Wir sind nicht auf dem Klima-Zielpfad

Angela Köppl forscht zu Fragen des Klimawandels und der Restrukturierung des Energiesystems sowie ökonomischen Instrumenten der Klimapolitik
Foto: Nurith Wagner-Strauss

Die Ökonomin Angela Köppl vom WIFO befürwortet eine CO2-Steuer, deren Einnahmen an BürgerInnen und Wirtschaft zurückfließen. Würden Menschen und Politik langfristiger denken, könnte emissionsreduziertes Verhalten zahlreiche Innovationen hervorbringen.

KOMPETENZ: Ist eine CO2-Steuer DIE zentrale Klimaschutzmaßnahme unserer Zeit?

KÖPPL: Die CO2-Steuer ist EIN Element in einem ausgewogenen Instrumenten-Mix, um die umfangreichen Herausforderungen der Transformation unseres Wirtschafts- und Gesellschaftssystems zu erreichen. Es ist unbestritten, dass ein Wandel stattfinden muss, wenn wir den Klimawandel begrenzen wollen. Österreich hat sich zu den Pariser Klimazielen bekannt, muss daher die Emissionen deutlich reduzieren und hat auch im Rahmen der europäischen, Klima- und Energiepolitik Emissionsziele zu erreichen und Ziele für die Steigerung der Energieeffizienz und den Anteil erneuerbarer Energie mitzutragen.

KOMPETENZ: Macht eine CO2-Steuer auf nationaler Ebene Sinn, oder kann nur auf europäischer oder globaler Ebene etwas erreicht werden?

„Beispiele aus anderen europäischen Ländern wie Schweden oder der Schweiz zeigen aber, dass eine Steuer auf Kohlenstoffdioxid-Ausstöße auch im nationalen Kontext sinnvoll umgesetzt werden kann. „

Angela Köppl, Ökonomin und Klimaexpertin

KÖPPL: Eine einheitliche Einführung auf europäischer Ebene ist nicht einfach, weil der Beschluss von Steuern dem Einstimmigkeitsprinzip unterliegt. Das hat sich bereits 2011 beim Versuch der Novellierung der Energiesteuerrichtlinie – die auch schon eine CO2-Komponente enthalten hat – gezeigt, die an der Ablehnung einzelner Mitgliedsstaaten gescheitert ist.
Beispiele aus anderen europäischen Ländern wie Schweden oder der Schweiz zeigen aber, dass eine Steuer auf Kohlenstoffdioxid-Ausstöße auch im nationalen Kontext sinnvoll umgesetzt werden kann. In Schweden wurden begleitende Maßnahmen gesetzt, um die Fernwärme auszubauen und fossile Heizsysteme zu ersetzen, sodass der Gebäudesektor mittlerweile im Wesentlichen frei von fossilen Brennstoffen beheizt wird. Negative Auswirkungen auf die Wirtschaft gab es nicht, von vielen Klimaschutzmaßnahmen profitieren unterschiedliche Unternehmen und Wirtschaftssektoren sogar durch eine zusätzliche Nachfrage.
In der Schweiz, wo Brennstoffe, nicht aber der Verkehr mit einer CO2-Steuer belegt sind, wird ein Drittel der Einnahmen für begleitende Maßnahmen verwendet: Es gibt ein Gebäudeprogramm, um den Bestand klimatauglicher zu machen indem zum Beispiel fossile Heizsysteme getauscht werden. Die restlichen zwei Drittel der Steuereinnahmen werden gemäß ihrem Aufkommensanteil an die Wirtschaft und Haushalte rückverteilt.

KOMPETENZ: Ein nationaler Alleingang wäre also ein sinnvoller Anfang?

KÖPPL: Grundsätzlich ja. Fairer weise muss man dazusagen, dass es in der Schweiz und in Schweden Ausnahmen für sehr energieintensive und emissionsintensive Firmen gibt. Schwedische Unternehmen, die über den EU-Emissionshandels-Sektor oder in der Schweiz dem Schweizer Emissionshandel reguliert sind, unterliegen nicht der CO2-Steuer.
Welche Unternehmen in eine CO2-Steuer mit einbezogen werden und was als Bemessungsgrundlage für die Steuer herangezogen wird, ist natürlich eine politische Frage.

