
Foto: Nurith Wagner-Strauss
Bevor sie Sozialministerin wurde war Eleonora Hostasch die erste weibliche Vorsitzende der GPA. Anlässlich des 80-Jährigen Jubiläums des ÖGB haben wir mit ihr zurückgeblickt.
KOMPETENZ: Nach deiner Matura hast du in der BAWAG, der Bank für Arbeit und Wirtschaft, zu arbeiten begonnen. Wie bist du eigentlich zur gewerkschaftlichen Arbeit gekommen?
ELEONORA HOSTASCH: In der BAWAG begann ich in der Fachabteilung Ausland, etwas später wurde ich Mitglied des Betriebsrates. Gewerkschaftsmitglied war ich vom ersten Tag an. Durch die Betriebsratstätigkeit entstanden enge Kontakte zur GPA und die habe erste Funktionen übernommen. Ich wurde Vorsitzende der Fachgruppe Banken und stellvertretende Vorsitzende der Sektion Geld und Kredit, ein ziemlich großer Wirtschaftsbereich.
KOMPETENZ: Du hast dich ja schon damals für die Belange der Kolleginnen engagiert und bist bald auf Ungerechtigkeiten gestoßen.
HOSTASCH: Die damalige Leiterin der GPA-Frauenabteilung Helga Stubianek, welche auch maßgeblich dazu beigetragen hat, dass ich Vorsitzende der GPA-Frauen wurde, hat mich auf die großen Einkommensunterschiede zwischen Männern und Frauen aufmerksam gemacht. Wir haben uns dann die Kollektivverträge auch im Kreditsektor angeschaut und festgestellt, dass zum Beispiel Kinder- und Familienzulagen grundsätzlich nur an Männer ausbezahlt wurden. Erst nach langwierigen Kollektivvertrags-Verhandlungen und mit Inanspruchnahme der Gleichbehandlungskomission konnten diese offenen Diskriminierungen beseitigt werden. Auch die Diskriminierung beim sogenannten Definitivum bei den Sparkassen und Versicherungen konnte gestrichen werden.
Absurd, wenn man so zurück denkt, dass das erst verhandelt werden musste.
KOMPETENZ: Im Jahr 1989 wurdest du in der Nachfolge von Alfred Dallinger zur GPA-Vorsitzenden gewählt. Welche Themen haben dich bei der Gewerkschaft damals beschäftigt?
HOSTASCH: Ein dominantes Thema war die Frage, ob Österreich Mitglied der Europäischen Union werden soll. Ich war fasziniert von europäischer und auch internationaler Gewerkschaftsarbeit und hatte einen grundsätzlich positiven Zugang zum Beitritt. Trotzdem musste abgewogen werden, alle Pro und Contras hinsichtlich der Auswirkungen auf die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer. Österreich hat sich letztlich mit einem überzeugenden Votum für den Beitritt ausgesprochen.
Abgesehen von wirtschaftlichen und sozialen Konsequenzen ist die Europäische Union für mich ein Friedenskonzept.
KOMPETENZ: Du warst auch Abgeordnete des Nationalrats für die SPÖ und Präsidentin der Arbeiterkammer. Wie war damals die gesellschaftliche Gesprächsbasis für die Anliegen von Frauen?
HOSTASCH: Das kann vielleicht ein Beispiel aus meinem privaten Umfeld am besten verdeutlichen: Meine Mutti war Alleinerzieherin. Sie wollte einen kleinen Schrebergarten auf der Schmelz kaufen. Sie war in Beschäftigung bei der Gemeinde Wien, hatte ein gutes, regelmäßiges Einkommen. Der Kleingarten-Verein sagte ihr, sie bräuchte die Unterschrift eines Mannes, eines Bürgen. Dann musste tatsächlich ihr Bruder mitunterschreiben, obwohl der kein so gesichertes Einkommen hatte wie meine Mutter. Obwohl ihr Bruder Selbstständiger war, galt er als glaubwürdiger als meine Mutter. Unvorstellbar!
Dank Johanna Dohnal und anderen ist damals wirklich sehr viel geschehen. Und die Gewerkschaften haben da stark mitgeholfen. Nur, locker war es nicht.
KOMPETENZ: Ab 1997 warst du Teil der Regierung als Bundesministerin für Arbeit, Gesundheit und Soziales. Welche Themen haben damals deine Arbeit geprägt?
HOSTASCH: Für mich und alle meine Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter war es eine herausfordernde Zeit. Der Kampf gegen Arbeitslosigkeit, besonders bei den Jugendlichen, aber auch der Kampf für unser Sozialversicherungssystem. Für mich ist es eine tragende Säule unserer Demokratie und ein Bindeglied für alle Gruppen in unserer Gesellschaft. Durch den Regierungswechsel hin zu ÖVP und FPÖ wurde dieses System nachhaltig beschädigt. An den Konsequenzen leiden wir noch heute.
KOMPETENZ: Was noch ist dir aus deiner Zeit in der Bundesregierung im Gedächtnis geblieben?
HOSTASCH: Im Jahr 1998 hatte ich als Bundesministerin für Arbeit, Gesundheit und Soziales die erste Präsidentschaft Österreichs in der Europäischen Union mitzugestalten. Neues EU-Mitglied und gleich in der Präsidentschaft, welche Herausforderung! Mich beeindruckte mit welcher Wertschätzung die anderen Mitgliedsländer und auch die europäische Kommission einem vergleichsweise kleinem Land wie Österreich begegneten und uns unterstützten.
KOMPETENZ: Schließen wir mit einem Blick in die Zukunft. Was magst du, als erfahrene Gewerkschafterin und Sozialpolitikerin unseren Leser:innen mitgeben?
HOSTASCH: Einer der ganz großen Unterschiede meiner Zeit und jetzt ist, dass heute mit anderen Kommunikationsmethoden und Medien gearbeitet wird. Das prägt schon sehr das gesellschaftliche Profil. Wir müssen noch lernen damit umzugehen. Es bleibt wichtig auf Augenhöhe einander zu begegnen, aufeinander Rücksicht nehmen, Toleranz zeigen und die Sprache nicht zu verrohen.
Die Leistungen der Erwerbstätigen müssen gleichwertig anerkannt werden. Sie müssen an den erwirtschafteten Produkten, am Wirtschaftserfolg gleichermaßen beteiligt werden. Die Verteilungsfrage ist eine zentrale Frage in unserer Gesellschaft.
Wir müssen zusammen versuchen eine prosperierende Wirtschaft am Laufen zu halten, wettbewerbsfähig bleiben. Da müssen die Arbeitgeber:innen auch auf die Arbeitnehmer:innen zugehen. Wir brauchen das gemeinsame Ziel vor Augen: Die Wirtschaft voranbringen, gemeinsam ein Sozialprodukt erwirtschaften, das wir dann gerecht verteilen können.
Eine letzte feministische Bemerkung: Ich bin glücklich und stolz mit Barbara Teiber eine weibliche Vorsitzende unterstützen zu können, mit Renate Anderl eine starke weibliche Interessensvertreterin in der Sozialpartnerschaft zu haben und mit Korinna Schumann eine empathische, durchsetzungsstarke Kämpferin um soziale Gerechtigkeit in unserem Sozialministerium zu wissen. Mir ist aus eigener Erfahrung bewusst, wie groß die Herausforderungen in diesen Funktionen sind.
Nichts kommt von selbst, seien wir stolz auf unsere Erfolge. Wir kämpfen weiter