Norbert Bauer, Betriebsratsvorsitzender eines Wiener Luxushotels, hat ein Ausnahmejahr hinter sich. Die Pandemie hat die Beschäftigten in seiner Branche härter als andere getroffen. In dieser Situation kämpft Bauer nicht nur für bessere Löhne und Arbeitsbedingungen, sondern hat auch ein Volksbegehren für ein höheres Arbeitslosengeld mit initiiert.
Als Betriebsratsvorsitzender eines großen Wiener Traditionshotels hat Norbert Bauer ein schwieriges Jahr erlebt. Im März 2020 hat der Konzern, zu dem sein Haus gehört, beschlossen, es bis auf weiteres coronabedingt zu schließen. Seitdem liegt das 400-Zimmer Deluxe-Hotel in Stadtzentrumnähe im Dornröschenschlaf. Wo normalerweise TouristInnen aus aller Welt, Prominente und PolitikerInnen aus- und eingehen, rund um die Uhr umsorgt von über hundert MitarbeiterInnen, ist Stille eingekehrt.
Die Beschäftigten sind seither in Kurzarbeit, der Betriebsrat hilft, wo Not am Mann ist. Zum Beispiel, wenn das AMS-Geld erst verspätet kommt. „Als Betriebsrat sind wir bei der Abwicklung der Coronahilfen mit Rat und Tat zur Seite gestanden“, erzählt Bauer. „Das schwierigste war für die KollegInnen, mit dem Kurzarbeitsgeld auszukommen. 80 bis 90 Prozent von einem oft niedrigen Lohn bzw. Gehalt, ohne Trinkgelder, das war für viele sehr, sehr hart.“ In konkreten Zahlen: Eine Hilfskraft z.B. beginnt im Hotel derzeit mit 1.575 Euro brutto. „Das ist auch unter normalen Umständen nicht üppig. Doch sonst kommen immerhin noch Trinkgelder dazu. In Kombination mit Kurzarbeit reicht das am Monatsende oft nicht.“
Angst vor der Arbeitslosigkeit
„Am meisten zu schaffen machte uns während all dieser Monate die Ungewissheit, wie es weitergehen wird“, beschreibt Bauer das Pandemiejahr, denn: Das Traditionshotel steht – wie viele andere Betriebe aus der Branche – vor enormen wirtschaftlichen Herausforderungen. „Es trifft uns wirklich hart. Und dazu kommt die Angst vor der Arbeitslosigkeit.“
„Es trifft uns wirklich hart. Und dazu kommt die Angst vor der Arbeitslosigkeit.“
Norbert Bauer
Vor der Krise beschäftigte das Haus zwischen 130 und 140 MitarbeiterInnen, nun sind es weniger als 100. Die Hotelleitung hat sich aus wirtschaftlichen Gründen von 18 MitarbeiterInnen trennen müssen, berichtet Bauer. Andere haben die Flucht nach vorn angetreten und während der Krise den Beruf gewechselt. Das in der Branche oft beklagte Problem des Fachkräftemangels bestand schon vor Corona, und Bauer sieht dies als eine der zentralen Herausforderungen im Hotel- und Gastgewerbe: „Wie halten wir die Leute in der Branche?“
Bauers Antwort: Bessere Arbeitsbedingungen, höhere Löhne und Gehälter. Seit 2008 ist Bauer Betriebsratsvorsitzender, für ihn ist die sozialpartnerschaftliche Zusammenarbeit ganz zentral. Er sieht sich aber selbst durchaus konfliktbereit, seine Erfolge als Betriebsrat können sich sehen lassen. „Wir konnten viele Verbesserungen im Betrieb erreichen, die wir nun in die Branche bringen wollen.“
Sozialpartnerverhandlungen
Ein Beispiel für solch eine gelungene Regelung in seinem Hotel ist die Feiertagsregelung: Verpasst ein/e MitarbeiterIn einen Feiertag, weil er/sie an diesem Tag aufgrund des Dienstplans frei hat, so kann der Feiertag an einem anderen Tag nachgeholt werden – man bekommt also einen freien Tag extra gutgeschrieben. „Wir konnten im Betrieb mehrere solche vorteilhafte Regelungen für die Beschäftigten durchsetzen. Darunter ist einiges, was wir in dieser Form auch im Kollektivvertrag unterbringen möchten“, erklärt Bauer seine Pläne für die nähere Zukunft.
