Mieten am freien Markt steigen rasant an und Eigentum ist für viele ohne Erbschaft nicht mehr erschwinglich. Was daher dringend nötig ist, sind gesetzliche Maßnahmen zur Eindämmung der Mieten – und der Ausbau des sozialen Wohnbaus.
Für immer mehr Menschen wird Wohnen zum unleistbaren Luxus: Zu diesem Ergebnis kommt eine diesen November veröffentlichte Studie von IFES, die von der AK Oberösterreich in Auftrag gegeben wurde. 541 OberösterreicherInnen wurden dafür von IFES befragt, 60 Prozent von ihnen gaben an, die monatlichen Gesamtkosten (Miete plus Betriebskoten) als „sehr“ oder „eher belastend“ zu empfinden. Besonders betroffen seien einkommensschwächere Haushalte. Generell zeige sich aber, dass Wohnen auch für höhere Einkommensgruppen zunehmend belastend sei, so die StudienautorInnen.
Diese Entwicklungen beobachten auch die beiden WohnexpertInnen der AK Wien, Lukas Tockner und Mara Verlic. Besonders dramatisch seien aktuell die Steigerungen der Mieten privater AnbieterInnen, so Tockner. Rund 150.000 Haushalte mit so genannten Kategorie-Mieten waren dieses Jahr bereits mit zwei Mieterhöhungen konfrontiert, jedes Mal ging es dabei im Schnitt um 150 Euro mehr. Und im November 2022 wurden die Mieten ein drittes Mal erhöht! Möglich macht das eine gesetzliche Regelung, die bei einer allgemeinen Teuerung von über fünf Prozent eine Preisanpassung vorsieht. Bei weiteren mehr als 430.000 Haushalten, die in privaten Mietwohnungen leben, findet sich ein ähnlicher Passus im Mietvertrag.
Eigentum ist keine Alternative
Wohnraum zu kaufen ist allerdings gerade für jene, die nun mit den Mietkosten kämpfen, vor allem in städtischen Ballungsräumen keine Alternative. Auf Grund der hohen Grundstückspreise müsste zum Beispiel eine Familie mit zwei Kindern für eine neue 100 Quadratmeter-Wohnung in Wien derzeit rund 770.000 Euro bezahlen. Das Bedienen des Kredits ließe eine Mittelschichtsfamilie unter die Armutsgefährdungsschwelle rutschen, rechnet Tockner vor.
Gerade in Wien liegt das Problem nicht darin, dass zu wenige Wohnungen gebaut werden, erklärt Verlic. Sie verweist auf eine jüngst veröffentlichte Studie der AK Wien, die aufzeigt, dass zwischen 2018 und 2021 58.000 neue Wohnungen errichtet wurden. In diesem Zeitraum seien 43.000 Menschen nach Wien gezogen, das entspreche 21.000 Haushalten. „Bedenkt man, dass es in diesem Zeitraum circa 7.700 Wohnungen nicht mehr gibt, zum Beispiel durch Abriss, so wurde also ein Überangebot von 28.000 Wohnungen gebaut. Was interessant an dieser Entwicklung ist: Dennoch zeigt sich keine preisdämpfende Entwicklung – weder bei den Miet- noch bei den Eigentumspreisen.“
„Seit der Finanzkrise 2008 wird Kapital verstärkt in Wohnungen geparkt.“
Mara Verlic
Wodurch sich das erklärt? „Seit der Finanzkrise 2008 wird Kapital verstärkt in Wohnungen geparkt“, so Verlic. Und bei neuen Apartments handelt es sich vorrangig und Zwei- und schon etwas weniger Drei-Zimmerwohnungen. Diese bieten Familien allerdings zu wenig Platz. Die Folgen: auf der einen Seite stehen neu errichtete Wohnungen leer. „Und andererseits gibt es trotzdem viele Leute, die leistbaren Wohnraum brauchen.“
Es braucht hier also rasch Lösungen. Tockner plädiert im Bereich der Mieten am privaten Wohnungsmarkt für eine gesetzliche Vorgabe, die maximal eine Mieterhöhung pro Jahr erlaubt und diese mit zwei Prozent deckelt. Langfristig brauche es eine Mietrechtsreform, die auch das Thema Lagezuschläge klar regelt und befristete Mieten nur mehr in Ausnahmefällen vorsieht. Heute würden österreichweit bereits drei Viertel der Mietwohnungen mit befristetem Vertrag angeboten – auch das ein Preistreiber.
