Versicherungsbranche: Fokus auf die Work-Life-Balance

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Multitalent Melanie Lechner ist Trainerin, Betriebsrätin, Aufsichtsrätin und KV-Verhandlerin. Sie arbeitet in der Bildungsabteilung der Generali Versicherung. Sowohl innerbetrieblich, als auch als Gewerkschafterin, sind ihr zeitgemäße Arbeitsbedingungen im Innen- sowie im Außendienst ein zentrales Anliegen.

Melanie Lechner (31) ist seit ihrem berufsbegleitenden Studium als Trainerin für Außendienst-MitarbeiterInnen in der Bildungsabteilung der Generali Versicherung tätig. Dort ist sie zuständig für die Bereiche Lebensversicherungen, Veranlagung und Wirtschaft. Lechner war längere Zeit selbst im Außendienst tätig, nun gibt sie ihr Know-how an ihre jungen KollegInnen weiter, die eine dreijährige hausinterne Ausbildung durchlaufen.

Jung und engagiert und in der Ausbildung tätig – deshalb wurde sie 2016 von einem Kollegen ins Betriebsrats-Team geholt. Lechner war damals erst 25. „Gefragt zu werden, ob ich im Betriebsratsteam mitarbeiten wollte, das war für mich extrem motivierend! Mir wurde damit signalisiert: schon in meinem Alter kann ich aktiv etwas bewegen!“ In der Region Steiermark und Kärnten umfasst das Team 10 BetriebsrätInnen, für die rund 650 MitarbeiterInnen in der Region.

„Gefragt zu werden, ob ich im Betriebsratsteam mitarbeiten wollte, das war für mich extrem motivierend! Mir wurde damit signalisiert: schon in meinem Alter kann ich aktiv etwas bewegen!“

Melanie Lechner

Seit 2016 ist Lechner nun als Betriebsrätin aktiv, seit 2018 ist sie auch Aufsichtsrätin. Damit nicht genug, ist sie außerdem stellvertretende Konzernbetriebsrats-Vorsitzende und stellvertretende Zentralbetriebsrats-Vorsitzende. In der Gewerkschaft GPA arbeitet sie als Frauenbeauftragte im Wirtschaftsbereich 24 (Versicherungen) und im steirischen Fachausschuss. Lechner ist überdies in der IG External engagiert, der GPA-Interessengemeinschaft für alle, die im Außendienst tätig sind. Auch hier ist sie Frauenbeauftragte.

Ihre Betriebsratsarbeit macht rund die Hälfte ihrer Arbeitszeit aus, schätzt sie. Freigestellt ist sie trotz dieser Fülle an zusätzlichen Aufgaben nicht – sie arbeitet, wie sie selbst sagt, „extrem gern, auch wenn es zugegeben eine Herausforderung ist, all diese Funktionen unter einen Hut zu bringen.“

Junge KollegInnen motivieren

Als Trainerin für in einem großen Versicherungskonzern schult Lechner junge AußendienstmitarbeiterInnen, die es zu motivieren gilt: „Es ist schwierig, BerufsanfängerInnen im Betrieb zu halten, denn die Arbeit im Außendienst ist sehr herausfordernd. Entsprechend müssen wir die Ausbildung, die Arbeitszeiten und die Arbeitsinhalte attraktiver gestalten.“

„Für die meisten jüngeren Menschen steht aber das Leben im Vordergrund, sie wollen nicht ihr ganzes Leben nur dem Beruf opfern wie ihre Eltern und Großeltern.“

Melanie Lechner

Derzeit sind nach zehn Jahren im Unternehmen rund 80 Prozent der MitarbeiterInnen wieder weg, erzählt Lechner von ihren Erfahrungen: „Viele junge KollegInnen müssen erst herausfinden, ob der Beruf zu ihnen passt.“ Zur Zeit strömt eine Generation auf den Arbeitsmarkt, die neue Vorstellungen und Wünsche an die Arbeitswelt haben: „Diese jungen Menschen sehen die Arbeitswelt und ihre berufliche Zukunft anders als ihre Eltern. Die Generationen vor ihnen hatten stets die Arbeit im Fokus. Für die meisten jüngeren Menschen steht aber das Leben im Vordergrund, sie wollen nicht ihr ganzes Leben nur dem Beruf opfern wie ihre Eltern und Großeltern.“

Ältere Kollegen können die Probleme der jüngeren oft nicht verstehen. Da heißt es dann schnell mal: „Die Jungen wollen nichts arbeiten“. Wer eine 4-Tage-Woche bevorzugt, wird als faul abgestempelt. Lechner will hier vermitteln und den Standpunkt der neuen Generation erklären: „Es hat sich der Fokus geändert! Wer vier Tage pro Woche arbeitet, bringt deshalb keine schlechtere Leistung, im Gegenteil. Kürzere Arbeitszeiten bringen mehr Motivation.“

Sie formuliert die Problemstellung so: Wie kann man die Arbeit so gestalten, dass es diesen neuen Vorstellungen entgegenkommt? Und: Wie können junge MitarbeiterInnen motiviert und im Betrieb gehalten werden?

