Christian Wersonik braucht als Vorsitzender des Angestelltenbetriebsrates der Sappi Austria Produktions-GmbH in Gratkorn persönliche Gespräche, um agieren, anstatt reagieren zu können. Solidarität sieht er als wichtigen Wert, der auch der jungen Generation bewusstgemacht werden müsse.
Um für qualifizierte Arbeitskräfte attraktiv zu bleiben, brauche es im Unternehmen ein soziales Rückgrat und im Falle von Mehrarbeit eine kollektivvertragliche Wahlmöglichkeit zwischen Geld und Freizeit für alle Beschäftigten.
Christian Wersonik geht mit seiner kommunikativen, freundlichen Art gerne auf Menschen zu und ist auch bereit, die daraus entstehenden beruflichen Verbindlichkeiten und Verpflichtungen anzunehmen und abzuarbeiten. Als Betriebsratsvorsitzender vertritt er die Interessen von 357 Angestellten von Sappi in Gratkorn, dem größten produzierenden Standort der Sappi Gruppe in Europa, wo insgesamt über 1.000 MitarbeiterInnen mit der Herstellung von mehrfach gestrichenen grafischen Papieren sowie von Spezialpapieren wie Flaschenetiketten beschäftigt sind.
Christian kennt den Betrieb von jungen Jahren an. Vor mehr als 30 Jahren absolvierte er eine Lehre als Betriebsschlosser und war danach in der Produktion tätig. Es folgte eine Ausbildung zum Werkmeister, und in weiterer Folge absolvierte er noch die HTL für Wirtschaftsingenieurswesen in Graz. Während seiner Ausbildungszeit war er im Unternehmen im Bereich Utilities tätig. Danach wechselte er erneut in die Produktion und leitete als Werkführer eine Schichtgruppe, bis er 2015 als Produktionsingenieur in die Abteilung Utilities zurückkehrte.
Steile Karriere durch Bildung
Sich zu bilden und zu informieren war Wersonik auch weiterhin wichtig, 2014/2016 absolvierte er die gewerkschaftliche Abendschule und 2017/18 die gewerkschaftliche Ausbildung in der Sozialakademie in Wien. Obwohl die 10-monatige Ausbildung „familientechnisch eine Herausforderung war“, weiß er die Schulung zu schätzen: „Diese Fortbildung war ein wahres Geschenk, das ich nicht missen möchte und ist keine Selbstverständlichkeit, denn die Ausbildung wird aus Beitragsgeldern finanziert.“
Wissen und Kommunikation sind die beiden Eckpfeiler, auf die Wersonik im Arbeitsleben Wert legt. Die Betriebsratswahlen und die Organisation des Betriebsrates erfolgen transparent und basisdemokratisch: „Wir schreiben die Wahl jedes Mal aus und ersuchen zunächst jede Abteilung zwei Personen zu nominieren, die das Vertrauen der Belegschaft genießen.“ Diese Vertrauenspersonen befinden sich „mitten im sozialen Gefüge und trauen sich auch, die Interessen der jeweiligen Abteilung beim Chef oder der Chefin zu vertreten.“ Weil sieben Mandate zu vergeben sind und jede/r Wahlberechtigte sieben Namen deklarieren kann, die dann auf die Liste für die Betriebsratswahl kommen, ist für Wersonik sichergestellt, dass „immer engagierte KollegInnen auf die Liste kommen und die Bestellungen dieser völlig transparent ablaufen.“ Den BetriebsrätInnen gibt dieses Wahlverfahren die Sicherheit, persönlich mit einer gewissen Anzahl an Stimmen gewählt worden zu sein: „Das ist auch dem Management bewusst und bei vielen Diskussionen ist das für uns als BetriebsrätInnen ein großer Vorteil.“
„Viele KollegInnen sind mit konkreten Anliegen zu mir gekommen und haben bekräftigt, dass sie mir vertrauen und auf mich zählen.“
Christian Wersonik
Wersonik selbst wurde von MitarbeiterInnen seiner Abteilung als Vertrauensperson nominiert. Als erstes Projekt hat er die Umsetzung einer Dienstkleidungs-Regelung begleitet, die mit einem klassischen Kompromiss für alle tragbar wurde.
Wersonik bekam von einer Wahl zur nächsten mehr Stimmen und zahlreichen persönlichen Zuspruch: „Viele KollegInnen sind mit konkreten Anliegen zu mir gekommen und haben bekräftigt, dass sie mir vertrauen und auf mich zählen.“ Obwohl ihn diese starke Erwartungshaltung zeitweise ein wenig bedrängt hat, war dem Gewerkschafter klar, dass er sich dieser Verantwortung und Wertschätzung stellen wollte. 2019 übernahm er den Vorsitz des Angestelltenbetriebsrates am Standort Gratkorn.
