Andrea Neubauer, Betriebsratsvorsitzende bei Takeda Manufacturing Austria AG und ihr Stellvertreter Andreas Kellner haben im Laufe der Verhandlungen über einen neuen Kollektivvertrag viele neue Gewerkschaftsmitglieder gewonnen. Durch Betriebsversammlungen wurde die wichtige Rolle der Belegschaftsvertretung sichtbarer.
Die Kollektivvertragsverhandlungen für die Beschäftigten in der Chemischen Industrie haben im Juni eine ordentliche Erhöhung von 6,3 Prozent gebracht. Für Andrea Neubauer, Betriebsratsvorsitzende beim Pharmaunternehmen Takeda und ihren Stellvertreter Andreas Kellner, Mitglied im Verhandlungsteam für die Arbeitnehmerseite, ist der „gute Abschluss eine wichtige Stärkung für den Betriebsrat: Die Verhandlungen haben offensichtlich gemacht, dass wir im Kollektiv stärker sind. Nach mehreren erfolglosen Gesprächsrunden gab es zwei Betriebsversammlungen und wir konnten viele neue Gewerkschaftsmitglieder gewinnen.“
Die Warnstreiks in der Branche zeigten Wirkung, das Lohn- und Gehaltsplus für die rund 50.000 Beschäftigten in der Chemieindustrie deckt die rollierende Inflation ab. Gutverdiener erhalten eine gedeckelte Erhöhung von maximal 316,5 Euro. Neubauer sieht darin einen „unglaublichen Erfolg für die Beschäftigten: Unsere Kolleg:innen haben durch unsere Informationen in den Betriebsversammlungen gemerkt, dass wir zusammen mehr erreichen können und wie wichtig es ist, die Kräfte der Arbeitnehmer:innen über die Betriebsräte zu bündeln.“
Rückhalt der Beschäftigten war spürbar
Die kürzliche Auseinandersetzung um faire Lohnerhöhungen habe die Sichtbarkeit des Betriebsrates verbessert, ist sich Neubauer sicher: „Viele Beschäftigte haben geglaubt, dass sie automatisch GPA-Mitglied sind, weil sie Betriebsratsumlage bezahlen. Wir haben die aktuelle KV-Runde dazu genutzt, um aufzuklären und in den letzten drei Monaten 130 neue Gewerkschaftsmitglieder gewonnen.“
In den Verhandlungen haben die Belegschaftsvertreter:innen „sehr starken Rückhalt der Beschäftigten und auch der Gewerkschaft gespürt: Die Situation hat bewirkt, dass die Kolleg:innen besser verstehen, warum es notwendig ist, organisiert zu sein. Das stärkt uns alle.“
In zahlreichen Gesprächen haben Neubauer und Kellner wahrgenommen, dass „die Kolleg:innen der betriebsrätlichen Arbeit nun eine höhere Bedeutung beimessen und die Akzeptanz für die gewerkschaftliche Arbeit gestiegen ist: „Immer mehr Beschäftigte haben erkannt, dass sie derartig komplexe Verhandlungen alleine nicht bewerkstelligen können. Die solidarische Organisation als Gruppe war als neue Dynamik spürbar.“
Verbesserte Sichtbarkeit des Betriebsrates
Auch Kellner, der seit 2013 als Betriebsrat im Einsatz ist, sieht die Vertretung der Arbeitnehmer:innen durch die aktuelle Lohnrunde „massiv gestärkt: Wir sind geschlossen und organisiert aufgetreten und haben unsere Kolleg:innen involviert und regelmäßig unter anderem in Betriebsversammlungen informiert. Das hat uns für die Erreichung unserer Ziele geholfen, ohne Streiks durchzuführen. Uns ist bewusst, wie wichtig die Arbeit in unserem Unternehmen für Patient:innen ist.“
Aktuell sind nur rund 15 Prozent der Angestellten bei Takeda Manufacturing Austria Gewerkschaftsmitglieder, Neubauer führt das auf „stabile Arbeitsverhältnisse zurück: Beschäftigte, die pünktlich ihr Gehalt bekommen und nicht um jede Überstunde raufen müssen, sehen oft keinen konkreten Handlungsbedarf. Die diesjährigen Gehaltsverhandlungen haben vielen einen neuen Blickwinkel gebracht.“
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Wenn es bei dir im Betrieb mindestens 5 Beschäftigte gibt, kann eine Betriebsratswahl stattfinden. Dein Chef/deine Chefin, darf die Wahl nicht behindern. Als Betriebsrätin/Betriebsrat hast du einen besonderen Kündigungsschutz und du kannst einen Teil deiner Arbeitszeit für die Betriebsratstätigkeit verwenden. Wir unterstützen und begleiten dich und deine KollegInnen bei der Durchführung der Betriebsratswahl.
