Vier-Tage-Woche: Der Weg aus dem Hamsterrad

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Die Vier-Tage-Woche wird in vielen Ländern Europas schon erprobt.
Erste Ergebnisse zeigen: Die Beschäftigten sind begeistert, und auch die Betriebe profitieren von gesünderen und motivierten MitarbeiterInnen.

International nimmt die Diskussion über die Vier-Tage-Woche immer mehr an Fahrt auf. So läuft derzeit ein großer Feldversuch in Großbritannien, bei dem die Auswirkungen der kürzeren Arbeitszeit auf die Produktivität und auf das Wohlbefinden der Beschäftigten untersucht werden. Auch in Island hat kürzlich ein Modellversuch für einiges Aufsehen gesorgt. Dort wurde die Vier-Tage-Woche erfolgreich bei öffentlichen Bediensteten über einen längeren Zeitraum getestet.

Die Idee: Warum nicht die Arbeit produktiver gestalten und dafür eine kürzere Arbeitswoche einführen? Wir arbeiten selten den ganzen Arbeitstag lang durchgehend und konzentriert, auch wenn wir acht Stunden körperlich anwesend sind. Zugleich bräuchten wir alle mehr Erholung und Freizeit. Mehrere internationale Studien und Feldversuche untersuchen daher die Auswirkungen der kürzeren Arbeitszeit: Verändert sich die Produktivität aus und das Wohlbefinden der Beschäftigten? Beeinflusst es die Umwelt oder die Gleichstellung zwischen Männern und Frauen?

Wichtig ist: Es geht hier um die Vorteile einer Vier-Tage-Woche in Kombination mit einer Arbeitszeitverkürzung, und das bei vollem Lohnausgleich! Denn nur die Wochenarbeitszeit umzuschichten und während der verbleibenden vier Tage länger zu arbeiten, ist nicht das gleiche. Das gibt es ja auch in Österreich und vielen anderen Ländern schon längst.

Großbritannien

Der bislang größte Versuch einer 4-Tage-Woche ist im Juni dieses Jahres in Großbritannien angelaufen. Schon jetzt gibt es erste positive Ergebnisse: die Mehrheit will nach der Testphase nicht mehr zu den langen Arbeitszeiten zurück!

Der Nachrichtensender CNN hat im August einige der Beschäftigten befragt, wie sie ihr 3-Tage-Wochenende nutzen. Die Antworten fielen vielfältig aus: Einige gaben an, am Freitag Sport zu treiben und die anderen beiden Tage mit der Familie zu verbringen; oder am Freitag den Haushalt und die Einkäufe zu erledigen, um am Samstag und Sonntag zu entspannen und Freunde zu treffen. Wieder andere nutzen die gewonnene Freizeit für neue Hobbies oder ehrenamtliche Aufgaben. Von Klavierunterricht über Kochkurse bis hin zu kreativen Tätigkeiten war alles dabei. Alle Befragten fühlten sich gesünder und ausgeglichener und sind von ihrer neuen Arbeitswoche begeistert. Einige nannten das dreitägige Wochenende „lebensverändernd“!

Viele Länder erproben bereits die 4-Tage-Woche – und das mit großem Erfolg.

Irland

An der gleichen Studie wie Großbritannien nimmt auch Irland teil. Die Kampagne von „Four Day Week Ireland“ wird von Gewerkschaften, WissenschafterInnen sowie Frauen- und Umweltorganisationen unterstützt. Lokale Behörden wurden ermuntert, die Vier-Tage-Woche auszuprobieren. Die irische Regierung unterstützt das Projekt mit einer Förderung.

Die kürzere Arbeitszeit soll einen Wettbewerbsvorteil bringen. Denn immer mehr Menschen, v.a. viele Fachkräfte, achten ganz besonders auf die Work-Life-Balance. Daher will man ihnen bessere Arbeitsbedingungen anbieten: eine kürzere Wochenarbeitszeit, mehr Freizeit, und das bei gleichem Lohn.

Vorreiter in Irland war übrigens die Firma Ice Group, die bereits letztes Jahr auf eine 4-Tage-Woche umstellte. Bei Ice Group liegen nun schon Ergebnisse vor: Die Produktivität ist um 27 Prozent gestiegen, die Vorteile für die Angestellten sind enorm – sagt die Geschäftsführung!

