldig.“

Zur Person:

Bianca Schatz, geb. 1976 in Judenburg, Abschluss einer Einzelhandelslehre. Danach zwölf Jahre als Arbeiterin beim Brillenhersteller Silhouette, im Zug der Finanzkrise im Rahmen einer Arbeitsstiftung Umschulung zur Kindergarten-Assistentin. Seit 2003 in diesem Beruf bei den Kinderfreunden Oberösterreich tätig, seit 2005 Engagement im Betriebsrat. 2017 Zukunftsakademie, seit einem Jahr freigestellte Betriebsratsvorsitzende. In ihrer Freizeit geht Schatz gerne in die Berge, macht Handarbeiten oder widmet sich ihrem in den Lockdowns neu entdecktem Hobby, der Gartenarbeit.

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