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Kellner, der auch Vorsitzender des Europäischen Betriebsrates von Takeda ist, fand es „wichtig, die Belegschaft in den Prozess miteinzubeziehen und auf dem Laufenden zu halten: Als Betriebsräte fokussieren wir immer auf den Dialog, wir werden häufig vorausgeschickt. Heuer waren die Rahmenbedingungen der Verhandlungen und die Wirtschaftsdaten so herausfordernd, dass wir die Kolleg:innen zur Durchsetzung unserer Forderungen stärker involvieren wollten und das hat auch super funktioniert.“
Andreas Kellner, stellvertretender Betriebsratsvorsitzender von Takeda Manufacturing„Kaum ein Betriebsrat steigt gerne in einen stressigen Arbeitskampf.“
In den aktuellen KV-Verhandlungen mussten wir „das Thema ständig sichtbar machen, um nicht in Vergessenheit zu geraten: Wenn Verhandlungen länger dauern, haben wir natürlich Erklärungsbedarf gegenüber der Belegschaft. Kein Betriebsrat steigt gerne in einen stressigen Arbeitskampf ein, unser Ziel ist immer, gemeinsam eine Lösung zu finden.“
Persönlich hat das Betriebsratsteam während der fordernden Lohnverhandlungen „viel Wertschätzung, Rückhalt und Bestätigung von den Beschäftigten bekommen: Zahlreiche Kolleg:innen sind auf uns zugekommen und haben uns persönlich oder über Chatnachrichten ihre Anerkennung für den Verhandlungserfolg ausgesprochen.“
Betriebsrat hat breiten Rückhalt in der Belegschaft
Neubauer ist überzeugt davon, dass eine starke Belegschaftsvertretung auch viele Vorteile für das Unternehmen bringt: „Wir haben viele Betriebsvereinbarungen, da geht es um Gleitzeitvereinbarungen, IT-Systeme oder den Schutz der Daten von Mitarbeitenden. Diese Regelungen stellen auch sicher, dass nicht jeder Einzelfall erneut geklärt werden muss.“
Besonderes Augenmerk legt die 57-Jährige auf Fairness und Gleichbehandlung: „Wir haben starken Rückhalt von den Beschäftigten und sind für alle Angestellten im Betrieb da.“ Auch Führungskräfte würden bei persönlichen Problemen den Kontakt nicht scheuen: „Wir arbeiten als Betriebsrat unpolitisch, transparent und fair, alle bekommen dieselbe Behandlung. Wir möchten die Menschen gut vertreten und mit ihren Anliegen auffangen, das hat oberste Priorität.“
Als aktuelle Themen sehen Neubauer und Kellner neben der Digitalisierung vor allem die Themen Datenschutz und persönliche Arbeitszeitgestaltung: „Unser 19-köpfiges Team berät häufig zu den Themen Papamonat, Karenz, Mutterschutz oder Altersteilzeit, da gibt es sowohl in der Konzernzentrale als auch an bei den Mitarbeiter:innen in den 14 Plasmazentren einen hohen Informationsbedarf.“
Gute Zusammenarbeit als Erfolgsfaktor
Mit der Geschäftsführung sieht sich Neubauer „immer an einem runden Tisch: Mit Streit kommen wir nicht weiter, mit gegenseitigem Respekt für die Position und die Rolle des anderen lässt sich immer eine Lösung finden.“ Die handelnden Personen hätten „schon lange verinnerlicht, dass der Betriebsrat ein Fixpunkt im Unternehmen ist, mit dem man zusammenarbeitet: Bei Problemen werden wir frühzeitig eingebunden und können Lösungen erarbeiten, bevor eine Situation eskaliert.“
„Die Kolleg:innen fühlen sich bei uns gut aufgehoben, sie wissen, wo sie uns finden und dass sie uns jederzeit kontaktieren können.“
Andrea Neubauer, Betriebsratsvorsitzende von Takeda Manufacturing Austria AG
Die Wienerin startete nach einem Kolleg für Technische Chemie und beruflichen Erfahrungen im Wissenschaftsbereich 1989 bei der damaligen Immuno. Als Betriebsrätin engagiert sie sich seit 2003, als sie „nach der Rückkehr aus der Karenz vorübergehend in der Finanzbuchhaltung beschäftigt war und dann als Assistenz des Angestelltenbetriebsrates ausgeholfen hatte.“
Der Umgang mit den Anliegen der Beschäftigten hat Neubauer von Beginn an gut gefallen, als der Vorsitzende des Betriebsrates 2018 in Pension ging, war sie für das Team die Wunschnachfolgerin. Um den notwendigen Rückhalt zu bekommen, ließ Neubauer abstimmen, wurde von der Mehrheit zur neuen Vorsitzenden gekürt und mit ihrem Team bei der nächsten Wahl 2019 bestätigt.
Nach intensiven Arbeitstagen bewegt sich die zweifache Mutter gerne in der Natur, beschäftigt sich mit ihrer Familie und Freunden, im Garten oder bei Konzert- und Theaterbesuchen. Neue Energie gewinnt Neubauer aber auch durch positives Feedback und Veränderungen: „Es ist immer wieder schön, etwas für die Menschen zu erreichen und die eigenen Sichtweisen im Betrieb einbringen zu können. So kann ich positiv gestalten und wichtige Umbrüche in kleinen Schritten einleiten.“
Zu den Personen:
Die gebürtige Wienerin Andrea Neubauer lebt im Weinviertel und hat 2018 den Vorsitz des Angestelltenbetriebsrates bei Takeda übernommen. Sie hat zwei erwachsene Söhne und schaltet in ihrer Freizeit am liebsten ab, indem sie sich in der Natur bewegt oder Zeit mit ihrer Familie verbringt.
Andreas Kellner ist seit 2015 stellvertretender Vorsitzender des Angestelltenbetriebsrates. In seiner Freizeit entspannt der gebürtige Niederösterreicher am liebsten beim Bogenschießen und Radfahren und verreist gerne.