Bank-Austria-Betriebsrat Adolf Lehner im Porträt: Wie es gelang, den Verkauf des Privatkundengeschäfts abzuwenden, und die nächsten großen Herausforderungen.
„Jede dritte Filiale soll geschlossen werden … Es droht ein Kahlschlag … Bis zu tausend Jobs wackeln … Düstere Aussichten für die Beschäftigten …“ Über mangelnde Schlagzeilen in den vergangenen Wochen kann sich die Bank Austria nicht beklagen, positive waren allerdings kaum dabei. Kein Wunder also, dass es einfachere Übungen gibt, als einen Termin mit Adolf Lehner zu vereinbaren, der als Vorsitzender des Zentralbetriebsrats gemeinsam mit seinem Team die Interessen von rund 10.000 Beschäftigten der Bank Austria und ihrer Töchter in Österreich vertritt. Trotzdem ist es dem 54-Jährigen lieber, seinen Werdegang bei einem Kaff ee zu erzählen, und beim dritten Anlauf klappt es dann auch. Werdegang Der gebürtige Oberösterreicher, der 1987 als Unternehmensanalyst bei der Bank Austria zu arbeiten begann, ist seit fast zwei Jahrzehnten Mitglied des Betriebsrats, seit 2012 Vorsitzender des Wiener Betriebsrats und seit 2014 auch des Zentralbetriebsrats. „Ich war schon relativ früh Vertrauensperson in meiner Abteilung. Mein damaliger Chef war nicht nur mein Namensvetter, sondern auch mein Mentor. Er war selbst Betriebsrat, ArbeitnehmerInnenvertreter im Aufsichtsrat, und er hat mich 1996 nach seiner Erkrankung als Betriebsrat empfohlen“, erzählt der studierte Betriebswirt, der schon zum Auftakt seines Engagements in der ArbeitnehmerInnenvertretung turbulente Zeiten erlebt hat. In der konstituierenden Betriebsratssitzung war damals erstmals die Übernahme der Creditanstalt Thema, erinnert sich Lehner und schmunzelt nach kurzem Nachdenken zur Frage, ob es in diesem Tempo weitergegangen ist: „Wirklich ruhig war es eigentlich nie. 2002 haben wir die Fusion der beiden Großbankenbeschlossen, das war auch eine Riesenherausforderung.“ Genau wie die mehrfachen Eigentümerwechsel, die Finanzkrise nach der Lehman-Pleite oder diverse Abbauprogramme, mit denen die Belegschaft der Bank Austria immer wieder konfrontiert war. Auf die Frage nach Erfolgen in all den Jahren nennt Lehner, trotz all dieser Maßnahmen mit kreativen Lösungen ohne betriebsbedingte Kündigungen ausgekommen zu sein und gleichzeitig die Gelegenheit für die Einführung neuer Arbeitsformen – wie beispielsweise die „Flexidays“, eine besondere Form von Teilzeit – genützt zu haben. Um sofort bescheiden nachzusetzen: „Oder ich formuliere es lieber so, dass unsere größte Herausforderung war, den Haupteigentümer zu überzeugen, dass es vorteilhafter ist, das Privatkundengeschäft zu behalten und diese großartige Bank zusammenzuhalten.“ Damit spricht Lehner den aktuellen Kampf um eine Zukunft der Bank und ihrer Beschäftigten direkt an.
