Es ist ein wiederkehrendes Muster: Eine Frau wird von einem Mann mit ausländischer Staatsbürgerschaft ermordet, attackiert oder vergewaltigt und rechte sowie rechtspopulistische Proponenten inszenieren sich als Hüter der Frauenrechte.
Eike Sanders, Anna O. Berg und Judith Goetz, sie sind Teil des Autor*innenkollektivs „Feministische Intervention“, analysieren in ihrem eben erschienenen Buch „Frauen*rechte und Frauen*hass“, warum das nicht nur wenig mit Feminismus zu tun hat, sondern sogar als Antifeminismus bezeichnet werden kann.
Antifeminismus: er kommt nach Ansicht der Autorinnen allerdings nicht nur zum Ausdruck, wenn rassistische FrauenrechtlerInnen vermeintlich Frauenrechte vorschieben, dabei aber zum Beispiel gegen „den Islam“ oder „andere Kulturen“ hetzen. Antifeminismus sei vielmehr tief in der bürgerlichen Gesellschaft, deren Geschlechtervorstellungen und den damit verbundenen Privilegien verbunden. Eingehend beschäftigen sich Sanders, Berg und Goetz in diesem Zusammenhang mit einem Begriff, der zuletzt vor allem auf Social Media verstärkt zu lesen ist: der toxischen Männlichkeit.
Anders als von vielen empfunden, ziele dieser Begriff nicht darauf ab, alle Männer anzugreifen, machen die Autorinnen klar. Toxische Männlichkeit sei „vielmehr eine Interaktion der Geschlechter, in der das Toxische aus gegenseitigen Erwartungen und gemeinsam getragenen normativen Zwängen besteht, die sich auf männliche und weibliche normative Geschlechterrollen beziehen“. Demnach geht diese männliche Vorherrschaft, die vielen Frauen das Leben schwer macht, eben nicht nur von Männern aus, sondern wird erst in einem gesellschaftlichen System möglich, in dem auch Frauen die Vormacht von Männern mittragen.
Wenn also Rechte im Netz oder auf der Straße für den Schutz von Frauen plädieren und dabei vor allem weiße Frauen meinen, die vor Migranten beschützt werden müssten, dann fühlt sich ein breiter Teil der Gesellschaft angesprochen. Wobei die Autorinnen des Autor*innenkollektivs gleichzeitig klar machen: natürlich müssten FrauenrechtlerInnen zum Beispiel Fragen an den Islam richten. Diese Fragen seien aber allen Religionen und patriarchalischen Gesellschaftsordnungen zu stellen. Denn: „Patriarchat, Kultur, Religion und Traditionen sind eigenständige Phänomene, die aber miteinander in Beziehung stehen.“
Fazit von Sanders, Berg und Goetz: „Patriarchale Geschlechterordnungen gibt es in Europa mit und ohne Islam, sie suchen sich unterschiedliche Räume, in denen sie unterdrückend wirken können. Gleichzeitig sind auch säkulare Gesellschaften nicht frei von repressiven Geschlechterordnungen. Islam, Katholizismus und andere Religionen sind nur ein Teilphänomen, das historisch und teilweise aktuell noch großen Einfluss auf die Entwicklung und Aufrechterhaltung toxischer Männlichkeiten hat. Aber die ‚westlichen’ kapitalistisch verfassten Gesellschaften sind derart von sozial, politisch und ökonomisch vermittelten Geschlechterverhältnissen geprägt, dass sich auch bei völliger Verbannung von Religionen die patriarchale Ordnung nicht notwendigerweise oder automatisch auflösen würde.“ Eines wird bei der Lektüre des Bandes zudem auch klar: Feminismus hat viele Facetten – und FeministInnen ziehen nicht immer an einem Strang. Das Buch klärt Begrifflichkeiten und versucht eine Grenzziehung zwischen jenem Kampf für Frauen, der diese nach vorwärts bringt, und dem vermeintlichen Kampf für Frauen, der nur deren schlechtere Stellung in der Gesellschaft weiter einzementiert. Alles in allem ist das Buch vor allem eines: Ein spannender Debattenbeitrag.
Eike Sanders, Anna O. Berg, Judith Goetz
(für das Autor*innenkollektiv „Feministische Intervention“)
„Frauen*rechte und Frauen*hass. Antifeminismus und die Ethnisierung von Gewalt“
Berlin 2019, Verbrecher Verlag, 220 Seiten
15,50 Euro, ISBN 978-3-95732-410-8