Der Endbericht zur Aktion 20.000, die mit Jahresbeginn 2018 von der türkis-blauen Regierung gestoppt wurde, ist immer noch nicht veröffentlicht. Ein Zwischenbericht sowie Einzelfälle zeigen, dass das Ziel, die Arbeitslosigkeit von über 50-Jährigen zu senken, eindrucksvoll erreicht wurde.
Der 56-jährige Hans Speringer ist ein Paradebeispiel dafür, wie ältere Arbeitnehmer mithilfe der Aktion 20.000 wieder am Arbeitsmarkt Fuß fassen könnten. Der gelernte Immobilienmakler und Bauträger lebte viele Jahre lang auf Zypern und verwaltete dort im Auftrag des Österreichischen Bundesheeres den Immobilienbesitz der Vereinten Nationen. „Ich war für die Erhaltung von über 800 Objekten, das waren Gebäude, aufgelassene Flughäfen und zahlreiche Straßen, verantwortlich“, erzählt der eloquente Mann. In der täglichen Arbeit war ein hohes Maß an Selbstständigkeit gefordert. „Ich musste direkt mit Regierungsvertretern verhandeln, die Erhaltung der Objekte organisieren, das Budget aufstellen, Reparaturen und Spezifikationen schreiben und diese auch kontrollieren“, beschreibt Speringer.
Aus privaten Gründen kehrte er mit seiner Frau und zwei Kindern nach Österreich zurück und hatte Schwierigkeiten, hier einen Job zu finden. „Ich habe innerhalb von fünf Jahren hunderte Bewerbungen abgeschickt. Maximal 15 Prozent der angeschriebenen Firmen haben es überhaupt der Mühe wert gefunden, mir abzusagen. Ein einziges Mal wurde ich zu einem Gespräch eingeladen“, erzählt Speringer. Zunehmend hatte er das Gefühl, aufgrund seines Alters klassifiziert zu werden: „Offenbar wandern Bewerbungen mit gewissen Geburtsdaten sofort in die Rundablage. Man konnte oder wollte sich mich nicht leisten.“ Facility Management war vielen Firmen noch kein Begriff, oft wurde Speringer als überqualifiziert abgelehnt. „Wo sollen ältere Arbeitnehmer mit großer Berufserfahrung denn arbeiten, wenn die Firmen dieses Fachwissen nicht schätzen, sondern sich vor hohen Personalkosten drücken wollen?“, fragte sich Speringer.
Arbeitslosigkeit brachte spürbare Einschränkungen
Die Situation war unangenehm. Vor allem bei Besuchen von Verwandten oder Bekannten kam Speringer in Erklärungsnotstand. Sich selbst beschreibt er zwar als emotional sehr ruhig doch er habe auch joblose Leidensgenossen kennengelernt, die unter der Situation seelisch sehr gelitten hätten: „Die lange Arbeitslosigkeit ist mit einem gewissen Minderwertigkeitsgefühl verbunden.“ Bald stellten sich finanzielle Probleme ein. Vom Arbeitslosengeld auf die Notstandshilfe reduziert, konnte die Familie ihr Auto nicht mehr halten. „Ich habe viel Zeit und Geld in die Bewerbungen investiert und wurde mit der Kürzung noch dafür bestraft“, bekrittelt Speringer. Die Wohnsituation der Familie war glücklicherweise gesichert, sie konnten eine Einliegerwohnung eines Bekannten der Familie zu einem sehr günstigen Preis bewohnen. „Ich bin in all den Jahren, in denen ich arbeitslos war, um 6.30 Uhr aufgestanden, habe meine Kinder zur Schule gebracht, Administratives erledigt und im Haushalt mitgeholfen. Diese Strukturen waren mir wichtig“, so Speringer. Im täglichen Leben musste die Familie massive Abstriche, vor allem bei Lebensmitteln und Kleidung machen: „Ein Monat ist lange und auf dem Konto war nicht viel drauf. Aufgrund des Geldmangels konnten wir an vielem nicht teilnehmen, was das Leben in Europa bieten würde“, erzählt Speringer. Urlaube oder Freizeitaktivitäten waren praktisch unleistbar, was einen gewissen Unmut weckte: „Bei lebensnaher Betrachtung sind Waldspaziergänge als Freizeitaktivität keine Dauerlösung.“