KOMPETENZ: Wie könnte eine CO2-Steuer in Österreich konkret aussehen?

KÖPPL: Fossile Energieträger, Brennstoffe und Treibstoffe würden mit einem Steuersatz je Tonne CO2 belegt werden. Wie hoch der richtige Steuersatz wäre, ist nicht eindeutig bestimmt und letztlich eine politische Entscheidung. Der festgesetzte Steuersatz wirkt dann je nach Energieträger unterschiedlich, weil die Emissionsintensität nach Energieträgern unterschiedlich ist, d.h. Benzin, Diesel, Heizöl und andere Ölprodukte haben eine höhere Emissionsintensität je Energieeinheit als Gas. Da wir den Emissionsfaktor jedes Energieträgers kennen, wissen wir, welche Auswirkungen ein bestimmter Steuersatz auf die einzelnen Energieträger hätte.

„Von mir gibt es ein klares „Ja“ zu einer CO2-Steuer. Sinnvoll wäre es, eine derartige Steuer schrittweise einzuführen bzw. über mehrere Jahre hinweg anzukündigen, um Anpassungsprozesse zu erleichtern und zu fördern.“
Angela Köppl, Ökonomin mit dem Schwerpunkt Klimapolitik

Fotos: Nurith Wagner Strauss

KOMPETENZ: Welche begleitenden Maßnahmen für Wirtschaft und Bevölkerung wären nötig?

KÖPPL: Es macht Sinn, eine CO2-Steuer im Kontext einer ökologischen Steuerreform zu diskutieren, um die Einnahmen wieder sinnvoll rückverteilen zu können. Dabei gibt es drei häufig diskutierte Optionen: den Ökobonus, eine Senkung der Steuern und Abgaben auf Arbeit sowie eine Zweckwidmung für Klimainvestitionen. Am sinnvollsten scheint mir eine Kombination aus diesen drei Maßnahmen: Beim Ökobonus wird aus den Steuereinnahmen ein Pauschalbetrag je Haushalt oder Bewohner rückverteilt. Der Vorteil daran wäre, dass soziale Härten, die aus der zusätzlichen Steuerbelastung entstehen, abgefedert würden. Jemand, der viele Emissionen erzeugt, hätte unter dem Strich trotz Bonus eine Steuerleistung zu bezahlen. Dieses Modell hat den Nachteil, dass nicht sichergestellt ist, dass aus der Steuerbelastung tatsächlich auch Anreize für Investitionen in Emissionsvermeidung entstehen. Es gibt ja auch andere Barrieren, welche die direkte Lenkungswirkung der Steuer einschränken, beispielsweise haben Mieter oft gar keine Möglichkeit, Emissions-mindernde Maßnahmen zu setzen. Eine Rückverteilung der CO2-Steuereinnahmen über eine Senkung von Steuern und Abgaben auf Arbeit wäre deswegen sinnvoll, weil Österreich eine hohe Abgabenlast auf Arbeit hat. Auch hier gilt, dass die Rückverteilung nicht direkt mit dem Klimaschutz verbunden wäre, und es ist unbestimmt, wie weit dadurch tatsächlich Klimaschutzinvestitionen ausgelöst würden. Im Rahmen einer Zweckwidmung für Umweltschutzmaßnahmen sollten die Einnahmen aus der CO2-Steuer für klimataugliche Investitionen, also für die Verbesserung der privaten und öffentlichen Infrastruktur verwendet werden.

KOMPETENZ: Wie kann das funktionieren?

KÖPPL: Die Wirtschaft hätte starke Anreize, etwas Neues zu entwickeln: Innovationen, die zu einer Reduktion der Treibhausgasemissionen führen, können sowohl aus dem Blickwinkel der Lebensqualität der Menschen attraktiv sein, aber ebenso die Wettbewerbsfähigkeit der Unternehmen erhöhen.

KOMPETENZ: Wo verorten Sie die Verantwortung zu einer CO2-reduzierten Lebensweise?