Denn Norbert Bauer ist, gemeinsam mit KollegInnen von der Gewerkschaft vida, seit 2014 Verhandlungsleiter für die GPA für den Kollektivvertrag für das Hotel- und Gastgewerbe. Für seine Branche ist der Christgewerkschafter Bauer Mitglied im WB 14 Fachausschuss Tourismus und Glücksspiel der Gewerkschaft GPA, und überdies auch als Mitglied im AK Fachausschuss der Wiener Hotellerie aktiv.
Seine Ziele für zukünftige Sozialpartnerverhandlungen: Eine deutliche Erhöhung der Mindestlöhne und -gehälter, sowie ein mittelfristiger Umstieg auf sogenannte „Ist -Lohn/Gehalts – KV-Erhöhungen“, die Verbesserung der Anrechnung von Vordienstzeiten und eine schnellere Erreichbarkeit der 6. Urlaubswoche. Ein weiteres großes und wichtiges Vorhaben ist die sog. ‚Tourismuskasse’, nach dem Vorbild der Bauarbeiter-Urlaubs- und Abfertigungskasse. Sie soll den Tourismus-Beschäftigten eine Absicherung gegen die saisonalen Schwankungen bieten. Und natürlich beschäftigt ihn auch die Angleichung der Kündigungsfristen für ArbeiterInnen und Angestellte, die eigentlich für Anfang Juli geplant war. Sie wurde nun von der Regierung um drei Monate verschoben, ist aber damit nicht vom Tisch.
Betriebsratsarbeit
Bauer begann nach seiner Matura in Hotels im Frontoffice zu arbeiten. An seinem jetzigen Arbeitsort im Wiener De-Luxe Hotel in Zentrumsnähe ist er mittlerweile seit 20 Jahren tätig, ebenfalls im Frontofficebereich. Zwei Tage pro Woche ist er für seine Tätigkeit als Betriebsrat freigestellt, die verbleibende Zeit übt er verschiedene „Manager on Duty“-Dienste aus. Das können z.B. Gästebeschwerden oder Fragen zur Sicherheit sein, oder die interne Kommunikation zwischen Abteilungen. Als Betriebsrat kommt er außerdem einer Aufgabe als Mediator nach: Bei 400 Zimmern und zwischen 600 und 800 Gästen im Normalbetrieb gibt es jede Menge zu lösende Konflikte. „Der Betriebsrat ist hier oft Mediator, die meisten Konflikte lassen sich glücklicherweise intern regeln.“
Bauers Betriebsrats-Team im Hotel umfasst fünf Mitglieder, plus ebenso viele Ersatzmitglieder. Unter den Beschäftigten sind zahlreiche verschiedene Nationalitäten vertreten, erzählt Bauer: „In einem Hotel sind eben nicht nur die Gäste international.“ Sein Alltag als Betriebsrat, betont er, besteht nicht nur aus Arbeitsrecht und harten Verhandlungen, sondern auch aus gemeinsamer Zeit mit den KollegInnen und einem guten Team. „Vor allem unsere Betriebsausflüge sind inzwischen so legendär, dass sich eine Kollegin, als sie kürzlich nach 20 Jahren im Betrieb in Pension ging, extra für all diese schönen gemeinsamen Erinnerungen bedankt hat.“
Volksbegehren „Arbeitslosengeld rauf!“
Da die Coronakrise die Hotellerie mit voller Wucht getroffen hat, gehörte auch von Anfang an die Angst vor der Arbeitslosigkeit zu den größten Sorgen. In Österreich sind über 200.000 Menschen im Hotel- und Gastgewerbe beschäftigt. Nicht nur der westösterreichische Arbeitsmarkt war extrem belastet, auch in Wien war die Hotellerie und Gastronomie eine der am meisten betroffenen Branchen, die Arbeitslosigkeit stieg um 45 Prozent an.
Obwohl die Kurzarbeit vieles auffangen konnte, war die Arbeitslosigkeit eine ständige Bedrohung, nicht zuletzt auch wegen des oft niedrigen Lohnniveaus. Denn die derzeitige Nettoersatzrate beim Arbeitslosengeld von nur 55 Prozent führt zu enormen Einkommenseinbußen.