Förder-Aktion brachte Stabilität
Die Wende brachte die Aktion 20.000. „Vor gut einem Jahr bekam ich vom AMS den Auftrag, mich im Industriemuseum Walzengravieranstalt in Guntramsdorf vorzustellen. Dort wurden Museumsführer für die Landesausstellung 2019 gesucht“, erzählt Speringer. Qualifiziert für den Job war er vor allem deswegen, weil er während seiner Arbeitslosigkeit bei einem Bekannten das Drehen und Fräsen erlernt hatte. Das Bewerbungsgespräch ging sofort in einen fachlichen Dialog über, in dem Speringer sein breites Wissen, auch im Bereich Immobilienverwaltung, darstellen konnte. „Drei Tage später erhielt ich einen Anruf, ich möge den Dienstvertrag unterschreiben kommen. Seit 1. Februar 2018 bin ich nun Vollzeit im Bauamt der Gemeinde Guntramsdorf beschäftigt und für das Gebäudemanagement verantwortlich“, erzählt der ehemals Langzeitarbeitslose. Die Verantwortlichen haben erkannt, dass Speringer jemand ist, der ein funktionierendes Facility Management aufbauen könnte, der auch das praktische Wissen dazu hat, wie so etwas funktioniert. Nun bereitet Speringer die Verwaltung des Anlagevermögens der Gemeinde auf und erstellt die erforderlichen Raum- und Objektbücher für die Buchhaltung. Der Vizebürgermeister von Guntramsdorf, Nikolaus Brenner, der die Einstellung forciert hat, ist sich sicher, einen Glücksgriff getan zu haben: „Wir sind sehr froh, dass wir Hans Speringer bei uns haben. Er hat sich von Anfang an äußerst professionell eingebracht und wir sind sehr zufrieden mit seiner Arbeit.“ Ohne die Aktion 20.000 wären Speringer und die Gemeinde beruflich wohl nie zusammengekommen.
Neben der finanziellen Besserstellung durch ein fixes Gehalt brachte die geregelte Anstellung für Speringer auch Zufriedenheit: „Arbeit gibt dem Leben eine andere Struktur. Die individuellen Bemühungen in Ausnahmezeiten der Arbeitslosigkeit sind nicht vergleichbar mit der Sicherheit und Sinnhaftigkeit einer klar umrissenen, festgelegten Tätigkeit.“ Speringer ist dankbar und glücklich, dass ihm in der Gemeinde die Gelegenheit gegeben wurde, wieder Fuß zu fassen: „Zu meiner großen Freude und Entzückung habe ich die Chance bekommen, mich hier nützlich zu machen.“ Das Ende der Aktion 20.000 beendet in seinem Fall zwar die Förderung des Dienstverhältnisses – der Zweck der langfristigen Integration eines Langzeitarbeitslosen in den Arbeitsmarkt wurde jedoch zielgenau erreicht.
Am Arbeitsmarkt Fuß fassen
Das Ziel der im Juli 2017 von der SPÖ/ÖVP Regierung gestarteten Aktion 20.000 war es, Langzeitarbeitslosen, die älter als 50 Jahre sind, über Förderungen einen Job in Gemeinden oder in gemeinnützigen Vereinen zu verschaffen, um sie wieder in den Arbeitsmarkt zu integrieren. Dies sollte über Subventionierungen der Lohn- und Lohnnebenkosten von bis zu 100 Prozent erreicht werden.