Zeitgemäße Arbeitsbedingungen

Lechner sieht es als ihre Aufgabe als Trainerin, ihre Firma bei dieser Fragen zu unterstützen und Ideen zu liefern. Zugleich kämpft sie auch als Betriebsrätin dafür, den jungen KollegInnen attraktive und zeitgemäße Arbeitsbedingungen zu bieten, besonders was die Arbeitszeiten angeht. „Wir können nicht nur beobachten, wir müssen vorangehen!“ In einem Konzern ist das allerdings nicht immer einfach: „Ein großer Betrieb ist wie ein Elefant, es braucht Zeit, bis man ihn in Bewegung bringt – aber nachher ist er nicht mehr zu stoppen“, zeigt sich Lechner optimistisch.

Hast du schon einmal überlegt selbst einen Betriebsrat zu gründen?

Wenn es bei dir im Betrieb mindestens 5 Beschäftigte gibt, kann eine Betriebsratswahl stattfinden. Dein Chef/deine Chefin, darf die Wahl nicht behindern. Als Betriebsrätin/Betriebsrat hast du einen besonderen Kündigungsschutz und du kannst einen Teil deiner Arbeitszeit für die Betriebsratstätigkeit verwenden. Wir unterstützen und begleiten dich und deine KollegInnen bei der Durchführung der Betriebsratswahl.
Du möchtest mit uns darüber reden? Dann wende dich an unsere Beratung in deinem Bundesland. Alle Kontakte findest du hier: https://www.gpa.at/kontakt

Eine weitere Gruppe, für die es zu handeln gilt, sind Frauen mit Kindern und KarenzrückkehrerInnen. Für sie ist es oft schwierig, ihre Arbeitszeit im Außendienst mit ihren Familienpflichten gut zu vereinbaren. Denn als Außendienstmitarbeiterin ist man beim Kunden oder der Kundin, wenn diese/r Zeit hat, und das ist nicht unbedingt zu den üblichen Bürozeiten. „Wir suchen daher in einem Pilotprojekt ein spezielles Modell, um diese Personengruppe zu gewinnen.“

Pilotprojekte, neue Modelle, Seminare – vieles ist in Bewegung! Wir versuchen viel Neues“, sagt Lechner, „vor allem über die digitale Schiene, via Social media, Marketingschulungen, Unterstützung mit Programmen, denn dort kann man die Jungen abholen. Auch beim Bildungskatalog bieten wir Neues an, mehr Auswahl bei den Seminaren, nicht nur Fachseminare, auch Fortbildungsseminare für die Persönlichkeit.“

Homeoffice

Homeoffice, so Lechner, bietet sich natürlich an, um die Arbeit attraktiver zu machen. Bei der Homeoffice-Regelung in ihrem Betrieb gilt derzeit 60 Prozent Büro und 40 Prozent Homeoffice, die Belegschaft wünscht sich aber noch mehr Flexibilität. Lechner selbst wohnt in Klagenfurt und ihr Dienstort ist Graz. Freitags arbeitet sie im Homeoffice. „Ich habe früher in Graz gewohnt, durch das Homeoffice konnte ich meinen Lebensmittelpunkt verändern.“

Die Pandemie hat hier durchaus Fortschritte mit sich gebracht, berichtet Lechner. Davor war die Arbeit im Homeoffice eine Pilotprojekt, Corona hat die Umsetzung beschleunigt. Homeoffice und die damit verbundene freie Zeiteinteilung wird zwar generell gut angenommen, von manchen aber auch rundweg abgelehnt, andere wiederum isolieren sich regelrecht zu Hause. Lechner sieht diese neue Flexibilität durchaus auch kritisch: „Es besteht immer die Gefahr, dass Arbeit und Privatleben vermischt werden, da müssen wir genau hinschauen.“

KV-Verhandlungen

Das große Thema im Betriebsrat der Generali sind derzeit natürlich die Inflation und die nahenden KV-Verhandlungen, bei denen Lechner im Verhandlungsteam aktiv mitarbeiten wird. Neben der Inflationsabgleichung wird die Forderung nach einem neuen Kollektivvertrag für den Außendienst im Mittelpunkt stehen. „Diese Forderung wurde letztes Jahr von den Arbeitgebern leider abgeschmettert, aber wir geben sicher nicht auf.“

„Es ist höchste Zeit für ein neues Gehaltsschema für den Außendienst, angeglichen an den Innendienst“, erklärt Lechner. Ein schwieriges Unterfangen, denn: „Der Außendienst ist stark provisionsabhängig. Wer im Außendienst arbeitet, ist wie ein Selbständiger im Betrieb. Wer gut arbeitet, seine KundInnen gut betreut, verdient gut. So etwas im KV abzubilden ist eine enorme Herausforderung!“

Eine weitere zentrale Forderung betrifft natürlich das Kilometergeld. Die GPA pocht auf eine Erhöhung auf 60 Cent, um endlich die Teuerung auszugleichen. „Sowohl der Innen- als auch der Außendienst sollen finanziell attraktiv bleiben“, betont Lechner, „gerade jetzt ist es besonders wichtig, die finanzielle Sicherheit in unserer Branche zu stärken und der Inflation entgegenzuwirken.“

Zur Person

Melanie Lechner lebt in Klagenfurt, wo sie von der Natur und dem tollen Freizeitangebot profitiert: im Sommer schwimmen in den Seen und Wandern in den Bergen, im Winter Schifahren oder Schitouren. Zum „Runterkommen“ nach einem anstrengenden Arbeitstag entspannt sie beim Yoga. Als Familienmensch besucht sie auch oft ihre Familie in der Steiermark.

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