Ausdauer und auch das Aufhörenkönnen zeichnen Franz Georg Brantner aus. Franz Georg Brantner hat mit 50 Jahren seinen ersten Marathon absolviert. Als Chefverhandler des zuletzt knapp, aber erfolgreich abgeschlossenen neuen Handels-Kollektivvertrags zieht er sich künftig zurück.
Speziell rund um die Weihnachtszeit sind Handelsangestellte nicht zu beneiden. Auch wegen der mehr schlechten als echten Weihnachtslieder, die permanent aus den Lautsprechern der Geschäfte und Einkaufszentren trällern. Viele versuchen, irgendwann gar nicht mehr hinzuhören – und sind froh, wenn diese Art der Umweltverschmutzung durch Lärm endlich wieder aufhört. Zu ihnen zählt auch Franz Georg Brantner. Er hat entscheidend dazu beigetragen, dass rechtzeitig eine Art finanzieller Weihnachtsfriede in einer Branche mit fast einer halben Millionen Beschäftigten einkehrt.
Als Vorsitzender des Wirtschaftsbereichs Handel in der zuständigen Gewerkschaft der Privatangestellten-Druck, Journalismus, Papier (GPA-djp), führte Brantner gemeinsam mit Anita Palkovich, der verantwortlichen Wirtschaftsbereichssekretärin in der GPA-djp, in den Verhandlungen über den jährlich anzupassenden Kollektivvertrag (KV) das Team auf der Seite der ArbeitnehmerInnen an. Und diesmal dauerten die KV-Verhandlungen ungewöhnlich lange bis Mitte Dezember 2018.
Doch Marathon-Verhandlungen – fünf Gesprächsrunden mit den ArbeitgebervertreterInnen waren seit Herbst notwendig, wobei normalerweise schon nach der dritten Runde eine Tarif-Einigung am Tisch liegt – lassen den Ausdauersportler und Hobby-Marathon-Läufer Franz Georg Brantner unbeeindruckt. Und das ist auch gut so. Für die etwa 407.000 Angestellten und 15.000 Lehrlinge im Handel.
Nie selbst zufrieden und immer ehrgeizig genug sein – diese Eigenschaften erlauben es Brantner als Chefverhandler für eine heterogene Gruppe, die den Lebensmittelhandel genauso umfasst wie den Pharma- und den Industriehandel wie den Einzelhandel, auch kritische Bemerkungen von der „Gegnerseite“ oder manchen Medienberichten wegzustecken. „Wir geben wirklich alles“, sagt er im Interview mit der KOMPETENZ. Beginnend mit Oktober gibt es zwischen den Verhandlungsterminen mannigfache Aktivitäten sowie Feedback-Schleifen bei den BetriebsrätInnen. „Nach manchen Verhandlungsabenden weiß ich nicht einmal mehr, welchen Wochentag wir haben. Dann kann ich auch gar nicht einschlafen, weil mein Adrenalin-Spiegel so hoch ist.“ Das ist an sich gut für Langstreckenläufer wie Brantner. Vor allem auch für die ab 1. Jänner geltenden neuen Tarife und deren EmpfängerInnen hat sich das wieder ausgezahlt.
3,2 Prozent für niedrige Einkommen
Viele Medien berichteten verkürzt lediglich über die Gehaltserhöhung und kritisierten, dass diese nur 2,5 Prozent betrage, obwohl die Teuerungsrate teilweise darüber liege. Tatsache ist, dass es für die niederen Gehaltsgruppen ein Plus von 3,2 Prozent gibt, da die kollektivvertraglichen Gehälter um mindestens 48 Euro steigen. Das ergibt durchgerechnet für die gesamten Gehaltstafeln eine Zunahme von 2,83 Prozent. Die Lehrlingsentschädigungen werden für 2019 um mehr als acht Prozent erhöht, und zwar auf 650 Euro im ersten Lehrjahr, 820 im zweiten, 1.000 im dritten und 1.150 Euro im vierten Lehrjahr. 2020 sollen die Lehrlingsentschädigungen dann auf 700, 900, 1.100 und 1.200 Euro steigen. Damit zufrieden zeigten sich sowohl die ArbeitnehmerInnen-Seite als auch die Vertretung der Wirtschaft; diese hofft, damit die Branche wieder attraktiver zu machen für Lehrlinge.
