Wer mitgestalten will, muss etwas wagen

Harald Zebedin spricht als Betriebsratsvorsitzender von Infineon Technologies Austria AG Standort Villach heikle Themen lieber direkt an, anstatt sich zu zanken. Berufliche Netzwerke und persönliche Weiterentwicklung erweitern seinen Handlungsspielraum beim Einsatz für die Rechte der Beschäftigten.

Bereits in jungen Jahren war es für Harald Zebedin klar, mit anzupacken, denn die Trennlinien zwischen Jammern und Verändern stellten sich für ihn immer eindeutig dar: „Reden und kritisieren kann jeder, für mich war es immer wichtig, dass ich auch bereit dazu bin, für meine Überzeugungen einzustehen und mich zu meinen Positionen zu bekennen.“

Nach einer Metalltechnik-Lehre, wo er sich bereits in der Lehrzeit als Jugendvertrauensrat engagierte, begann Zebedin als 20-jähriger Produktionsmitarbeiter bei der damaligen Siemens, die später im Infineon Konzern aufging. Sein Kollege Günther Goach, heute Präsident der Arbeiterkammer Kärnten, war damals als Arbeiterbetriebsrat aktiv und knüpfte Kontakte zu Zebedin: „Günther hat mich 1985 gefragt, ob ich in der Belegschaftsvertretung mitarbeiten möchte, diese Herausforderung habe ich gerne angenommen.“

Aus der Bereitschaft heraus, Verantwortung zu übernehmen, war der Schritt aus der zweiten Reihe eine logische Folge: „Ich hatte das Glück, dass Günther Goach den Arbeiterbetriebsrat extrem gut geführt und gefördert hat. Es war ihm enorm wichtig, dass wir inhaltlich sattelfest sind, durch Schulungen und Fortbildungen wurden wir selbstbewusster. Mir war rasch klar, dass ich den Schritt in die vorderste Reihe wagen muss, wenn ich tatsächlich mitgestalten möchte.“

„Wer mitgestalten will, muss den Schritt in die erste Reihe wagen.“

Harald Zebedin, Betriebsratsvorsitzender Infineon Technologies Austria AG am Standort Villach

Weiterbildung schärft die Persönlichkeit

Bildung war und ist immer ein wichtiger Faktor für Zebedin, die Bedeutung gewerkschaftlicher Schulungen und Kurse könne man „gar nicht hoch genug ansetzen: „Das ist Bonuszeit mit der Möglichkeit wertvolles Wissen zu erlangen und gewinnbringende Kontakte für das weitere Berufsleben zu knüpfen.“ Im Fokus steht für ihn „der Blick über den eigenen Tellerrand: Ich wollte immer wissen, wie andere ihre Probleme lösen, die Situationen im Handel und im Sozialwesen waren für mich daher abseits der Problemlagen in der eigenen Firma immer interessant und wichtig.“

Zusätzlich wollte Zebedin wissen, was „andere besser machen und wo es in vergleichbaren Betrieben hakt: Ich verschaffe mir gerne einen Gesamtüberblick. Dort wo viele Menschen mitgestalten, liegen immer eine Menge Möglichkeiten am Tisch.“

Der junge Gewerkschafter besuchte den 47. Lehrgang an der Sozialakademie in der Hinterbrühl im Bezirk Mödling und kehrte als Angestellter zur Firma, damals noch Siemens, zurück. 1998 kandidierte Zebedin mit „anderen jungen, motivierten Kolleg:innen für den Angestellten-Betriebsrat: Wir haben auf Anhieb zwei Mandate gewonnen, das war unheimlich schön und motivierend.“

Seit 2004 ist Zebedin als freigestellter Betriebsrat von Infineon tätig, mit seinem vertieften Engagement wuchsen auch die Verantwortlichkeiten für die Arbeitnehmer:innen: 2014 wurde er zum Vorsitzenden des Bundesausschusses für den Wirtschaftsbereich Elektro- und Elektronikindustrie, Telekom und IT gewählt. In dieser Funktion führt Zebedin die Kollektivvertragsverhandlungen für die Elektro- und Elektronikindustrie von Arbeitnehmerseite, Hand in Hand mit der Gewerkschaft der Privatangestellten (GPA) und der Partnergewerkschaft ProGe. Erst im Juni wurde er für weitere fünf Jahre in dieser wichtigen Rolle bestätigt.

