Der erste Betriebsrat Österreichs bei Dehner berichtet im Interview vom Arbeiten am Limit, fehlender Kommunikation mit der Geschäftsführung und wie die Arbeitsstätte zu einem Mitarbeiter-freundlichen Betrieb gemacht werden soll.
„Zuckerbrot & Peitsche“ werden sie sein. Martin Langkammer, neuer Zentralbetriebsrat der Firma Dehner, stehe für Fairness und Ehrlichkeit, kann aber auch „mal auf den Tisch haun, wenns nötig ist.“ Sabine Weber, seine Stellvertreterin, hingegen sei diplomatisch in Verhandlungen. So beschreiben sich die beiden selbst im Gespräch mit Kompetenz-Online.
Die frischgebackene Betriebsrätin und ihr Kollege freuen sich sichtlich ihren KollegInnen zur Seite stehen zu können. Das Duo ist dabei der Kopf eines neunköpfigen Betriebsrats-Teams bei Dehner, das erste Österreichs in der deutschen Gartencenter-Kette. Im Team sind MitarbeiterInnen aus verschiedensten Bereichen im Betrieb: eine Kassakraft, wer vom Gartenbedarf, eine Abteilungsleitung und sogar ein Marktleiter. „Der Filialleiter ist ein ganz normaler Angestellter bei uns. Das wissen viele nicht,“ erklärt Langkammer.
„Alles denkt sich wer in einem Büro in Deutschland aus – und wir müssen das dann umsetzen.“
Martin Langkammer
Zusammen wollen sie für die Anliegen der Belegschaft ein offenes Ohr haben um diese an die deutschen Geschäftsleitung weiter zu melden – und damit mehr Mitbestimmung im Unternehmen zu etablieren. Denn daran fehle es bisher ganz eindeutig: „Alles denkt sich wer in einem Büro in Deutschland aus – und wir müssen das dann umsetzen“ berichtet Martin Langkammer im Pausenraum der Dehner-Filiale in Wien-Simmering. Dehner betreibt neben den deutschlandweiten 135 Gartencentern mit Zoofachhandel auch 16 Märkte in Österreich und beschäftigt dort exakt 506 MitarbeiterInnen. Das macht für die Belegschaft in Österreich manches schwierig. „Zwischen den beiden Ländern gibt es rechtliche Unterschiede. Bei uns gab es bis dato keine Ansprechperson für die Mitarbeiter“ erzählt der 42-jährige Langkammer. „Es betraf die Abrechnung, wie werden Zeiten abgerechnet, … alles ein großes Fragezeichen“, ergänzt Sabine Weber. „Da herrschte viel Unsicherheit bei den Mitarbeitern.“ Zusammen will man für die KollegInnen mehr Klarheit schaffen.
Die gelernte Gärtnerin Sabine Weber war schon länger auf Arbeitssuche als sie vor fünf Jahren bei Dehner anfing. Mittlerweile ist die 32-jährige Abteilungsleiterin im Bereich Gartenpflanzen mit sieben KollegInnen. Damit hat sie ihre Passion, das Garteln, zum Beruf gemacht. Sonst spiele sie gerne Snooker und reist gerne.
„Goar nix mit Garten“ zu tun hatte hingegen Martin Langkammer bevor er 2012 zu Dehner kam. Er hat lange als Zoofachhändler gearbeitet, sich dann aber auf eine Annuonce als Abteilungsleiter beworben – und wurde prompt eingestellt. Mittlerweile ist er stellvertretender Marktleiter und auch zuständig für den Bereich Gartenbedarf und -gestaltung in Simmering.
Häufiger Wechsel an der Spitze
Aber warum wollten die beiden eigentlich einen Betriebsrat gründen? Gründe gäbe es viele, bei so einem großen Unternehmen „fällt immer was an,“ berichtet Weber. Anstoß war dann aber der häufige Wechsel an der Spitze. In ihren fünf Jahren im Unternehmen ist bereits der achte Filialleiter eingesetzt worden. „Das ist sehr anstrengend für Mitarbeiter. Jeder neue Leiter bringt neue Ideen mit und krempelt vieles um.“ Mitspracherecht zu haben sei da definitiv von Vorteil, so Weber.
„Der häufige Wechsel an der Spitze ist sehr anstrengend für Mitarbeiter. Jeder neue Leiter bringt neue Ideen mit und krempelt vieles um.“
Sabine Weber
„Es kommt nicht immer alles ganz oben an, was die Mitarbeiter am Herzen haben,“ berichtet Langkammer. „Es gibt schon sehr viele Ecken, wo Besserungsbedarf besteht.“ Schon seit 2018 wollte er einen Betriebsrat gründen. Lehrlinge im Betrieb erhielten zu wenig Unterstützung. Jetzt melden sich Auszubildende aus ganz Österreich beim Neo-Arbeitnehmervertreter um Tipps einzuholen.
Von Seiten der Geschäftsführung aus Deutschland hieß es anfangs noch „Einen Betriebsrat? Das will doch niemand in Österreich,“ erzählt Weber sichtlich belustigt. „Der böse Langkammer, hieß es“ scherzt der gebürtige Niederösterreicher, „hat die Gewerkschaft ins Haus geholt und damit Chaos gestiftet.“
Ausnahmezustand Corona
Prägend für die beiden war aber auch die Zeit der Corona-Lockdowns. „Ein Ausnahmejahr“, wie es Weber nennt. „Gefühlt stündlich sind andere Infos reingekommen. Daheim bleiben oder doch aufsperren“, hieß es. Der Run auf die Baumärkte und Gartencenter im Frühjahr 2020 musste bewältigt werden. In vier Wochen sei ein Jahresumsatz gemacht worden, berichtet Weber. Das sei für alle sehr herausfordernd gewesen. Aber schon vor Corona waren die MitarbeiterInnen „am Limit“, weil ständig neue Aufgaben hinzukommen und es kein Feedback-System gebe. Ein solches zu etablieren haben sich die beiden BetriebsrätInnen zum Ziel gesetzt. „Nicht alle Mitarbeiter haben das Gefühl ihre Ideen und Sorgen frei aussprechen zu können,“ berichtet Langkammer. „Früher bist arbeiten gegangen bei Dehner – Jawoi!“ Heute gehe man zwar auch arbeiten, das Familiengefühl sei aber irgendwie verloren gegangen, die Wertschätzung fehle, so Langkammer. Er und seine KollegInnen wollen frischen Wind ins Unternehmen bringen.
Keine Wunderwuzzis
Als erstes will sich Sabine Weber die Arbeitsbekleidung vornehmen: „Viele Mitarbeiter wünschen sich Arbeitshosen.“ Langfristig soll Dehner zum Mitarbeiter-freundlichen Arbeitsplatz werden. „Wir haben hier im Markt ein super Team. Es macht viel Spaß zusammen zu arbeiten. Aber es ist auch sehr fordernd und körperlich anstrengend,“ berichtet Weber. „Ich hätte gerne ein paar Goodies für die Kollegen“, womit man sich von den Mitbewerbern OBI und Bauhaus abhebe, erzählt sie und dass sich alle mehr mit ihrer Arbeitsstelle identifizieren könnten. Kämpfen will man auch für höhere Gehälter, da sei noch „viel Luft nach oben,“ erzählt Martin Langkammer.
Zuerst aber wird es darum gehen Anregungen aus der Belegschaft für die Geschäftsführung zu sammeln, „auch unangenehme Dinge,“ betont Langkammer. Alles umkrempeln können aber auch sie nicht, ist sich Sabine Weber sicher. „Auch wir sind keine Wunderwuzzis.“
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