KÖPPL: Letztlich gilt es, die entsprechenden politischen Rahmenbedingungen zu schaffen. Darüber hinaus hat jeder Verbraucher im Bereich Heizen als auch in der Mobilität kurzfristig meist nur eingeschränkte Einflussmöglichkeiten, weil die vorhandenen Technologien die Emissionen im Wesentlichen bestimmen. Bei anstehenden Investitionen, wie dem Autokauf oder dem notwendigen Einbau eines neuen Heizsystems oder auch Investitionen von Unternehmen, sehe ich schon eine Verantwortung des Einzelnen. Politische Rahmenbedingungen und Verhalten des Einzelnen müssten in Hinblick auf Klimaschutz miteinander einhergehen und vor allem auch eine längerfristige Perspektive haben.
Internationale Zusammenarbeit bräuchte es jedenfalls in Hinblick auf den Flugverkehr. Kerosin ist aufgrund von Verträgen aus den 1940er – Jahren steuerbefreit. Ursprünglich wollte man damit den Flugverkehr ankurbeln. Der innereuropäische Flugverkehr ist in den EU-Emissionshandel einbezogen, auch eine Kerosinsteuer wäre innereuropäisch möglich, Für den internationalen Flugverkehr gibt es jedoch keine abgestimmte Klimapolitik.

„Unerwünschtes Verhalten bekommt einen Preis, damit die Konsumenten und Produzenten reagieren und dieses Verhalten reduzieren. Der Effekt ist ein Rückgang der Emissionen.“

Angela Köppl, Ökonomin und Klimaexpertin

KOMPETENZ: Ihre persönliche Meinung zu einer CO2-Steuer?

KÖPPL: Von mir gibt es ein klares „Ja“ zu einer CO2-Steuer. Sinnvoll wäre es, eine derartige Steuer schrittweise einzuführen bzw. über mehrere Jahre hinweg anzukündigen, um Anpassungsprozesse zu erleichtern und zu fördern. Im Individualverkehr würden Konsumenten so eine höhere Steuer bei der Wahl des Fahrzeugmodells in die Kaufentscheidung miteinbeziehen.
Eine Lenkungsabgabe wie eine CO2-Steuer hat drei wichtige Ebenen: die ökologische, die ökonomische und die gesellschaftspolitische. Ökologisch gesehen steht die Lenkung im Vordergrund. Unerwünschtes Verhalten bekommt einen Preis, damit die Konsumenten und Produzenten reagieren und dieses Verhalten reduzieren. Der Effekt ist ein Rückgang der Emissionen. Ökonomisch gesehen ist eine CO2-Steuer effizient, weil dort Maßnahmen gesetzt werden, wo sich dies ökonomisch rechnet. Emissionsreduzierende Maßnahmen werden gesetzt, solange sie günstiger sind als die zu bezahlende Steuerleistung. Das heißt, die Steuer schafft wirtschaftliche Anreize. Dieses Modell stößt dort an seine Grenzen, wo zusätzliche Barrieren bestehen, wie die bereits angesprochene Mieter-Eigentümer-Problematik, oder fehlendes Angebot an alternativen Mobilitätsmöglichkeiten. Gesellschaftspolitisch geht es um Akzeptanz einer solchen Klimaschutzmaßnahme. Wichtig wäre eine klare Kommunikation, dass eine CO2-Steuer als Maßnahme zur Bekämpfung des Klimawandels gesetzt wird, und glaubhaft vermittelt werden kann, was mit den Steuereinnahmen passiert. Das könnte die Zustimmung für die Steuer erhöhen.

KOMPETENZ: Wie ist Österreich derzeit klimapolitisch unterwegs?

KÖPPL: Wir sind nicht auf dem Zielpfad, die Klimapolitik wird bei uns leider viel zu oft zugunsten von kurzfristigen politischen Zielsetzungen in den Hintergrund gerückt. Klimapolitik bewegt sich in einem Kontext unterschiedlicher politischer Zielsetzungen, da können eben sowohl Synergien als auch Konflikte auftreten.

Zur Person:

Die Ökonomin Angela Köppl ist 59 Jahre alt und arbeitet seit 1992 am WIFO. Nach dem Studium der Volkswirtschaft an der Universität Wien hat sie eine Postgraduale Ausbildung am Institut für Höhere Studien absolviert. In ihren Forschungen setzt sich Köppl mit Fragen des Klimawandels und der Restrukturierung des Energiesystems, ökonomischen Instrumenten der Klimapolitik wie Ökosteuern und Emissionshandel sowie der Energie- und Klimapolitik Österreichs und der EU auseinander.

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