„Wenn wir die schon erwähnten Löhne und Gehälter für Hilfskräfte von 1.575 Euro brutto heranziehen,“ rechnet Bauer vor, „so bedeutet das für arbeitslose Kolleginnen und Kollegen einen Grundbetrag von ca. 850 Euro, also deutlich unter dem aktuellen Richtwert für die Ausgleichszulage von 1000,48 Euro (für Alleinstehende). Das ist schlicht unwürdig!“
„Wenn wir die Löhne und Gehälter für Hilfskräfte von 1.575 Euro brutto heranziehen, so bedeutet das für arbeitslose Kolleginnen und Kollegen einen Grundbetrag von ca. 850 Euro, also deutlich unter dem aktuellen Richtwert für die Ausgleichszulage von 1000,48 Euro (für Alleinstehende). Das ist schlicht unwürdig!“
Norbert Bauer
Angesichts der extrem hohen Arbeitslosigkeit während der Pandemie hat Bauer beschlossen zu handeln: Gemeinsam mit einer sehr engagierten ProponentInnengruppe war er einer der Gründer der Initiative und in der Folge des Volksbegehrens Arbeitslosengeld rauf! Die Forderungen: Eine deutliche Erhöhung der Nettoersatzrate auf wenigstens 70 Prozent und entschärfte Zumutbarkeitsbestimmungen. Seit 1. Juni kann dieses Volksbegehren auf jedem Bezirks- und Gemeindeamt oder per Handysignatur unterzeichnet werden.
Unterschreiben für mehr Arbeitslosengeld
Unter der Schirmherrschaft von Prof. Emmerich Talos unterstützen inzwischen um die 200 ProponentInnen aus Politik, Forschung, Kunst und Gewerkschaften aus verschiedenen politischen Lagern die Initiative. „Nachdem die Regierung vor kurzem Pläne für ein degressives Arbeitslosengeld vorlegte, hat uns das großen Zulauf gebracht,“ berichtet Bauer, „Die Menschen haben verstanden, dass Arbeitslose in so einer enormen Krise mehr Unterstützung brauchen!“
Wie bei jedem Volksbegehren müssen in der ersten Phase 8.401 Unterstützungserklärungen gesammelt werden, in der zweiten Phase braucht es 100.000 Unterschriften um im Nationalrat behandelt zu werden. Bauer ist zuversichtlich: „Ich denke, dass viele Menschen dieses Anliegen unterstützen werden. Fast jeder von uns kennt Menschen, die von Arbeitslosigkeit und finanziellen Schwierigkeiten betroffen sind. Und mit der Handysignatur ist ein Volksbegehren in zwei Minuten unterzeichnet!“
Noch ist die Krise und mit ihr die hohe Arbeitslosigkeit nämlich keineswegs ausgestanden. Wenn alles gut läuft, könnte Bauers Hotel im Laufe des Sommers zwar wieder aufsperren. „Zumindest hoffen wir das alle, “, berichtet Bauer von seinen Sorgen in der Arbeit. Sobald wieder geöffnet wird, muss mehr Personal eingestellt werden, ist er überzeugt, denn derzeit wäre das Team zu klein, um ein Hotel dieser Größe am Laufen zu halten. Trotzdem braucht der Aufschwung noch Zeit: „Die Stadthotellerie ist auf ein internationales Publikum angewiesen“, gibt er zu bedenken, „es wird daher noch eine Weile dauern, bis wir das Niveau von vor Corona erreichen können.“
Arbeitslosengeld rauf!
Das Volksbegehren „Arbeitslosengeld rauf“ setzt sich für eine deutliche Erhöhung der Nettoersatzrate ein. Gerade angesichts der Pandemie und dem damit verbundenen Verlust an Arbeitsplätzen darf niemand zurückgelassen werden!
Die Forderungen: Eine Novellierung des Arbeitslosen-Versicherungsgesetzes, mit der die Nettoersatzrate auf wenigstens 70 Prozent erhöht wird (und entsprechend auch die Notstandshilfe) sowie eine Entschärfung der Zumutbarkeitsbestimmungen. Die Rechtsstellung der Arbeitslosen insgesamt muss verbessert werden. Das Volksbegehren kann seit 1. Juni unterzeichnet werden, entweder auf dem Bezirks- oder Gemeindeamt, oder Online mittels der Handysignatur.
Mehr zu den Forderungen des Volksbegehrens findest du hier: arbeitslosengeld-rauf.at