Island

Eine andere großangelegte Studie dieser Art fand bereits zwischen 2015 und 2019 in Island statt. Auf Druck der Gewerkschaften und der Zivilgesellschaft startete der Stadtrat von Reykjavik ein Experiment zur Arbeitszeitverkürzung und zur Vier-Tage-Woche, an dem mehr als 2.500 Beschäftigte im öffentlichen Dienst teilnahmen. Das Projekt war eine Erfolgsgeschichte: Die Work-Life-Balance und die Gesundheit der teilnehmenden MitarbeiterInnen hatten sich klar verbessert, ihr Burnout-Risiko war gesunken und es gab keine negativen Auswirkungen auf die Produktivität oder die Qualität der Dienstleistungen.
Das Resultat kann sich sehen lassen: 86 Prozent der isländischen Beschäftigten arbeiten seither kürzer oder haben Verträge, die ihnen die Verringerung ihrer Arbeitszeit ermöglichen.

Schottland

Eine Umfrage in Schottland zeigte, dass eine überwältigende Mehrheit für eine Arbeitszeitverkürzung war. 80 Prozent der Befragten würden die Vier-
Tage-Woche einer 40-Stunden-Woche vorziehen, wenn die Bezahlung gleich bleibt. Das würde ihr Wohlbefinden verbessern, meinten die Menschen. Zwei Drittel der Befragten waren der Meinung, dass eine kürzere Arbeitswoche auch die Produktivität in Schottland steigern könnte.

Die regierende linksliberale Scottish National Party (SNP) hatte die Vier-Tage-Woche in ihrem Wahlprogramm versprochen. Die Änderungen des Arbeitsalltags durch die Corona-Pandemie gab schließlich den Anstoß zu Pilotprojekten zur 4-Tage-Woche in ganz Schottland.

Eine schottische Kreativagentur, die nicht auf den Projektstart der Regierung warten wollte, stellte schon davor auf die Vier-Tage-Woche um. Das Ergebnis: Das Unternehmen hat Produktivität und Gewinn verbessert – zusammen mit dem Wohlbefinden der Beschäftigten. Die Unternehmensleitung findet: Nicht wie viele Stunden in die Arbeit investiert werden zählt, sondern wie groß der Output ist.

Spanien

Arbeitszeitverkürzung, das konnte in Studien gezeigt werden, führt zu einem Anstieg der Produktivität, da die Beschäftigten durch die längere Freizeit erholter und weniger gestresst zur Arbeit kommen. Firmen, die die Vier-Tage-Woche umsetzen, streichen unproduktive Zeitfresser: Lange Meetings, Unterbrechungen durch Emails und Anrufe, unklare Zuständigkeiten, um nur einige zu nennen. Damit die gleiche Arbeit in kürzerer Zeit erledigt werden kann, müssen die Abläufe im Unternehmen verbessert werden.
Mit der Vier-Tage-Woche die Produktivitätsrate verbessern und gleichzeitig neue Arbeitsplätze schaffen, das war auch das Ziel der spanischen Regierung, als sie im März 2021 einen großen Modellversuch startete. An diesem Projekt zur Verkürzung der Arbeitszeit beteiligen sich 200 Unternehmen, sie erhalten dazu Fördermittel von insgesamt 50 Millionen Euro aus dem EU-Recovery-Plan zum Wiederaufbau der Wirtschaft.
In allen Ländern, in Europa ebenso wie in den USA oder Australien, haben Umfragen ergeben: Eine Mehrheit der Beschäftigten wünscht sich eine Verringerung der Arbeitszeit. Eltern wollen mehr Zeit für ihre Kinder, wir alle brauchen mehr Erholung. Teilzeit ist nur die zweitbeste Lösung, da die Einkommensverluste zu groß sind. Die Work-Life-Balance ist eins der zentralen Anliegen der ArbeitnehmerInnen und der Gewerkschaften. Und auch viele fortschrittliche Arbeitgeber sehen es längst ein: Eine Vier-Tage-Woche ist der Weg aus dem Hamsterrad!

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