Über den Zeitraum von zwei Jahren wurden dafür insgesamt 778 Millionen Euro veranschlagt. Nach Abzug jener 578 Millionen Euro, die dem Bund durch die Verpflichtung zur Ausbezahlung des Arbeitslosengeldes und der Notstandshilfe an die betroffenen langzeitarbeitslosen Personen ohnehin entstanden wären, betrug der geschätzte Nettoaufwand für das Bundesbudget rund 200 Millionen Euro. Weitere Kostenersparnisse waren durch die Erhöhung der Erwerbsbeteiligung der Zielgruppe zu erwarten.
Zwischenbericht brachte ermutigende Ergebnisse
Ende 2017 wurde vom Sozialministerium ein erster Zwischenbericht mit ermutigenden Ergebnissen veröffentlicht. Von Juli bis Dezember 2017 fanden österreichweit 4.300 ältere Jobsuchende durch die Aktion aus der Arbeitslosigkeit.
Die Zahl der älteren Langzeitbeschäftigungslosen über 50 Jahre sank in diesem Zeitraum im Durchschnitt der Modellregionen um -1,4 Prozent. In den übrigen Regionen Österreichs, in denen die Aktion 20.000 noch nicht angelaufen war, stieg dieser Wert um +6,1 Prozent. In einzelnen Regionen waren die Auswirkungen beeindruckend: Im Bezirk Voitsberg ging der Bestand an vorgemerkten langzeitbeschäftigungslosen Personen im Alter 50+ um 45,2 Prozent zurück, in Deutschlandsberg betrug der Rückgang 27,6 Prozent. Auch die Modellregionen Bischofshofen in Salzburg, Oberwart im Burgenland sowie Villach und Villach-Land in Kärnten konnten die Langzeitarbeitslosigkeit dieser Altersgruppe um über 10 Prozent senken.
Die Bandbreite der vermittelten Berufe war breit. Neu geschaffene Stellen fanden sich in den Bereichen Hausarbeit, kaufmännische Sachbearbeitung, Hilfsarbeit, Haustechnik, Büro und Kinderbetreuung. Und sie waren nachhaltig: Die Zahl der vorzeitig beendeten Arbeitsverhältnisse, die durch die Aktion 20.000 vermittelt wurden, war laut Zwischenbericht auffallend gering.
Die Trendwende schien greifbar, der bundesweite Start der Aktion war nach Ende der Pilotphase mit 1.1. 2018 geplant. Doch Sozialministerin Beate Hartinger-Klein hat das Projekt per Weisung mit Anfang 2018 gestoppt. Als offizielle Begründung wurde verlautbart, dass eine Evaluierung des Projektes notwendig sei. Zwei Studien, die insgesamt 246.342 Euro gekostet haben, wurden durchgeführt, deren Ergebnisse jedoch noch nicht öffentlich gemacht. Auf eine parlamentarische Anfrage zu den Ergebnissen, antwortete das Sozialministerium, dass diese „der internen Verwendung“ dienen würden.
Langzeitarbeitslosigkeit bleibt ein Problem
Die Arbeitslosenquote für über 50-Jährige lag im Juni 2018 mit 7,8 Prozent (Frauen: 7 Prozent, Männer: 8,4 Prozent) immer noch deutlich über der allgemeinen Quote von 6,8 Prozent (Frauen: 6,9 Prozent, Männer: 6,7 Prozent). Betroffen sind österreichweit rund 50.000 Menschen, die arbeiten wollen, aber aufgrund ihres Alters keinen Job finden. Die Langzeitarbeitslosigkeit zu verhindern bzw. zu verringern und die Integration von am Arbeitsmarkt benachteiligten Menschen bleibt laut Beschluss des AMS-Verwaltungsrates vom Juli 2018, weiterhin ein Ziel des Arbeitsmarktservice.
In Deutschland wurde unterdessen ein ähnliches Projekt beschlossen, um 150.000 Langzeitarbeitslose in sozialversicherungspflichtigen Jobs anzustellen.