Beim Infofluss gibt es Luft nach oben
Seine Gesprächsbasis zum Management beschreibt Wersonik als offen und ehrlich: „Wir haben niemals Krieg, das Gespräch steht immer an erster Stelle.“ Obwohl er sich als Betriebsrat immer akzeptiert gefühlt hat, sieht er für seine Rolle als Informationsdrehscheibe noch Luft nach oben: „Ich wünsche mir noch mehr Austausch. Immer wieder erlebe ich Situationen, in denen erkennbar ist, dass ich nicht als erster informiert wurde.“
Aktuell geht es dem Vorsitzenden darum, in den Diskussionen, um Standortsicherung und Beschäftigung am Ball zu bleiben. Informiert bleibt Wersonik auch durch seine Funktion als stellvertretender Vorsitzender des Europäischen Betriebsrates im Konzern: „Was ich mache, geht in die richtige Richtung. Das macht mich stolz.“
Der informelle Austausch mit den Kolleginnen und Kollegen ist für Christian Wersonik extrem wichtig: „Oft bräuchten die KollegInnen einfach nur jemanden, bei dem sie ihre Ängste und Sorgen loswerden können oder jemanden zum Erden.“ Das pandemie-bedingte Homeoffice hat Teile der Kollegenschaft, die nicht in der Produktion arbeiten, von den Teams stark entfernt: „Es gibt keine Pausen- oder Küchengespräche mehr, so verliert man relativ rasch den Zugang zueinander.“ MitarbeiterInnen im Homeoffice mit ihren Bedürfnissen und Befindlichkeiten zu erreichen, ist für Wersonik eine große Herausforderung: „Ich brauche den persönlichen Kontakt, um ein `Blitzlicht` zu kriegen, was sich in der Abteilung gerade tut und wie es den KollegInnen dabei geht.“ Der Betriebsrat bekommt so viel weniger Infos als gewohnt und bedauert: „Oft kann ich in solchen Fällen nicht mehr rechtzeitig agieren und Probleme entschärfen, sondern nur noch reagieren.“
„Ich erkläre den KollegInnen wofür der Betriebsrat steht.“
Christian Wersonik
Solidarität ist Wersonik ein besonderes Anliegen. Durch entsprechende Bildungsangebote sollte dieser Wert auch der jungen Generation nachhaltig vermittelt werden. Seit er im Amt ist, macht der kommunikative Betriebsrat mit jedem/r MitarbeiterIn ein betriebsrätliches „On-Boarding“, und bringt dabei ins Bewusstsein was der Betriebsrat macht und wofür er steht: „Man muss das System verstehen und wertschätzen, um es mittragen zu wollen.“
Abseits dieser Gespräche hat der Gewerkschafter ein zweites, härteres Gesicht, jenes des Verhandlers bei den Kollektivvertragsverhandlungen für die Papierindustrie und ein gesundes Bewusstsein für die betriebswirtschaftlichen Notwendigkeiten im globalen Wettbewerb: „Wir brauchen einen attraktiven Kollektivvertrag, um vom Arbeitsmarkt gute Arbeitskräfte und Know-How TrägerInnen anziehen und halten zu können. Qualifizierte MitarbeiterInnen suchen auch nach einem guten Teamgefüge und nach Führungskräften mit sozialem Rückgrat.“
Handlungsbedarf sieht Wersonik, der sich selbst als Perfektionisten beschreibt, bei der kollektivvertraglichen Absicherung zusätzlicher Freizeit: „Geld alleine macht einen Betrieb schon lange nicht mehr attraktiv. Wir pochen auf ein Recht der MitarbeiterInnen, im Falle von Überstunden zwischen zusätzlicher Bezahlung und Freizeit frei wählen zu können.“
Zur Person
Christian Wersonik ist verheiratet und hat zwei Töchter im Alter von 22 und 11 Jahren. Aufgewachsen ist er in der Nähe des Zisterzienserstiftes Rein in Gratwein-Straßengel, aktuell wohnt er in Graz, nahe der Mur.
In seiner Freizeit versucht der „begnadete Handwerker alles zu reparieren, was möglich ist“ und betreut eine kleine, feine Landwirtschaft in der Südost-Steiermark, der Heimat seiner Mutter. Schifahren, wandern und campen gehören zu seinen Lieblingsaktivitäten in der Natur.