Veränderungen gehen in der Arbeitswelt rasant vonstatten. Eine neue im ÖGB Verlag erschienen Publikation vergleicht den Bankensektor mit dem Handel. Die Aussichten sind in beiden Branchen nicht rosig.
Arbeitszeitflexibilisierung, Digitalisierung, immer stärkeres Effizienzdenken: Die Arbeitswelt von heute ist mit jener vor noch zwei Jahrzehnten kaum vergleichbar. „Umbrüche Umdenken“ stellt den Wandel im Handel dem im Bankenbereich gegenüber. Verunsicherung, aber auch konkrete Sorgen unter den Beschäftigten gibt es in beiden Gruppen. Dennoch sind die Rahmenbedingungen völlig unterschiedlich.
Während im Handel trotz Digitalisierung Jobs erhalten bleiben oder sogar neue entstehen – denn egal, ob in der Filiale oder online gekauft wird, es sind Menschen, die am Ende die Ware für den direkten Verkauf oder den Versand herrichten müssen, steht in heimischen Banken seit mehreren Jahren Personalabbau an der Tagesordnung. Nicht immer gelingt das durch so genannten natürlichen Abgang, also über freiwillige Jobwechsel oder Pensionsantritte. Inzwischen schafft eine Arbeitsstiftung hier immerhin die Möglichkeit, sich weiterzubilden und für ein anderes Berufsfeld fit zu machen. Für jene, die im Unternehmen verbleiben, bedeutet das oft: sie müssen immer mehr zusätzliche Aufgaben übernehmen. Das führt einerseits zu mehr Arbeitsdruck, andererseits zu mehr Überstunden.
Sieht man sich die Entlohnung an, sind wiederum die Bankangestellten in einer wesentlich besseren Position als die Beschäftigten im Handel. Man könnte auch sagen: Hier liegt ein Paradebeispiel dafür vor, um wieviel besser geistige Arbeit dotiert ist, wenn man sie mit der Entlohnung von körperlicher Arbeit vergleicht. In Zahlen ausgedrückt: BankenmitarbeiterInnen meinen zu 88 Prozent, dass sie ihren gerechten Anteil (oder sogar mehr als das) am Wohlstand sehen. Bei Beschäftigten im Handel beträgt dieser Prozentsatz nur 37 Prozent. Demgegenüber stehen 63 Prozent, die angeben, ihnen kommt weniger als ihr gerechter Anteil am Wohlstand zu.
In Zusammenhang steht dieser Befund auch mit dem hohen Anteil an Teilzeitbeschäftigung in diesem Bereich. „Vor 15, 20 Jahren hat es sich eingebürgert, dass der Handel eine Teilzeitbranche geworden ist“, wird ein Betriebsrat zitiert. „Das ermöglicht den Beschäftigten natürlich mehr Flexibilität in Hinblick auf die Vereinbarkeit von Beruf und Familie. Aber die Frage ist ja, ob man mit 25, 30 Stunden finanziell eigentlich über die Runden kommt.“
Tatsächlich sind die Einkommen in der Folge im Handel sehr niedrig. 72 Prozent der in diesem Sektor Beschäftigten befinden sich in der niedrigsten Einkommenskategorie (bis 1.700 Euro). Zum Vergleich: Im Bankenbereich erhalten nur zehn Prozent der MitarbeiterInnen bis zu 1.700 Euro. Die Mehrheit der Bankbeschäftigten (47 Prozent) verdienen bis zu 2.700 Euro. 40 Prozent sind sogar in der oberen Einkommenskategorie (über 2.700 Euro) vertreten – im Handel sind es nur fünf Prozent.
Dafür haben MitarbeiterInnen im Bankwesen stärker mit dem Thema Entgrenzung zu kämpfen. Privat und beruflich greifen durch home office, Digitalisierung, ständige Erreichbarkeit über Handy, Tablet, Laptop ineinander. Wer Sorge um den Job hat, schaut auch in der Freizeit öfter mal in seine Mailbox oder nimmt auch berufliche Anrufe entgegen. Die Folge sind immer mehr psychische Erkrankungen – von Depressionen bis hin zum Erschöpfungszustand.
Die HerausgeberInnen des Buches „Umbrüche Umdenken“, Julia Hofmann, Thomas Kreiml und Hilde Weiss kombinieren darin Interviews mit Betriebsrats-VertreterInnen, welche den praktischen Alltag illustrieren, mit Umfrageergebnissen und wissenschaftlichen Betrachtungen zu einzelnen Aspekten der Arbeitswelt. Gelungen ist damit ein umfassender Blick auf Arbeit und ihre Herausforderungen.
Julia Hofmann, Thomas Kreiml, Hilde Weiss (Hrsg.):
„Umbrüche Umdenken. Arbeit und Gesellschaft aus wissenschaftlicher und betrieblicher Perspektive“
Wien 2019, ÖGB Verlag
236 Seiten, 29,90 Euro
ISBN 978-3-99046-382-6