Hast du schon einmal überlegt selbst einen Betriebsrat zu gründen?

Wenn es bei dir im Betrieb mindestens 5 Beschäftigte gibt, kann eine Betriebsratswahl stattfinden. Dein Chef/deine Chefin, darf die Wahl nicht behindern. Als Betriebsrätin/Betriebsrat hast du einen besonderen Kündigungsschutz und du kannst einen Teil deiner Arbeitszeit für die Betriebsratstätigkeit verwenden. Wir unterstützen und begleiten dich und deine KollegInnen bei der Durchführung der Betriebsratswahl.
Du möchtest mit uns darüber reden? Dann wende dich an unsere Beratung in deinem Bundesland. Alle Kontakte findest du hier: https://www.gpa.at/kontakt

Vorreiter bei der Freizeitoption

Im Arbeitsalltag vertraut Zebedin gerne auf sein Gespür, Trends und betriebliche Notwendigkeiten aus Gesprächen mit Kolleg:innen und Führungskräften im Betrieb abzuleiten. So wurde Infineon unter seiner Lenkung Trendsetter bei der Verankerung einer Freizeitoption im Kollektivvertrag: „2014 haben wir erstmals darüber verhandelt, weil uns aufgefallen ist, dass viele Mitarbeiter:innen mehr Freizeit brauchen.“ Es war keine „aufgelegte Erfolgsstory: Zunächst wurden wir nicht unbedingt beglückwünscht, sondern eher belächelt, mittlerweile ist der hohe Wert zusätzlicher Freizeit für die Kollegenschaft unbestritten.“

Die Weiterentwicklung persönlicher und inhaltlicher Fähigkeiten ist für Zebedin eine zentrale Komponente für die erfolgreiche Tätigkeit als Betriebsrat: „Belegschaftsvertreter:innen sollten in der Lage sein, Verknüpfungen zu erkennen und ein Grundverständnis für die Bereiche Arbeitsrecht, Soziales, Betriebswirtschaft und Volkswirtschaft haben.“ Auch das persönliche Netzwerk und die eigene Persönlichkeit müssten weiterwachsen: „Wer einen Tunnelblick hat, schränkt sich selbst ein.“

Zebedin hat enge Kontakte in Wirtschaft und Sozialwesen aufgebaut, als Kammerrat der Arbeiterkammer Kärnten verfügt er über ein Netzwerk „auf das ich mich verlassen kann: Ich kann nicht über jedes Detail selbst Bescheid wissen, aber ich merke, wo die Knackpunkte sind und kann Details, etwa in den wichtigen Themenfeldern Überstunden oder Arbeitszeiten, nachlesen oder nachfragen.“

„Grantig werde ich, wenn es den Arbeitgebern bei Kollektivvertragsverhandlungen ausschließlich um Gewinnmaximierung geht.“

Harald Zebedin, Chefverhandler für den KV Elektro- und Elektronikindustrie

Die Verhandlungen für einen Kollektivvertrag werden aus Sicht von Zebedin „jedes Jahr schwieriger: Viele Firmen schauen ausschließlich darauf, ihre Gewinne zu maximieren und sind nur bereit zu investieren, wenn sie ordentliche Dividenden ausschütten können.“ In solchen Situationen wird der Gewerkschafter rasch ungehalten, denn für ihn stehen „gute Arbeitsbedingungen und eine ordentliche Entlohnung der Kolleg:innen im Vordergrund: Für die Elektroindustrie haben wir heuer einen Abschluss über der Inflation erreicht, ich bin sehr stolz auf unser Verhandlungsteam. Die Ist-Gehälter steigen um 6,8 Prozent, die kollektivvertragliche Erhöhung beträgt 7,5 Prozent.“

