Bereits jetzt ist klar: Österreich wird zur Überwindung der Corina-Krise sehr viel Geld bauchen. Eine repräsentative Befragung des Meinungsforschungsinstituts IFES hat ergeben, dass die überwiegende Mehrheit der Österreicherinnen und Österreicher für Vermögenssteuern ist.
Österreich hat eine der niedrigsten Vermögensbesteuerungen der Welt. Während im angeblichen Steuerparadies für Reiche, den USA 15,4 Prozent der gesamten Steuern aus vermögensbezogenen Steuern kommen, sind es in Österreich gerade einmal 1,3 Prozent. Damit liegt Österreich auch deutlich unter dem OECD-Schnitt von 5,7 Prozent. Die EU-Kommission kritisierte im Februar 2020 in ihrem Länderbericht zum wiederholten Mal das problematische Ungleichgewicht zwischen Steuern auf Arbeit und jene auf Vermögen und Kapital. Selbst Reiche melden sich inzwischen zu Wort und fordern die Politik auf sie doch zu besteuern. Im Jänner 2020 schrieb der zweitreichste Mann der Welt, Bill Gates auf seinem Blog: „Ich denke, die Reichen sollten mehr Steuern zahlen, als sie es derzeit tun und das inkludiert auch (meine Frau) Melinda und mich.“
Man muss aber gar nicht bis in die USA schauen, auch österreichische Reiche haben sich bereits für Vermögenssteuern ausgesprochen. So tritt etwa der Industrielle Hans Peter Haselsteiner schon seit längerem für eine Vermögenssteuer ein. Im Interview mit dem Trend vom April 2019 sagt er, man müsse nicht unbedingt links sein, um Vermögenssteuern zu fordern. Verfechter einer Vermögens- und Erbschaftssteuer ist auch der ehemalige Chef der Erstebank Andreas Treichl. Bei einer Veranstaltung im Oktober forderte er die Einführung einer Erbschaftssteuer, weil Erben keine Leistung sei.
Trotz aller Argumente und prominenten Befürworter hält sich unter Österreichs Politikern immer noch hartnäckig der Mythos, eine Vermögenssteuer würde den Mittelstand treffen, käme einer Enteignung gleich und würde daher von der österreichischen Bevölkerung abgelehnt. Wir wollten es genau wissen und haben daher die ÖsterreicherInnen und Österreicher selbst gefragt, wie wichtig ihnen mehr Verteilungsgerechtigkeit ist und wie sie über Vermögenssteuern denken. Die Ergebnisse waren mehr als eindeutig pro Vermögenssteuern.
„Mit den Einnahmen aus einer Vermögenssteuer könnte man jedes Jahr 40.000 Sozialwohnungen bauen.“
Markus Marterbauer, AK-Chefökonom
Laut Befragungsergebnissen rangiert die Sorge über die zunehmende „Schere zwischen Arm und Reich“ unmittelbar hinter der Sorge um „Klima und Erderwärmung“ an zweiter Stelle. Fast 80 Prozent der Befragten machen sich deshalb große bzw. gewisse Sorgen. Sogar 90 Prozent der Befragten haben den Eindruck, dass sich sehr reiche Personen politischen Einfluss erkaufen können. 73 Prozent der Befragten halten es für gerechtfertigt, dass Vermögensanteile über einer Million Euro besteuert werden. Genauso wird das für die Besteuerung von Millionenerbschaften gesehen. 72 Prozent der Befragten befürworten auch eine Beteuerung von Milionenerbschaften.
