Seit rund 25 Jahren ist Alois Freitag als Betriebsrat tätig, seit 2002 ist er Vorsitzender des Angestellten-Betriebsrats der Mediaprint und inzwischen auch Vorsitzender der Konzernvertretung. Was ihm dabei wichtig ist: sowohl das Ganze – wie etwa den Kollektivvertrag – aber auch den Einzelnen zu sehen. Seine Tür steht allen MitarbeiterInnen bei jederlei Anliegen immer offen.
Die Corona-Pandemie sieht Alois Freitag in der Mediaprint bisher gut bewältigt: Kurzarbeit gab es für drei Monate, dann aber war klar, „das ist für uns kein dauerhaftes Modell“. Das Gros der MitarbeiterInnen arbeite in Bereichen, in denen Kurzarbeit gar nicht möglich gewesen sei, nur im Eventbereich sei es schwierig. „Der ist de facto darniederliegend.“ Schwierig sei es auch im Anzeigenverkauf. Eine Seite in der Österreich-Ausgabe der Kronen Zeitung koste auf Grund der hohen Auflage 35.000 Euro und die Wirtschaft sei bei Ausgaben in dieser Höhe „dramatisch zurückhaltend“. Und das müsse man auch verstehen: wenn man einen Kunden anrufe und der dürfe gar nicht aufsperren, warum solle er dann ein Inserat schalten? „Den ersten Lockdown hätten wir gerade noch verarbeitet. Aber der zweite Lockdown ist bitter.“
„Dort, wo Home-Office nicht möglich ist, wurden Split Teams gebildet – Team A, B und C – die einander nie sehen. Sollte es zu Ansteckungen kommen, wäre das dann gut eingrenzbar und der Betrieb könnte dennoch aufrechterhalten werden.“
Alois Freitag
Umso wichtiger ist es dafür zu sorgen, dass die MitarbeiterInnen ihre Arbeit behalten und die Ansteckungswahrscheinlichkeit niedrig gehalten werde. Technisch habe man sich dank der IT stark weiterentwickelt – Home-Office sei daher gut möglich. Freitag nennt es allerdings lieber Teleworking, dazu gibt es auch eine Betriebsvereinbarung: hier ist festgeschrieben, dass in Normalzeiten jeweils 50 Prozent der MitarbeiterInnen abwechselnd und dann 50 Prozent ihrer Arbeitszeit von zu Hause aus arbeiten können. Während des Lockdowns wird – so vom Job her möglich – natürlich darauf geschaut, dass möglichst viele die ganze Arbeitswoche nicht in den Büros verbringen. Dort, wo das nicht möglich ist, wurden Split Teams gebildet – Team A, B und C – die einander nie sehen. Sollte es zu Ansteckungen kommen, wäre das dann gut eingrenzbar und der Betrieb könnte dennoch aufrechterhalten werden.
Vom Heizungsinstallateur zum Betriebsratsvorsitzenden bei der Mediaprint
Sich an neue Situationen und Rahmenbedingungen anzupassen, ist Alois Freitag gewohnt. Er erlernte zunächst das Handwerk des Heizungsinstallateurs, arbeitete aber nach dem Lehrabschluss nicht in dem Beruf. Es zog ihn stattdessen in den Verkauf. Er jobbte in verschiedenen Branchen, bis er schließlich vor 32 Jahren anfing, im Anzeigenverkauf der Kronen Zeitung zu arbeiten. Es war die Vorcomputerzeit und die Wirtschaft war anders strukturiert. „Es hat noch sehr viel mehr kleine Handels- und Gewerbetriebe gegeben.“ Angebote wurden per Brief und später per Fax gelegt und die Bedeutung von Printmedien sei noch eine ganz andere gewesen.
Dass er nach und nach in die Betriebsratsarbeit hineinrutschte, sieht Freitag im Rückblich nicht als Zufall. „Mein Vater war bei der Bundesbahn, meine Mutter beim Roten Kreuz. Ich bin noch in einer Zeit aufgewachsen, in der Politik eine Rolle gespielt hat. Kreisky war ein Säulenheiliger, der bei jedem Abendbrot dabeigesessen ist.“ Seit Mitte der 1990er Jahre engagiert er sich in der ArbeitnehmerInnenvertretung, seit 2002 macht er dies als Vorsitzender hauptberuflich. Der Betriebsrat, dessen Vorsitzender er 2002 wurde, ist der der Mediaprint, einer Tochter von Kronen Zeitung und Kurier. Freitag vertritt vor allem die kaufmännischen MitarbeiterInnen – in etwa 1.100 Leute. Im ganzen Konzern sind etwas über 1.600 Menschen tätig, auch sie vertritt er seit über zehn Jahren als Vorsitzender der Konzernvertretung.
Entwicklung des Kollektivvertrags
Die Gründung der Mediaprint brachte auch kollektivvertragliche Fragen: jene, die bereits zuvor in den Medienhäusern beschäftigt wurden – einzeldienstrechtlich nach dem KV von kaufmännischen Angestellten in Tages- und Wochenzeitung bezahlt, für neue Beschäftigte musste dieser gute KV nicht zwingend angewandt werden. Es konnten also theoretisch zwei MitarbeiterInnen trotz ähnlicher Tätigkeit sehr unterschiedliche Vertragsbedingungen vorfinden.
