Die Pandemie hat gezeigt, dass wir bei der Gleichstellung der Geschlechter einer Illusion aufgesessen sind: Frauen sind zwar zunehmend erwerbstätig, erledigen aber trotzdem mehr Hausarbeit und Kinderbetreuung. Eine Studie von Katharina Mader und ihren Kolleginnen zeigt eindrucksvoll, wie sich Home-Office auf die Arbeitsteilung bei Paaren auswirkt – und wie wenig sich an den alten Rollenbildern geändert hat.
Während des ersten besonders strengen Lockdowns der Corona-Krise im Frühjahr 2020 fiel plötzlich in den Haushalten extrem viel Arbeit an, die normalerweise ausgelagert werden konnte: Kindergärten und Schulen waren geschlossen, die Großeltern konnten nicht einspringen, die Putzfrau kam nicht mehr, usw.
Diese Situation bot die Möglichkeit, den Effekt von Home-Office auf die Verteilung unbezahlter Arbeit in Haushalten zu untersuchen. Die Ökonomin Katharina Mader von der WU Wien hat – zusammen mit ihrem Team und in Kooperation mit der AK Wien – diese einmalige Gelegenheit ergriffen um nachzuforschen, wie sich solche besonderen Umstände auf die Arbeitsteilung in Haushalten auswirken und was genau sich verändert. Mittels eines Fragebogens wollten die Forscherinnen herausfinden: Wer kümmert sich wie lange um die Kinder, wer putzt und kocht, wer betreut ev. die Großeltern, usw.?
Home-Office wird gerne als eine Möglichkeit gesehen, die Frauen die Vereinbarkeit von Kinderbetreuung und Beruf erleichtern kann. Ob und in welchem Ausmaß, das der Fall ist, konnte davor in Österreich noch nicht systematisch untersucht werden.
Es gab, so Katharina Mader, zu Beginn des Projekts zwei grundlegende Hypothesen: Zum einen würden Männer im Home-Office nun sehen, wie viel Zeit ihre Frauen für Haushalt und Kinder aufwenden und wären dann – so die optimistische Annahme – eher bereit, mehr von dieser unbezahlten Arbeit zu übernehmen. Manche ÖkonomInnen dachten daher zu Beginn der Pandemie sogar, dass diese als „Gleichmacherin“ wirken werde.
Zum anderen aber wissen wir aus der Vergangenheit, dass Krisen traditionelle Rollenbilder verstärken, wo der Mann der Familienernährer ist und die Frau sich um Haushalt und Kinder kümmert. Die Krise würde daher, so die pessimistische Annahme, einen Rückschritt, ein sog. Roll-back, mit sich bringen. Noch dazu war es in Österreich auch schon vor der Krise so, dass tendenziell der Mann der „Ernährer“ war und die Frau die „Zuverdienerin“, die neben ihrem bezahlten Job die unbezahlte Familienarbeit erledigt.
Arbeitsteilung im Lockdown
Home-Office war während der Corona-Krise zwar stark verbreitet, allerdings überwiegend bei ArbeitnehmerInnen mit höherer Schulbildung und Einkommen. Es sind und waren also ganz bestimmte soziale Schichten, die von zu Hause aus arbeiten können. Es handelt sich daher, betont Mader, bei ihrer Untersuchung um „eine urbane Mittelschichtsstudie“.
Wie wirkten sich nun Homeoffice auf die Arbeitsteilung von Paaren – mit oder ohne Kindern – unter den stark verschärften Bedingungen des ersten Lockdowns aus? Für Paare ohne Kinder änderte sich vergleichsweise wenig, die Arbeitsteilung der Partner bei der unbezahlten Hausarbeit war relativ ausgeglichen. Mütter mit Kindern unter 15 arbeiteten hingegen deutlich mehr als ihre männlichen Partner. Und während Alleinerzieherinnen mit knapp 15 Stunden Arbeit – davon 9 Stunden unbezahlte Hausarbeit und Kinderbetreuung – pro Tag am meisten arbeiteten, leisteten auch Mütter in Paarhaushalten nur knapp weniger, nämlich 14 ¼ Stunden, davon 9 ½ unbezahlt. Väter in Paarhaushalten hingegen arbeiteten 13 ¾ Stunden, davon 7 unbezahlt.