Mehr geförderter Wohnbau
Sowohl Verlic als auch Tockner fordern aber vor allem, die Rahmenbedingungen für die Errichtung von gefördertem Wohnbau zu erleichtern. Die Preisdifferenz bei den Mieten spricht hier für sich. Bei den Mieten in frei finanzierten Neubauten liege man in Wien derzeit im Schnitt bei netto zwölf Euro pro Quadratmeter, bei geförderten Neubauten seien es 5,6 Euro. Daher empfiehlt Tockner derzeit Wohnungssuchenden auch, sich vorrangig nach einer Gemeinde- oder Genossenschaftswohnung umzusehen. „Selbst wenn man ein Kind erwartet und die jetzige Wohnung etwas zu klein erscheint, lohnt es sich, hier erst einmal zu warten.“ Er gibt zudem zu bedenken, dass momentan auch der Abschluss eines neuen Vertrags mit einem Energieanbieter die Wohnkosten stark in die Höhe treiben kann.
„Die Grundstückspreise sind am freien Markt für den sozialen Wohnbau aber nicht mehr leistbar.“
Michael Gehbauer
Mit Anfragen von Wohnungssuchenden ist Michael Gehbauer ständig konfrontiert. Er ist Geschäftsführer der WBV-GPA, der gemeinnützigen Wohnbauvereinigung für Privatangestellte. „Unsere Warteliste ist lang.“ Die WBV-GPA verfügt in Wien, Niederösterreich und dem Burgenland über 9.000 Wohnungen und 1.500 Heimeinheiten für Studierende, SeniorInnen und Menschen, die ihre Wohnung verloren haben. Aktuell in Bau seien rund 750 Wohneinheiten.
Auch Mieten im gemeinnützigen Bereich können in Höhe des Verbraucherpreisindexes angehoben werden. „Bisher war das immer moderat, aber durch die derzeit hohe Inflationsrate käme es zu beträchtlichen Mietsteigerungen. Wir federn das aber ab.“ Und wie? In Absprache mit den Banken, deren Kredite bedient werden müssen, würden die Mieten nur um etwa Hälfte der Inflationsrate erhöht. „Das ist unser Beitrag, dass es für die MieterInnen günstig bleibt.“ Sie seien ohnehin bereits mit höheren Betriebs- und Energiekosten konfrontiert. Mit jenen MieterInnen, die sich in einer wirtschaftlich schwierigen Situation befinden, versuche man individuelle Lösungen zu vereinbaren.
Zu Teure Grundstücke
Um der aktuellen Nachfrage entsprechen zu können, wünscht sich Gehbauer, mehr Neubauten errichten zu können. „Die Grundstückspreise sind am freien Markt für den sozialen Wohnbau aber nicht mehr leistbar.“ Zu gewidmeten Bauplätzen kommt die gemeinnützige Bauvereinigung (GBV) daher aktuell nur mehr über Bauträgerwettbewerbe des Wohnfonds der Stadt Wien (hier hat die Stadt preisgünstige Grundstücke bevorratet) oder in Kooperationen mit gewerblichen Bauträgern, mit denen man gemeinsam Projekte entwickle. Eine weitere Möglichkeit seien Nachverdichtungen, also Zubauten bei bestehenden Immobilien. Was Gehbauer von der Politik fordert: mehr Widmungen von Grundstücken im Besitz von GBVs für den geförderten Wohnbau. Wünschenswert wäre aber auch die Adaptierung der Wohnbauförderung – und für MieterInnen brauche es nicht nur Wohnbeihilfen, sondern auch Energiebeihilfen. „Aber das funktioniert einfach nicht mehr. Wir kommen in eine Situation, in der wir selbst die Grundbedürfnisse unser KlientInnen nicht mehr erfüllen können“.
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