Bereit zum Streik
Im Herbst des Vorjahres ließ der Mutterkonzern Unicredit eine größere Bombe platzen: Neben der Streichung von 18.200 Jobs in der gesamten Gruppe war auch von der Option eines Verkaufes des Privatkundengeschäfts in Österreich die Rede. Der Betriebsrat wollte weder einen Verkauf noch Kündigungen akzeptieren und holte sich Ende November bei einer Betriebsversammlung mit mehr als 2.000 TeilnehmerInnen einen Vorratsbeschluss für Streiks. „Verkauf bedeutet einen unvermeidlichen Konflikt“, stellte Lehner damals klar. Der Verkauf der Filialen war Mitte Dezember vom Tisch, die Restrukturierungspläne bedeuteten aber unter anderem auch das „Aus“ für die spezielle Form einer Bankpensionsregelung für rund 3.000 aktive MitarbeiterInnen. In zähen Verhandlungen gelang es dem Betriebsrat, Vereinbarungen zu verhandeln, die allfällige Nachteile aus der Übertragung mit langfristigen Übergangsregelungen abfedern. Inzwischen ist über die Form der Übertragung der Pensionsrechte ins Allgemeine Sozialversicherungsrecht (ASVG) eine politische Debatte entbrannt. Aktuell laufen die Verhandlungen, in welcher Form und unter welchen rechtlichen Bedingungen dies möglich ist. Das stellte für die Betroffenen genauso wie für den Betriebsrat eine weitere Herausforderung dar.
Dass diese Wochen herausfordernd waren, daraus macht der zweifache Familienvater kein Hehl. Zur von Endlos-Sitzungen und Schlafmangel verursachten körperlichen Belastung, die der passionierte Läufer, der schon Triathlons in olympischer Distanz absolviert hat, trotzdem spürte, war es auch die Kritik von Betroffenen, die ihm zu schaffen machte: „Angesichts des Zeitdrucks und der Rahmenbedingungen sowie angesichts der Alternativen, sind wir wirklich zu einer vertretbaren Lösung gekommen. Ich weiß aber jetzt, dass es in einer schwierigen Phase essenziell wichtig ist, die Kommunikation mit den MitarbeiterInnen aufrecht zu halten“, resümiert Lehner, der sich nach diesen schwerwiegenden Entscheidungen gemeinsam mit seinen KollegInnen aus dem Betriebsrat der Diskussion in einer weiteren Betriebsversammlung gestellt hat: „Wir mussten teils wirklich sehr emotionale Kritik einstecken. Kraft hat uns gegeben, dass uns nicht nur die GPA-djp mit Rat und Rat zur Seite gestanden ist, sondern dass andererseits auch viele KollegInnen positiven Zuspruch vermittelt haben.“
Kein Spaziergang
Der 54–Jährige ergänzt, dass er prinzipiell lieber mit den Leuten redet als via Mail kommuniziert: „Ich gehe lieber zu den Leuten, ich lade sie zu mir ins Büro ein oder greife zum Telefon, wenn es etwas zu klären gibt. Drohende Konflikte lassen sich am besten vermeiden, wenn man sie bespricht.“ Dass ihm 2016 mehr Zeit für seine Familie und für seine Hobbys Lesen, Laufen und Bergsteigen bleibt, hofft Lehner, er weiß aber, dass ein kräftezehrender Part mit der Umsetzung der aktuellen Restrukturierungsvorhaben noch bevorsteht: „Ein Spaziergang werden die nächsten Monate und Jahre ganz sicher nicht.“ Das Ziel des Betriebsrats in der aktuellen Situation in einen Satz gepackt? „Wir werden 2018 deutlich weniger MitarbeiterInnen haben, das soll ohne betriebsbedingte Kündigungen gehen“, erklärt er und setzt nach: „Ich sehe so viel Kraft in den Menschen dieser Bank, in meiner Umgebung – es muss uns nur gelingen, diese Kraft zu bündeln, dann bewegen wir uns in eine gute Zukunft.“
Adolf Lehner ist definitiv nicht der Typ, der auf den Tisch haut. Das würde Gesprächspartner mitunter auch dazu verleiten, ihn falsch einzuschätzen, charakterisiert ihn eine Kollektivvertragsverhandlerin, die schon viele gemeinsame Diskussionen erlebt hat: „Er ist in Sitzungen prinzipiell gut vorbereitet und sehr konsequent. Von seiner Freundlichkeit und Ruhe sollte man sich nicht täuschen lassen, er erreicht seine Ziele eben mit sachlichen Argumenten.“ Oder, um es mit Konstantin Wecker zu sagen: „Es sind nicht immer die Lauten stark.“