Insgesamt zeigen die Zahlen, dass Home-Office und „zu Hause sein“ die Rollenbilder bzw. das Rollenverhalten verstärkt. Frauen übernahmen mehr unbezahlte Arbeit, und zwar vor allem mehr Kinderbetreuung und Homeschooling. Auch bei Paaren, in denen der Mann der Familienernährer und Vollzeit erwerbstätig war, die Frau hingegen die Zuverdienerin und in Teilzeit beschäftigt, zeigte sich dieser Trend deutlich: Frauen arbeiteten 13 ¼ Stunden, davon 7 ½ unbezahlt, Männer 13 Stunden, davon nur 5 unbezahlt.
Je jünger die Kinder sind, desto mehr unbezahlte Tätigkeiten werden von den Müttern übernommen. Bei Kleinstkindern zwischen 0 und 2 Jahren waren das während des Lockdowns knapp 11 Stunden täglich. Entsprechend ist auch die Erwerbsbeteiligung der Mütter dieser Kleinkinder am geringsten und nimmt erst bei Kindern im Schulalter wieder zu.
Im Lockdown waren aber gerade die Schulkinder, und ganz besonders die Volksschulkinder, durch das Homeschooling eine große Arbeitsbelastung für ihre Mütter: Insgesamt arbeiteten diese Mütter 14 ½ Stunden täglich und übernahmen 2 ½ Stunden mehr Kinderbetreuung als die Väter, während die Väter im Schnitt 2 Stunden pro Tag länger erwerbstätig waren.
Doch auch in Haushalten, in denen die Kinder über 14 waren und daher weniger Betreuung benötigten, leisteten Frauen immer noch 1,5 Stunden mehr an unbezahlter Arbeit als Männer und waren auch eine halbe Stunde kürzer erwerbstätig. Auch bei einem fast gleich hohem Erwerbsausmaß kamen Mütter und Väter nicht auf eine gleiche Verteilung der unbezahlten Arbeit. Väter verwendeten mehr Zeit für ihre Erwerbsarbeit– hatten aber zugleich mehr Freizeit zur Verfügung. Dass die Erwerbsarbeit der Väter oft höher gewichtet wurde, zeigt sich auch darin, dass sie seltener mit den Kindern im selben Raum arbeiteten.
Unbezahlte Arbeit sichtbar machen
Daraus leitet Mader ab: „Sowohl die Arbeit der Väter, als auch die Freizeit der Väter, wurde im Lockdown über jene der Mütter gestellt.“ Die Mütter mussten zugunsten von Kindern und Haushalt entweder in ihrer Erwerbsarbeit zurückstecken, oder eben auf Kosten ihrer Freizeit mehr Stunden insgesamt arbeiten.
„Sowohl die Arbeit der Väter, als auch die Freizeit der Väter, wurde im Lockdown über jene der Mütter gestellt.“
Katharina Mader
Knackpunkt für den Verlauf dieser ungleichen Arbeitsteilung ist übrigens fast immer das erste Kind, auch das hat sich bei der Befragung wiederum bestätigt: selbst wenn Paare sich auf eine gerechte Arbeitsteilung im Haushalt geeinigt hatten, so übernimmt mit dem ersten Kind die Frau einen Großteil der damit verbundenen unbezahlten Arbeit. Dieses Ungleichgewicht verringert sich zwar, je größer das Kind bzw. die Kinder werden, verschwindet aber nie zur Gänze.
Um die unbezahlte Arbeit sichtbar zu machen, haben Mader und ihr Team versucht, sie monetär zu bewerten. Arbeitszeiterhebungen von vor der Krise haben gezeigt, dass die Frauen zwei Drittel der unbezahlten Arbeit übernehmen, zwei Drittel der bezahlten Arbeit die Männer. Das sind, für die gesamte Volkswirtschaft gerechnet, rund 9 Milliarden Stunden bezahlte Arbeit und ebenso viele (!) Stunden unbezahlte Arbeit.
