Wie Brigitte Holzinger ihre Wandlung von der FPÖ-Anhängerin zur engagierten Flüchtlings-Helferin beschreibt, ist überaus spannend.
Beeindruckend an Brigitte Holzinger ist ihre Offenheit, mit der sie erstens den Ärmsten der Armen entgegenkommt und die sie an den Tag legt, um zweitens ihre eigene Entwicklung dahin in Buch-Form zu beschreiben. Denn aus einer glühenden Anhängerin der ausländerfeindlichen FPÖ in den 1990er Jahren und ihres schillernden Obmannes Jörg Haider wurde eine vielseitig engagierte Flüchtlingshelferin und Humanistin. Grund genug für die Autorin, ihrer Geschichte den griechischen Titel „Photismos“, auf Deutsch „Erleuchtung“, zu geben.
Es ist schwierig, von einem Einzelfall auf eine Gruppe zu schließen, dennoch mag eine Familiengeschichte wie die von Brigitte eine Erklärschablone für späteres Wahlverhalten bei vielen liefern. Einem sexuellen Abenteuer entsprungen, ist sie als Kind ungewollt. Zu Hause gibt es unzählige Streitereien. Von der Mutter wird sie misshandelt – die nach dem Motto agiert „schuld sind immer die anderen“. Als Mädchen und junge Frau stürzt sich Brigitte deshalb in Obdachlosigkeit, Alkoholismus und Flucht – bis sie von der Polizei aufgegriffen und wieder zur lieblosen Mutter gebracht wird.
Spannend in Brigitte Holzingers Schilderung, die sich zwischen Bad Gastein, Villach und Kremsmünster abspielt, ist das Kapitel „Zurück nach Hause und direkt in die Arme der FPÖ“. Sie ist knapp 30 Jahre alt, als sie erstmals dem damaligen FPÖ-Obmann Jörg Haider begegnet. Er fasziniert sie. „Er war mein Idol, der Österreich rettete! Oft waren auch ein paar Rechtsradikale bei den Veranstaltungen dabei.“ Der Haider-Fanclub wird zu ihrer zweiten Familie, wie sie im Kapitel „Meine blaue Verblendung“ schreibt. „Der Großteil der Anhänger war genauso gestrickt wie ich: unzufriedene Menschen aus der sozialen ›Unterschicht‹ – wenig Geld, keine Perspektive und das Bedürfnis, irgendwo hinzuzugehören.“
„Er war mein Idol, der Österreich rettete! Oft waren auch ein paar Rechtsradikale bei den Veranstaltungen dabei.“
Brigitte Holzinger über Ex-FPÖ-Obmann Jörg Haider
Nach einigen gescheiterten Beziehungen und gesundheitlichen Rückschlägen findet Brigitte Holzinger zu sich selbst. Liebe, Glaube und Hoffnung halten sie am Leben, wie sie zugibt. Als 2015 die große Flüchtlingswelle nach Europa auch Österreich erreicht, reagiert die empathische Frau zunächst zutiefst betroffen – um dann insbesondere den geflohenen Jugendlichen etwas zu bieten, was sie möglicherweise selbst als Kind im Grunde ihres Herzens vermisst hat: ein willkommenes Zuhause.
Ohne die schwierige Situation wie sprachliche- und kulturelle Barrieren, Drogenmissbrauch und -handel sowie Selbstmordversuche oder einzelne schwarze Schafe unter den Jugendlichen zu verklären, organisiert Brigitte Holzinger Unterstützung und beherbergt auch zu Hause Flüchtlinge. „Schweinefleisch zog aus und der Gebetsteppich ein.“ Sie erzählt von Hetze und Gratwanderung – und das durchaus selbstkritisch. „Afghanen-Mama“ wird sie genannt. Aber auch als „beschissene Flüchtlingshelferin“ beschimpft beim Einkaufen im Supermarkt – von zwei Frauen: „Die FPÖ wird euch schon noch zeigen, wer dieses Land regiert. Weg mit euch allen!“ Vor der Nationalratswahl 2017 hat sie Angst: „Dass die FPÖ immer mehr an Zuspruch gewann, war nicht zu übersehen. Hatte ich mich vor einigen Jahren noch darüber gefreut, wurde mir diesmal ganz angst und bange.“
Die Geschichte ist sprachlich leicht zu lesen (geeignet für Jugendliche ab 14 Jahren), aber keine leichte Kost. Das Buch „bezeugt, dass es möglich ist, sich zu verändern, sich verändern zu lassen, von Umständen, von Wissen, vom Wollen, von Menschen“, schreibt Schauspieler Cornelius Obonya im Nachwort. „Es kann so einfach sein.“
Brigitte Holzinger
PHOTISMOS – Von einer glühenden FPÖ-Anhängerin zur Flüchtlingsmama.
Karina Verlag, Wien 2019
252 Seiten, 17,40 Euro
ISBN 978-3-96698-075-3.