Im Betrieb verhandelt Zebedin stets auf Augenhöhe und vertritt bei regelmäßigen Treffen mit dem Vorstand und der Personalabteilung die Interessen von rund 6000 berufstätigen Menschen aus 80 verschiedenen Nationalitäten: „Wir pflegen einen offenen und guten Austausch und finden so zu einem guten Miteinander.“ In dem Wissen, dass beide Seiten „ihre Funktionen ausüben“, würden sachliche Diskussionen „auf dem Boden der Argumente und nicht persönlich ausgetragen: Wir brauchen keine Schreiduelle, wir können unsere Emotionen mit Sprache steuern und fachliche Argumente austauschen ohne laut zu werden.“ Kontroverse Themen würden „hart diskutiert: Wenn sich abzeichnet, dass eine Lösung zum Vorteil beider Seiten wäre, dann finden wir auch einen Kompromiss.“

Die Arbeitssituation am Standort Villach sei nicht zuletzt aufgrund „vieler Sozialleistungen hervorragend: Wir haben am Standort eine eigene Küche mit günstigen Menüs, einen Partner der uns Kinderbetreuungsplätze für 1-3 Jährige sowie Kindergartenplätze, in Summe mehr als 400, zur Verfügung stellt, ein Platzkontingent in der Internationalen Schule in Velden sowie kostengünstige Elektroladestationen am Standort Villach.“ Für alle Beschäftigten, die das möchten, übernimmt Infineon die Kosten für das Bundesland-Klimaticket.

Gesunde Mitarbeiter sind ein klarer Mehrwert für die Firma

Auch auf betriebsinterne Vorsorgeprogramme und Kurse zur Gesundheitsförderung ist Zebedin stolz: „Hier wird, gemeinsam mit der Gesundheitskasse, kräftig in die langfristige Gesundheit unserer Mitarbeiter:innen investiert.“ Am Firmenareal gibt es ein eigenes Medical Service Center, dort werden Ersthelfer ausgebildet und Erste-Hilfe-Auffrischungskurse abgehalten: „Das finanziert alles die Firma, wir haben als Betriebsrat erreicht, dass die Unternehmensführung hierin einen klaren Mehrwert für den Betrieb erkennt.“

Auch wenn im Falle von Infineon „die Führungsriege früh erkannt hat, dass eine gedeihliche Zusammenarbeit zwischen Belegschaftsvertretung und Geschäftsführung beiden Seiten nützt“, bleibt der Betriebsrat für Zebedin die „treibende Kraft zur Umsetzung all dieser positiven Maßnahmen: Wir haben oft die Initialzündung gesetzt, die Firma war sehr bereit diesen Weg mitzugehen.“ Heikle Themen werden aktiv von beiden Seiten aufgeworfen: „Gesprächsverweigerung gibt es bei uns glücklicherweise nicht, wir pflegen einen regen Austausch.“

In seiner Rolle als stellvertretender Vorsitzender des Zentralbetriebsrates von Infineon Österreich hat Zebedin zusätzlich die Anliegen von rund 600 Entwicklern in Graz, 300 Beschäftigten in Linz und rund 500 Angestellten der Tochterfirma in Klagenfurt im Blick. Gewerkschaftliche Funktionen erfüllen für ihn den Zweck der Interessensvertretung am wirksamsten: „Ich bin ein sozial denkender und handelnder Mensch, diese Denkweise versuche ich auch an die junge Kollegenschaft weiterzugeben.“

Als größte Herausforderung für die Belegschaftsvertretung in „international tätigen Unternehmen“ sieht Zebedin, dass sich „die faktischen Führungskräfte oftmals weit weg vom tatsächlichen Arbeitsplatz der Belegschaft befinden: Die Themensetzung und auch die Bewertung der konkreten Arbeit erfolgt aus großer räumlicher Distanz, das ist trotz moderner Kommunikationsmittel nicht immer einfach zu akzeptieren.“ Der Betriebsrat strebe dabei immer die „höchstmögliche Transparenz und Klarheit an: Wir arbeiten hart daran, das Zugehörigkeitsgefühl zur Firma aufrechtzuerhalten, das schafft wichtige soziale Bindungen.“

Zur Person

Harald Zebedin, Jahrgang 1964, ist in Villach geboren und aufgewachsen. Er hat zwei erwachsene Töchter und vier Enkel, mit denen er in seiner Freizeit gerne Fußball gespielt und als Trainer am Platz auch einen tollen Ausgleich zum stressigen Arbeitsleben gefunden hat.

Lerne noch weitere engagierte Betriebsrätinnen und Betriebsräte kennen

Scroll to top