Wenn man nun diese Stunden mit Löhnen aus den jeweiligen Dienstleistungsgewerben bewertet – also KinderbetreuerIn, Koch/Köchin, Haushaltshilfe, Reinigungshilfe, GärtnerIn usw. – und zur Berechnung die jew. durchschnittlichen Stundenlöhne von 11-12 Euro heranzieht, so ergibt das 100-105 Milliarden Euro erwirtschaftete Arbeit: das sind 27-35 Prozent des BIP!
Freizeitgewinn im Home-Office?
Studien zu Homeoffice aus Deutschland aus der Zeit vor Corona – also unter normalen Bedingungen, mit offenen Schulen und Kindergärten – konnten bereits zeigen: Homeoffice bringt Eltern keinen Freizeitgewinn. Mütter, die im Home-Office arbeiten, kümmern sich bis zu drei Stunden täglich länger um ihre Kinder als Mütter, die auswärts arbeiten; zugleich verrichten diese Frauen auch rund eine Stunde mehr Erwerbsarbeit täglich. Und schließlich kümmerten sich Väter im Home-Office – im Vergleich zu Vätern am externen Arbeitsplatz – nicht mehr Zeit um ihre Kinder, sie leisteten aber meist Überstunden.
Dazu kommt, dass Frauen genau mit diesem Argument seltener Home-Office ermöglicht wird – es bestünde ja schließlich die Gefahr, dass sich eine Arbeitnehmerin dann zu viel um Haushalt und Kinder kümmert, anstatt ihre Erwerbsarbeit zu erledigen. Frauen befürchten daher auch berufliche Nachteile, wenn sie Home-Office in Anspruch nehmen. Home-Office veränderte also schon vor Corona nicht die Arbeitsteilung oder die Geschlechterrollen.
Arbeitsteilung neu verhandeln
Mader und ihr Forschungsteam kommen zu dem Schluss, dass Home-Office, auch bei normalen Rahmenbedingungen wie geöffneten Schulen und Kindergärten, nur bedingt ein Instrument sein kann, um die Vereinbarkeit zwischen Beruf und Familie zu fördern. „Die Diskussion um einen Ausbau von Homeoffice sollte vielmehr in erster Linie von der Argumentation, dass sie Vereinbarkeitsfragen lösen würde, entkoppelt werden“, so Mader. Folglich ist der Ausbau von flächendeckender und leistbarer Kinderbetreuung nach wie vor enorm wichtig und darf nicht mittels Home-Office unterlaufen werden.
Mader sieht – ebenso wie in vergangenen Krisen – auch in der von der Pandemie ausgelösten aktuellen Krise kein Potential zur Gleichstellung und zur besseren Arbeitsteilung in Haushalten. Es wurde aber sehr wohl deutlich, wie essentiell die Strukturen und Netzwerke zur Kinderbetreuung sind, dass Schulen, Kindergärten, Betreuungsstätten und auch Großeltern absolut unverzichtbar sind.
Insgesamt erledigen zwar heute Männer bzw. Väter mehr Stunden an unbezahlter Haus- und Sorgearbeit. Trotzdem sind wir von einer 50:50 Situation, wie sie in etwa in den 90er-Jahren gefordert wurde, noch meilenweit entfernt. Denn obwohl die Frauen bzw. Mütter im Laufe der letzten Jahrzehnte immer mehr Stunden an Erwerbsarbeit leisteten, hat die unbezahlte Arbeit zu Hause nicht im entsprechenden Ausmaß abgenommen. Sprich: in Summe leisten Frauen insgesamt deutlich mehr Arbeitsstunden, bezahlt und unbezahlt, als ihre Partner. Und genau diese Illusion hat die Lockdown-Situation offengelegt.
Die Arbeitsteilung zwischen Paaren muss neu verhandelt werden, fordert Mader: „Wenn eine Gesellschaft nach mehr Geschlechtergerechtigkeit strebt, dann muss es auch ganz wesentlich um eine unbezahlte Arbeit im Privaten gehen.“ Warten wir daher nicht bis zur nächsten Krise, um wieder über Geschlechtergerechtigkeit zu sprechen.