Buchtipp: Überreichtum

Grafik: GPA-djp Öffentlichkeitsarbeit

Der Vermögensforscher Martin Schürz setzt sich seit Jahrzehnten mit Verteilungsfragen auseinander.

Im Vordergrund seiner jüngsten Publikation steht der „Überreichtum“, eine Etikettierung, die auf Platon zurückgeht und „nicht tugendhaften Reichtum meint.“ Schürz bewegt sich weg vom bewundernden Begriff der „Superreichen“ und hilft uns, die Mechanismen zu verstehen, die hinter der dramatischen Vermögenskonzentration im 21. Jahrhundert stehen.

Schürz illustriert, warum exzessiver Reichtum kritisch zu sehen ist: er zerstört die Demokratie, gefährdet den sozialen Zusammenhalt und verfestigt eine ungleiche Sozialordnung. Im Blickpunkt des Buches steht nicht nur das moralische Versagen Einzelnen, auch die Verantwortung der staatlichen Ordnung wird thematisiert.

Schürz geht der Frage nach, welche Mechanismen die gesellschaftlich herausragende Position der Überreichen in einer Demokratie absichern. Neben einer Politik der Verachtung, die keine Maßnahmen gegen Vermögenskonzentration ergreift, arbeitet Schürz klar heraus, dass auch eine Gefühlspolitik zugunsten der Reichen einen bislang unterschätzten Beitrag leistet. Die Überreichen des 21. Jahrhunderts begründen ihre gesellschaftlichen Privilegien über ihre öffentlich inszenierten Tugenden: Sie stellen sich als mitfühlend und großzügig dar. Reichtum geht meist auch mit gesellschaftlichem Ansehen einher.

Wenn es darum geht, Vermögensungleichheiten zu beseitigen, sieht Schürz auch den Staat in der Pflicht. Das reichste Prozent der Weltbevölkerung besitzt fast so viel Vermögen wie der Rest der Menschen. Den Vermögenden gelingt eine Steuervermeidung in Steueroasen viel leichter als dem Rest der Bevölkerung. Ein eigener Industriezweig hilft den Überreichen dabei, Steuern zu vermeiden. Eine Änderung würde hier nicht freiwillig von Statten gehen.

Überreiche benutzen ihr Vermögen dazu, um politische Prozesse zu dominieren. Dies ist problematisch, weil sie meist andere gesellschaftspolitische Ziele verfolgen als der Rest der Bevölkerung. So können Überreiche leicht das Interesse an der Aufrechterhaltung einer funktionierenden öffentlichen Infrastruktur oder an sozialstaatlichen Leistungen verlieren – deren Finanzierung würde immer schwieriger.

Doch Schürz gibt sich nicht mit dem Aufzeigen von Missständen zufrieden, ihm geht es auch darum, konkrete Lösungen zur Beseitigung der Verteilungsungerechtigkeiten zu aufzuzeigen. An erster Stelle steht für ihn dabei eine korrekte statistische Messung von Vermögen. Der Forderung des Ökonomen Gabriel Zucman folgend, hält Schürz ein globales Vermögensregister für unumgänglich. Würden alle Veranlagungen offengelegt, könnte Vermögen einer Besteuerung nicht mehr so leicht entzogen werden und die Politik müsste dieses Thema ernster nehmen.

Überreichtum müsste auch auf der symbolischen Ebene bekämpft werden, durch klar etikettierte Steuern für Vermögen über einer Million Euro. Auch beim Reichtum ohne Leistung, etwa bei Erbschaften, fordert Schürz plakativ Gleichbehandlung: Wieso sollte das Erbe des Sohnes eines Milliardärs geringer versteuert werden als das Arbeitseinkommen einer Lehrerin?

Die Lektüre des Buches lässt uns eine subtile Grenze zwischen legitimiertem Reichtum und gesellschaftlich unerwünschtem Überreichtum spüren, ohne die Illusion einer völligen ökonomischen Gleichheit vorzugaukeln.

Zur Person:

Martin Schürz ist Ökonom und individualpsychologischer Analytiker in Wien. Er forscht seit mehr als zwei Jahrzehnten zur Vermögensverteilung in Europa und ist Lektor an der Wirtschaftsuniversität Wien.

Martin Schürz

Überreichtum

ISBN 978-3-593-51145-0

24,95 Euro

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