Wichtig ist GPA-djp-Chefverhandler Franz Georg Brantner angesichts des „Arbeitszeitverschlechterungsgesetzes der Regierung“, wie er die Ermöglichung des 12-Stunden-Tages nennt, dass außerdem im Rahmenrecht des Handels-KVs ein Rechtsanspruch auf die 4-Tage-Woche (nicht zusammenhängend) bei 10 Stunden täglicher Normalarbeitszeit durchgesetzt wurde. Das wurde in der Berichterstattung bisher wenig erwähnt. Dagegen findet die GPA-djp, dass es mit dem Inkrafttreten des Arbeitszeitverlängerungsgesetzes am 1. September 2018 dringend notwendig sei gegen zu steuern.
Verbesserungen im Rahmenrecht
Der Handels-KV sieht künftig zudem das Recht auf Altersteilzeit und auf Bildungskarenz unter bestimmten Voraussetzungen vor – der Betriebsrat wird in die Lösungsfindung eingebunden, sollte es Ablehnung von Unternehmerseite geben. Auch wird die Anrechnung von Karenzzeiten künftig im Ausmaß von 24 Monaten auf dienstzeitenabhängige Ansprüche (wie Jubiläumsgeld, 6. Urlaubswoche, Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall und Kündigungsfrist) umgesetzt. Hinzu kommt, dass die Geschäfte am 24. Dezember ab 2019 bereits um 13 Uhr anstatt wie bisher um 14 Uhr schließen. Dies bringt für alle Angestellten im Handel eine Stunde mehr Familienfreizeit am Heiligen Abend.
„Das beste Wirtschaftsförderprogramm ist, möglichst viel Geld in die Hände von ArbeitnehmerInnen zu geben, dort ist es am besten aufgehoben, weil sie es auch wieder ausgeben. Davon würde gerade der Handel bedeutend mehr profitieren als eine Sonntagsöffnung, die primär den großen Handelsketten nützen, aber keinen zusätzlichen Umsatz generieren würde.“ Diese Meinung vertritt Franz Georg Brantner auch in seiner Funktion als Sprecher der „Allianz für den freien Sonntag“. Die Ernennung weiterer „Tourismuszonen“, damit insbesondere in der Bundeshauptstadt mehr Geschäfte sonntags offen halten, lehnt er daher kategorisch ab.
Strukturelle Probleme
Natürlich sieht auch die ArbeitnehmerInnen-Vertretung die strukturellen Probleme in der Branche wie den Trend zum Onlinehandel. Allerdings sei es falsch zu glauben, man könne durch niedrige Gehälter diese Probleme lösen. Vielmehr brauche es als Zukunftsstrategie im Handel motivierte und besser bezahlte Angestellte, so Brantner. Und er sieht auch die Altersteilzeit als wichtigen Teil des neuen KV-Pakets. Unternehmen wollen den Wunsch danach oft nicht erfüllen. Aber gerade um in Österreich verstärkt das Regelpensionsalter zu erreichen, sei das eine wichtige Maßnahme. Für die sich Franz Georg Brantner, Jahrgang 1960, selbst zu interessieren scheint.
„Ich will der Gewerkschaft meine besten Jahre zur Verfügung stellen.“ Das sei immer seine Devise gewesen, betont er. Vor 24 Jahren, nachdem er vom Auto-Konzern General Motors in den Pharma-Großhandel zur Herba Chemosan Apotheker AG gewechselt hatte, stieg er in die aktiv Gewerkschaftstätigkeit ein und wurde im ersten Anlauf zum Betriebsrat gewählt. Wobei ihn die Tätigkeit in der GPA – „meine Gewerkschaft“ – seit jeher bestärkt hat in seiner täglichen Arbeit als mittlerweile freigestellter Betriebsratsvorsitzender in der Arzneimittelfirma. Er vergleicht es mit einer Tankstelle, „Zhaus is a Tankstö“ zitiert er eine Liedzeile von Ostbahn Kurti.
Im Frühjahr 2019 beginnt Brantner seinen schrittweisen Rückzug als Handels-KV-Chefverhandler. Regionalvorsitzender der GPA-djp Wien bleibt er vorerst. Gefragt nach seiner Wunsch-Nachfolge, sagt er nur, darüber wolle er nicht laut nachdenken. Klar ist aber: Der Handel ist eine von Frauen dominierte Branche.