Freitag ging es nun darum, für alle einen KV zu entwickeln, der auch dem Wandel der Branche Rechnung trug. Er sollte der Ausgliederung von Abteilungen, wie damals etwa von einem großen Verlagshaus im Süden Österreichs praktiziert, vorbeugen, was jeweils mit finanzieller Schlechterstellung etwa durch Anstellung im gewerblichen KV verbunden war. „Das Thema Outsourcing war das Brandthema schlechthin.“ Zudem sollten nicht nur die Ansprüche bereits Beschäftigter, sondern auch künftiger MitarbeiterInnen gesichert werden. „Es sollte ein neuer, moderner, zeitgemäßer Kollektivvertrag sein.“ Eine der Herangehensweisen war, das bestehende Senioritätsprinzip, die Quinquennien, prozentual zu reduzieren.
„Leute kommen zu uns wegen jedem und allem – und ich nutze dann mein Netzwerk und versuche zu helfen, wo ich kann.“
Alois Freitag
Dass Jahre später 2011 auch der Verband Österreichischer Zeitungen (VÖZ) dazu bewegt werden konnte, seine Vereinsstatuten dahingehend zu ändern, dass sich die Verlagstöchter als außerordentliche Mitglieder diesem KV für kaufmännische MitarbeiterInnen unterwerfen, sieht er „als größten Durchbruch“ und „Meilenstein“. Vorgesehen wurde etwa, dass, sollten dennoch Ausgliederungen mit Überführungen in andere Kollektivverträge erfolgen, der alte KV mitgenommen oder abgelöst werden muss. Das macht solche Schritte unattraktiv. Ganz verhindert werden können Ausgliederungen aber nicht, das ist Freitag bewusst. Dass er verhindern konnte, dass die Mediaprint filetiert wurde, um Personalkosten zu reduzieren – dazu habe es schon Pläne gegeben – ist einer von Freitags größten Erfolgen.
Betriebsrat als Serviceabteilung
Wichtig findet er allerdings, dass der Betriebsrat nicht nur arbeitsrechtliche Themen behandelt, sondern auch als Serviceabteilung fungiert. „Leute kommen zu uns wegen jedem und allem – und ich nutze dann mein Netzwerk und versuche zu helfen, wo ich kann.“ Da geht es im einen Fall um einen Vater, der dringend einen Kindergartenplatz für sein Kind sucht, da geht es im anderen Fall darum, eine Kollegin, die durch eine Scheidung unverschuldet in einen Privatkonkurs geschlittert ist, zu begleiten. „Wir versuchen, jede Lebenslage der Menschen einzufangen. Wir können nicht immer erfolgreich sein, aber oft.“
Das ist der Betriebsrat aber etwa auch, wenn es um zwischenmenschliche Konflikte in Abteilungen geht. „Konfliktmanagement ist ein wesentliches Thema in einem Betriebsrat.“ Von Vorteil sei hier, dass er schon so lange im Haus sei und daher alle Beschäftigten kenne, erzählt Freitag. Sowohl bei kleineren Konflikten, als auch in der Kommunikation mit der Geschäftsführung, wenn es um die großen Themen wie den Kollektivvertrag geht, bemühe er sich um einen gemeinsamen, sozialpartnerschaftlichen Weg. Wenn sich nichts bewege, könne er aber auch schon einmal einen härteren Ton anschlagen, verrät der Betriebsratsvorsitzende.
Grundsätzlich sei er ein „leidenschaftlich politischer Mensch“, erzählt Freitag. Das spiegelt sich auch in seinem Engagement in der GPA, der AK oder der PVA wider. Vieles von dem, was er gerne tut, wie Badminton zu spielen oder zu reisen, ist derzeit auf Grund der Coronapandemie nicht möglich, bedauert er. In die Zukunft blickt Freitag dabei durchaus mit gerunzelter Stirn: er sieht die momentane Situation „als deutlich herausfordernder als 2009 die Finanzkrise“.
Zur Person:
Alois Freitag, geb. 1964, aufgewachsen in Wien, Lehre zum Gas-, Wasser- und Heizungsinstallateur, danach Einstieg in den Verkauf und dabei in verschiedenen Firmen tätig, 1989 Beginn als Anzeigenverkäufer in der Mediaprint für die Kronen Zeitung. Seit Mitte der 1990er Jahre im Betriebsrat engagiert, seit 2002 Vorsitzender des Mediaprint-Betriebsrats, inzwischen auch Vorsitzender der Konzernvertretung. Freitag ist zudem seit 2010 SPÖ-Bezirksrat in Wien-Liesing, stellvertretender Vorsitzender der GPA Wien, Kammerrat der Wiener AK, Mitglieder der Bundesarbeitskammer und Vorsitzender des Landesstellenausschusses Wien der PVA.