Spanien will 4-Tage-Arbeitswoche mit EU-Hilfsgeldern fördern

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Die Coronakrise hat die Arbeitslosigkeit in Europa teilweise dramatisch ansteigen lassen. Gleichzeitig gibt eine Mehrheit der EuropäerInnen in Umfragen regelmäßig an, lieber vier statt fünf Tage pro Woche arbeiten zu wollen.

Die sozialistisch angeführte spanische Regierung unter Premierminister Pedro Sanchez will deshalb Unternehmen, die eine 4-Tage-Arbeitswoche einführen wollen, künftig insgesamt 50 Mio. Euro an Fördermittel zur Verfügung stellen. Ziel dieser Maßnahme ist es, neue Arbeitsplätze zu schaffen sowie die Arbeitsproduktivität und das Wohlbefinden der Beschäftigten bei vollem Lohnausgleich zu steigern. Das spanische Arbeitsministerium erarbeitet derzeit die Details des neuen Fördermodells.

Überdurchschnittliche Arbeitszeiten und niedrige Arbeitsproduktivität

Die wöchentliche Arbeitszeit ist in Spanien derzeit gesetzlich auf maximal 40-Stunden begrenzt. Einzelne Arbeitstage müssen spätestens nach neun Stunden beendet werden. Nach Angaben des EU-Statistikamtes Eurostat aus dem Jahr 2019 arbeiten Beschäftigte in Spanien durchschnittlich 36,4 Stunden pro Woche. Dies entspricht beinahe dem Wochenarbeitsdurchschnitt von Frankreich, der bei 36,3 Stunden liegt (EU-Durchschnitt: 36,2 Stunden). Bei der Arbeitsproduktivität (nach dem Bruttoinlandsprodukt je Beschäftigten) hingegen liegt Spanien (95,7) deutlich hinter Frankreich (114,8) und dem EU-Durchschnitt (100). Laut Eurostat ist das Land damit eine der am wenigsten produktiven Staaten in Westeuropa. Obwohl die Beschäftigten in Spanien beinahe gleich viele Arbeitsstunden pro Woche leisten, wie im europäischen Durchschnitt.
Auf internationaler Ebene sind Länder mit höherer durchschnittlicher Arbeitszeit generell weniger produktiv als Länder mit kürzerer. Verschiedene Studien zeigen, dass Arbeitszeitverkürzung zu einem Anstieg der Produktivität, etwa durch eine bessere Gesundheit (weniger Stress, mehr Freizeit) führt.

Fördermittel für Unternehmen, die 4-Tage-Arbeitswoche einführen

Die spanische Regierung will nun mit dem Modell der 4-Tage-Arbeitswoche die Produktivitätsrate steigern und gleichzeitig auch neue Arbeitsplätze schaffen. 200 Unternehmen sollen sich an einem Projekt zur Verkürzung der Arbeitszeit beteiligen und dazu Fördermittel von insgesamt 50 Mio. Euro von der Regierung erhalten. Das Modell sieht eine Übernahme der zusätzlichen Kosten für die Betriebe vor: 100% im ersten Jahr, 50% im zweiten Jahr und 33% im dritten Jahr. Für 3000-6000 Beschäftigte soll dadurch die Arbeitszeit auf 32 Stunden pro Woche bei vollem Lohnausgleich verkürzt werden. Das Projekt soll im Herbst 2021 starten und wird Spanien zum ersten Land der Welt machen, in dem die 4-Tage-Arbeitswoche landesweit getestet wird.
Die Mittel dafür will man über den EU-Recovery Plan zum Wiederaufbau der Wirtschaft locker machen. Auch mehrere Regionalregierungen im Land haben bereits angekündigt, zusätzliche Maßnahmen zu ergreifen, um die Produktivität und die Zufriedenheit der Beschäftigten zu steigern. Die Region Valencia wird beispielsweise Unternehmen, die eine 4-Tage-Arbeitswoche einführen, im Jahr 2021 mehr als 300 Euro pro MitarbeiterIn ausbezahlen.

EU-Recovery Plan sieht auch 3,3 Mrd. Euro für Österreich vor

Auch Österreich stehen 3,3 Mrd. Euro aus dem EU-Recovery Plan für den wirtschaftlichen Wiederaufbau nach der Corona-Krise zur Verfügung. Mit diesem Hilfspaket könnten umfangreiche, öffentliche Investitionen getätigt werden. Um die Mittel des Programmes in Anspruch nehmen zu können, müssen jedoch bis Ende April nationale Aktionspläne bei der EU-Kommission zur Verwendung der Gelder eingereicht werden. Österreich zählt zu den letzten drei Staaten, die bisher noch gar keine Pläne vorgelegt haben. Auch die von der EU-Kommission diesbezüglich geforderten Gespräche mit den Sozialpartnern haben bisher noch nicht stattgefunden. Andere Mitgliedstaaten wie Finnland oder die Niederlande hingegen haben ihre Aktionspläne bereits vorgelegt und dabei vor allem auf Transparenz und den Austausch mit den Sozialpartnern gesetzt.
Angesichts von 450 000 Menschen ohne Beschäftigung in Österreich, könnte ein Gutteil dieser Summe in neue Arbeitsplätze und innovative Arbeitszeitmodelle investiert werden.

„90 für 80“ – Freiwilliges Modell zur Arbeitszeitverkürzung

WIFO-Prognosen zufolge kommt jeder zweite Job, der in Österreich heuer durch die Corona-Krise verloren geht, nächstes Jahr nicht wieder zurück. Mit dem Modell „90 für 80“ hätten wir die Chance, die Arbeitslosigkeit bis inklusive 2021 abzufedern. Bei diesem Modell können Beschäftigte freiwillig die Arbeitszeit auf 80% reduzieren und erhalten dafür 90% ihres Gehaltes. Die Differenz wird vom AMS bezahlt. Voraussetzung dafür ist, dass für die freiwerdende Zeit jemand neu im Betrieb aufgenommen wird. Für je vier Personen, die sich für das Modell entscheiden, könnte also eine neue Vollzeitstelle geschaffen werden. Von diesem Modell würden auch die UnternehmerInnen durch die steigende Produktivität profitieren. Aus Statistiken wissen wir, dass 400 000 Beschäftigte in Österreich ihre Arbeitszeit gerne reduzieren würden. Wenn nur jede/R zehnte davon mitmachen würde, könnten wir dadurch 10 000 Jobs schaffen. Entscheidet sich ein Viertel für das Modell, wären es sogar 25 000 neue Arbeitsplätze.

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