Man hört es oft: Deutschland zeigt vor, wie es geht. Im Falle des Pensionssystems ist Deutschland aber ein Beispiel dafür, wie man es nicht machen soll.
In Deutschland hat man den Weg beschritten, den auch in Österreich viele fordern: Die öffentlichen Pensionen wurden gekürzt und betriebliche und private Pensionen steuerlich gefördert. Mittlerweile hat man in Deutschland ein Pensionsniveau, das etwa halb so hoch ist wie in Österreich. Nun schlägt sogar die christdemokratische CSU vor, den Retourgang einzulegen, die 2001 beschlossenen Pensionskürzungen rückgängig zu machen und die privaten Riester-Renten stoppen. Die „Neoliberalisierung“ des vorigen Jahrzehnts sei gescheitert. Die deutschen Renten seien so stark gekürzt worden, dass viele Menschen trotz jahr-zehntelanger Beitragszahlung im Alter unter der Armutsgrenze bleiben werden. Deutsche Versicherte, die 2.500 Euro brutto im Monat verdienen und 35 Jahre Vollzeit arbeiten, bekommen eine „Pension“ von nur 688 Euro! In Österreich erhält man im selben Fall eine Nettopension von 1.335 EUR. Die CSU befürchtet, dass etwa die Hälfte der Bevölkerung in der Sozialhilfe landen würde. Dies betreffe besonders Frauen. Bei einer neuen Reform müsse daher die gesetzliche Rente im Zentrum stehen. Die Riester-Rente sei gescheitert. Nicht einmal die Hälfte der Bevölkerung sorge privat fürs Alter vor. Auch die SPD, die diese Kürzungen durchsetzte, sieht das nun ein: SPD-Vize Stegner bringt das Problem der privaten Zusatzrenten auf den Punkt: „Wer die Riester-Rente bräuchte, kann sie sich nicht leisten, und wer sie sich leisten kann, braucht sie nicht.“
Der Vergleich macht sicher
Die deutsche Böcklerstiftung hat das österreichische und deutsche Pensionssystem in einer Studie verglichen. Die Ergebnisse sind eindeutig. „Der Vergleich zeigt, dass das österreichische System einen deutlich besseren Schutz im Alter durch höhere Leistungen gewährleistet.“ Ein wichtiger Grund für das schwächere Abschneiden des deutschen Alterssicherungssystems besteht darin, dass sich die Erwartungen, die mit einem teilweisen Umstieg auf Kapitaldeckung verbunden waren, nicht erfüllt haben. Die drastischen Rentenkürzungen werden durch die kapitalgedeckte „zweite“ (betriebliche Altersvorsorge) und „dritte“ (Riester-Rente) Säule nicht ausgeglichen. Die Privatpensionen sind durch hohe Gebühren, stetig sinkenden Garantiezinsen und zu niedrige Renditen gekennzeichnet. Sie können die Lücken in der gesetzlichen Rente nicht ausgleichen.
Das zeigen auch OECD-Vergleichsrechnungen allzu deutlich. Die OECD errechnet in Fallbeispielen das Pensionsniveau, das man erhält, wenn man 45 Jahre arbeitet, das Durchschnittseinkommen erzielt und zum Regelpensionsalter in Pension geht. Die OECD vergleicht die Pension, die man bekommen wird, mit dem jeweiligen Arbeitseinkommen. Österreich weist ein zukünftiges Pensionsniveau von 78,1 % brutto und 91,6 % netto aus. In Deutschland ist das zukünftige Rentenniveau weitaus niedriger: 37,5 % brutto und 50,0 % netto. Die WSI-AutorInnen kommen zum Schluss: Die Erfahrungen aus Österreich zeigen, dass eine starke öffentliche Alterssicherung bessere Ergebnisse bringt.
3-Säulen-Modell hemmt Mobilität
„Mehr Säulen bringen mehr Sicherheit.“ Mit diesem scheinbar logischem Befund wird Kürzungen der öffentlichen Pensionen und Förderungen für Zusatzpensionen das Wort geredet. Das Bild wirkt auf den ersten Blick überzeugend, auf den zweiten Blick erkennt man aber: Es ist falsch. Das zeigt nicht nur das Beispiel Deutschlands. Denn Betriebspensionen und Privatpensionen gibt es für die meisten Menschen nicht. Und außerdem setzen sie die Menschen den unkalkulierbaren Finanzmarktrisiken aus. Die Pensionen werden nicht sicherer, wenn man sie von drei statt einer Stelle bezieht. Volkswirtschaftlich betrachtet ist ein Pensionssystem, das mit drei Säulen (= drei Verwaltungsapparate) dieselbe Funktion erfüllt, wie bislang die gesetzliche Pensionsversicherung allein sicher nicht kostengünstiger, sondern teurer. Der Vorteil des niedrigen Verwaltungsaufwands in der Sozialversicherung würde preisgegeben.
Gleichzeitig würden für viele Menschen Lücken entstehen: In der zweiten Säule, der betrieblichen Pensionsvorsorge, werden nur Zeiten der Erwerbstätigkeit in jenen Betrieben erfasst, die betriebliche Pensionen anbieten. Das trifft aber nur auf eine Minderheit der ArbeitnehmerInnen in Österreich zu. Hinzu kommt, dass im Gegensatz zur solidarischen Pensionsversicherung Perioden der Arbeitslosigkeit, der atypischen Beschäftigung oder der Kindererziehung nicht berücksichtigt werden. Das ist der zentrale Vorteil von öffentlichen Pensionssystemen: es sind alle Erwerbstätigen erfasst. Und jeder Arbeitgeber muss ab dem Beginn jeder Beschäftigung Pensionsversicherungsbeiträge abführen. Es gibt keine Lücken in der Absicherung. Anders bei Betriebspensionen: Erstens haben die meisten Arbeitgeber keine Betriebspensionsregelungen, und zweitens muss man meist ein paar Jahre beim selben Arbeitgeber durchgehend beschäftigt sein, um einen Anspruch auf Betriebspensionen erworben zu haben. Arbeitgeber sehen Betriebspensionsregelungen nämlich weniger als sozialpolitisches denn als personalpolitisches Instrument.
Die dritte Säule, die freiwillige Altersvorsorge, ist allein von den ArbeitnehmerInnen zu finanzieren, der Arbeitgeber zahlt keine Beiträge. Das 3-Säulen-Modell ist also Ausdruck eines Konzepts, das auf weniger gesellschaftlichem Ausgleich und vermehrtem Risiko für die Einzelnen beruht. Die starke Gewichtung der öffentlichen Pensionen in Österreich ist so gesehen kein Nachteil, sondern ein Vorteil. Sie gewährleistet, dass die Absicherung im Alter nicht davon abhängt, bei wie vielen verschiedenen Arbeitgebern man beschäftigt war. Entscheidend ist die Anzahl der Versicherungsjahre, unabhängig davon, ob diese beim selben Arbeitgeber oder bei vielen geleistet wurden. Ein gut ausgebautes öffentliches Pensionssystem erleichtert daher die Mobilität der ArbeitnehmerInnen. Denn ein Arbeitsplatzwechsel bedeutet keinen Nachteil bei der Altersvorsorge.
Hier geht’s zur Studie:
www.boeckler.de