Reich durch Erben
Auf die Frage, ob Vermögen durch harte Arbeit oder durch Erbschaft entsteht, gab es eine deutliche Antwort. 80 Prozent der Befragten gaben an, reich werden könne man nur durch Erbschaften. Überhaupt nur 20 Prozent der ÖsterreicherInnen glauben, dass man durch harte Arbeit zu einem Vermögen kommen kann. Auf die Frage nach der Steuerbelastung von Normalverdienern im Vergleich zu sehr reichen Personen gaben 75 Prozent an, dass Normalverdiener vergleichsweise viel Steuern zahlen. Bei der Frage nach der Steuerbelastung in Relation zum Einkommen gab eine große Mehrheit an, dass multinationale Konzerne zu wenig Steuern zahlen, während Klein- und Mittelbetriebe sowie ArbeitnehmerInnen zu viel zahlen. Bei der Frage nach befürchte ten Folgen einer Steuersenkung rangiert die Sorge um Einsparungen im Gesundheitsbereich an erster Stelle, gefolgt von Bildung, Pensionen und Pflege. Klar ist auch die Antwort auf die Frage, ob Superreiche einen gerechten Anteil am Steueraufkommen leisten. 80 Prozent sagen dazu Nein.
„Wir müssen uns die Frage stellen, ob wir in einer Gesellschaft leben wollen, in der sich Milliardäre Medien Kaufen können.“
Barbara Teiber, GPA-djp-Vorsitzende
Faire Gegenfinanzierung
Die postive Stimmung der ÖsterreicherInnen gegenüber Vermögessteuern fand bisher auch im türkis-grünen Regierungsprogramm keinen Niederschlag, obwohl die Regierung eine Reihe von Maßnahmen geplant hat, deren Finanzierung schon damals unklar war. In der aktuellen Krise und angesichts der zu erwartenden steigenden Arbeitslosenzahlen erhöht sich die Dringlichkeit abseits der Steuern auf Arbeit nach alternativen Finanzierungsmöglichkeiten für jetzt notwendigen Maßnahmen zu suchen.
4 Milliarden Einnahmen
Eine Vermögenssteuer ab einer Million Euro mit einem Steuersatz von 1 Prozent brächte Einnahmen von etwa vier Milliarden Euro. „Damit kann man unglaublich viel Positives machen“, ist auch der Chefökonom der Arbeiterkammer Markus Marterbauer überzeugt. „Mit vier Milliarden Euro können jedes Jahr 100.000 neue Kindergartenplätze geschaffen, die Öffnungszeiten ausgeweitet, das zweite Gratis-Kindergartenjahr eingeführt, die Löhne der BetreuerInnen erhöht werden, rechnet er im Interview vor. Genauso könnte man mit den Einnahmen einer Vermögenssteuer 40.000 neue Sozialwohnungen bauen oder den Eingangssteuersatz in der Lohnsteuer auf zehn Prozent senken. Man könnte jedes Jahr fünf Kilometer U-Bahn bauen, 80 Kilometer Straßenbahn, 2.000 Kilometer Radwege. „Vier Milliarden Euro sind unglaublich viel Geld für eine produktive Verwendung und all diese Maßnahmen würden den 99 Prozent zu Gute kommen. Das wäre also eine gewaltige Umverteilung des gesellschaftlichen Wohlstands“, ist Marterbauer überzeugt.
Überreiche kaufen Politik
Die IFES-Befragung zeigt klar: Die Bevölkerung weiß, dass das Steuersystem ungerecht ist und dass sich die Vermögenden auch politischen Einfluss erkaufen. Nicht nur Gerechtigkeitsaspekte und ökonomischen Vernunft sprechen daher für eine höhere Besteuerung von Millionären. Die zunehmende Vermögensschieflage hat auch gefährliche demokratiepolitische Aspekte. „Wir müssen uns die Frage stellen, ob wir in einer Gesellschaft leben wollen, in der sich Milliardäre Medien kaufen und gefügig machen können und ob durch großzügige Spenden Politik etwa im Hinblick auf die Ausgestaltung unseres Steuersystems beeinflusst werden kann“, so Barbara Teiber. Eine lebendige und soziale Demokratie brauche jedenfalls eine Politik, die die Interessen der Mehrheit der Bevölkerung im Auge hat, und dazu gehören gerechte Steuern.