Kürzere Arbeitszeiten machen glücklicher, gesünder und sind außerdem gut fürs Klima. Außerdem erhöhen sie die Produktivität und schaffen viele neue Arbeitsplätze. Es spricht also vieles dafür und kaum etwas dagegen. Pilotprojekte in Spanien, Island und Irland bestätigen das.
Spanien nutzt EU-Mittel, um Unternehmen zu fördern, die eine 4-Tage-Woche einführen. In Island lief zwischen 2015 und 2019 ein Experiment zur Arbeitszeitverkürzung im öffentlichen Dienst. Inzwischen profitieren 86 Prozent der IsländerInnen von kürzeren Arbeitszeiten. Irland startet 2022 ein Experiment, bei dem überprüft werden soll, ob die 4-Tage-Woche landesweit umgesetzt werden kann. Wir haben uns diese Projekte näher angesehen.
Spanien: Landesweiter Test der 4-Tage-Woche
Insgesamt 50 Millionen Euro investiert die spanische Regierung in einen landesweiten Test der 4-Tage-Woche. 200 Unternehmen sollen sich an einem Projekt zur Arbeitszeitverkürzung beteiligen. Die zusätzlichen Kosten, die für die Unternehmen entstehen, werden von der Regierung übernommen: Zu 100 Prozent im ersten Jahr, zu 50 Prozent im zweiten und zu 33 Prozent im dritten. Die Arbeitszeit soll auf 32 Stunden bei vollem Lohnausgleich verkürzt werden. 3000 bis 6000 Beschäftigte sollen an dem Projekt teilnehmen.
Als erstes großes Unternehmen in Spanien führt der Telefonkonzern Telefónica testweise eine 4-Tage-Woche ein. Das Projekt ist freiwillig, soll sechs Monate dauern und bis zu 10 Prozent der Belegschaft können sich beteiligen. La Franchela, ein Restaurant in Madrid hat die 4-Tage-Woche bereits eingeführt, die Beschäftigten sind höchst zufrieden. Ebenso im Softwareunternehmen Delsol in Andalusien. Dort gibt es die 4-Tage-Woche bereits seit eineinhalb Jahren. Seither sind Krankmeldungen und Fehlzeiten um fast 28 Prozent gesunken. Die MitarbeiterInnen fühlen sich zufriedener und ausgeruhter.
Island: 4-Tage-Woche gekommen um zu bleiben
Was 2015 als wissenschaftlich begleitetes Experiment begann, ist zum Dauerzustand für viele Beschäftigte in Island geworden. 86 Prozent der isländischen ArbeitnehmerInnen arbeiten heute
kürzer als vor Beginn des Experiments oder haben zumindest die Möglichkeit dazu.
Von 2015-2019 begannen die Stadtregierung von Reykjavik und die nationale isländische Regierung auf Druck von Gewerkschaften und zivilgesellschaftlichen Organisationen einen Versuch zur Arbeitszeitverkürzung im öffentlichen Dienst. 2500 Beschäftigte aus mehr als 100 Einrichtungen wie Krankenhäusern, Schulen, Kinderbetreuungs- und Pflegeinrichtungen oder der Stadtverwaltung von Reykjavik nahmen daran teil. Ihre durchschnittliche Arbeitszeit betrug 35-36 Wochenstunden, anstatt der üblichen 40. Bei vollem Lohnausgleich.
Das Projekt wurde von Anfang an wissenschaftlich begleitet und in einem ausführlichen Bericht dokumentiert. Aus diesem geht hervor, dass die Beschäftigten durch die Arbeitszeitverkürzung insgesamt zufriedener sind, weil sie mehr Zeit für Erholung, Familie, Freunde oder ihre Hobbies hatten. Das Wohlbefinden der Beschäftigten steigerte sich erheblich, wie eine Reihe von Indikatoren belegte, von empfundenem Stress und Erschöpfungszustand bis hin zur Gesundheit und Vereinbarkeit von Beruf und Privatleben. Außerdem stieg auch beim isländischen Pilotprojekt die Produktivität eindeutig an. Man versuchte Produktivitätseinbußen zu verhindern, indem die Arbeitsroutinen der Versuchsteilnehmer- Innen überarbeitet wurden. So gab es zum Beispiel kürzere Meetings, oder es wurden Termine und Aufgaben, die sich ersatzlos streichen ließen, gestrichen.
Die 4-Tage-Woche ist in Island inzwischen längst mehr als ein Versuch. Mehrere Gewerkschaften haben seither Arbeitszeitverkürzungen ausverhandeln können. Mehr als drei Viertel der Beschäftigten profitieren davon.
Irland: 4-Tage-woche nützt dem klima
Die Organisation „Four Day Week“ in Irland wird von Gewerkschaften, WissenschaftlerInnen und Frauen- und Umweltorganisationen unterstützt. Die Organisation hat sich zum Ziel gesetzt, lokale Behörden zu ermutigen, die 4-Tage-Woche auszuprobieren. Unterstützung für dieses Vorhaben gibt es nun auch von der irischen Regierung.
Mit Jänner 2022 startet Irland eine sechsmonatige Testphase der 4-Tage-Woche.
Dafür wurde von der Regierung eine Forschungsförderung von 150.000 Euro zur Verfügung gestellt. Unternehmen, die sich an dem Pilotprojekt beteiligen, erhalten außerdem Schulungen, Unterstützung und Mentoring, um einen reibungslosen Übergang in die 4-Tage-Arbeitswoche zu ermöglichen. Insbesondere die Auswirkungen von COVID-19 aber auch die fortschreitende Digitalisierung auf dem Arbeitsmarkt haben die irische Regierung veranlasst, Arbeitszeitmodelle zu überdenken und neu zu bewerten. Die irische Umweltministerin erwartet sich von der 4-Tage-Woche eine Reduktion des Pendlerverkehrs und der CO2-Emissionen. Die Vereinbarkeit von Familie und Beruf könnte durch den zusätzlichen freien Tag ebenfalls verbessert werden.
Österreich: Zeit für eine Arbeitszeitverkürzung
Auch in Österreich wünschen sich viele Menschen kürzere Arbeitszeiten. Laut Statistik Austria haben 2019 405.800 der Vollzeitbeschäftigten angegeben, dass sie ihre wöchentliche Arbeitszeit gerne um mehr als fünf Stunden verkürzen würden. Wenn davon ein Viertel ihre Arbeitszeit um 8 Stunden pro Woche reduzieren würde, könnten 25.000 Arbeitslose einen Job bekommen. Es spricht vieles für eine Arbeitszeitverkürzung, die Menschen wollen es, dem Klima und der Gesellschaft würde es gut tun. Bleibt nur zu hoffen, dass die Wirtschaft bald ihre Blockadehaltung aufgibt. Die Gewerkschaft GPA wird jedenfalls nicht locker lassen und das fordert das Recht auf eine 4-Tage-Woche für alle Branchen.
Das könnte dich auch interessieren:
- Warum immer mehr Menschen sich eine Arbeitszeitverkürzung wünschen.
- Großbritannien testet die 4-Tage-Woche
- Warum in der Sozialwirtschaft und in der Kinderbetreuung die Personaldecke immer dünner wird, und was man jetzt dagegen tun muss.
- 5 Gründe, warum auch die Arbeitgeber von einer Arbeitszeitverkürzung profitieren.
- Wie ein Handwerksbetrieb mit der 4-Tage-Woche erfolgreiche den Fachkräftemangel bekämpft.
- Wie die 37-Stunden Woche beim Kuratorium Wiener Pensionistenwohnhäuser erfolgreich umgesetzt wurde.