„Eine ehrliche Antwort muss nicht allen schmecken“

Foto: Nurith Wagner-Strauss

Als Betriebsratsvorsitzende einer Online-Druckerei wünscht sich Denise Polley, dass verstärkt in Menschen anstatt in Maschinen investiert wird und will gläserne MitarbeiterInnen verhindern. Ehrliche Kommunikation ist ihr wichtig, Wissen ist für sie Macht.

Denise Polley vertritt als Vorsitzende des Angestellten-Betriebsrats und des Betriebsausschusses der Online-Druckerei druck.at die Interessen von insgesamt 265 Beschäftigten, 150 davon sind Angestellte. 2015 begann die Absolventin der grafischen Lehranstalt in Wien als Druckvorstufen-Technikerin im Betrieb. Nach eineinhalb Jahren nahm sie erste Probleme wahr: „Ich habe herumgefragt, wer Interesse an der Gründung eines Betriebsrates hätte – die Zustimmung war aber eher gering.“ Dann wurde Polley schwanger, nach ihrer Rückkehr im November 2019 gab es eine größere Bereitschaft zur innerbetrieblichen Organisation: „Mit dem ersten Corona-Lockdown ist die Stimmung dann endgültig zugunsten des Betriebsrates gekippt. Begonnen hat es in der Arbeiterschaft, die wurde viel zu schlecht behandelt. Auf diesen Zug bin ich sofort aufgesprungen.“

Gegen Unterdrückung

Als Betriebsrätin der ersten Stunde ist und bleibt es Polleys Antrieb, anderen zu helfen: „Ich hasse Ungerechtigkeiten, wenn es Veränderungen gibt, dann müssen diese fair ablaufen. Unterdrückung, die aus einer Machtposition heraus erfolgt, vertrage ich gar nicht.“ In der Onlinedruckerei war „die Arbeiterschaft mit den Arbeitsbedingungen unzufrieden, das Gefälle zu den Angestellten war hoch: Sie hatten keine Vertretung. Das wollte ich ändern.“ Der Betriebsrat wurde im März 2021 gegründet.

„Wenn ich Ungerechtigkeiten erkenne, lege ich mich mit jedem an. Da behandle ich alle gleich.“

Denise Polley

Die Rolle als Belegschaftsvertreterin liegt Polley. Die sympathische und dynamische junge Frau ist nicht auf den Mund gefallen: „Wenn ich Ungerechtigkeiten erkenne, lege ich mich mit jedem an – egal ob es ein Mitglied der Geschäftsführung ist oder eine Reinigungskraft. Ich behandle alle gleich.“

Fotos: Nurith Wagner-Strauss

Auch einschüchtern lässt sich die resolute und selbstbewusste Frau nicht: „Das ist meine Strategie und meine Stärke. Viele KollegInnen trauen sich nicht Missstände offen anzusprechen, weil sie Angst um ihren Job haben. Also wird jemand gebraucht, der ganz vorne steht und hinter dem sie sich verstecken können.“

Nun will Polley mit ihrem Team aus je fünf BetriebsrätInnen für ArbeiterInnen und Angestellte „zeigen, was eine starke ArbeitnehmerInnenvertretung der Belegschaft bringen kann.“ Die Zustimmung im Betrieb will die 35-Jährige durch „stetige Arbeit“ erreichen: „Wir brauchen das Vertrauen der KollegInnen.“ Leicht sei das nicht, denn die Geschäftsführung hatte die Jahre davor kräftigen Gegenwind gegen einen Betriebsrat gemacht: „Sie legen uns jede Menge Steine in den Weg und wollen den Status Quo absichern. Wir wollen Verbesserungen erreichen.“

Gläserne MitarbeiterInnen

Aktuell kämpft der Betriebsrat gegen die detaillierte Auswertung eines internen Ticket-Systems, bei dem Arbeitszeiten auf die Minute genau gewissen Tätigkeitsbereichen zugeordnet werden: „Wir wollen keine gläsernen MitarbeiterInnen, sondern eine starke Betriebsvereinbarung zum Datenschutz.“ Im Moment sei die unbezahlte Pause im Schichtbetrieb auf 18 Minuten verkürzt: „Wir wollen eine Verbesserung durch bezahlte Kurzpausen erreichen, die ein Vorteil für die DienstnehmerInnen sowie auch für den Dienstgeber sind, da die Maschinen dann nicht zu lange stillstehen.“
Erreicht hat der Betriebsrat die Einführung der „verfrühten“ 6. Urlaubswoche mit Beginn dieses Jahres: „Mit der Dauer der Betriebszugehörigkeit gibt es zusätzliche Urlaubstage, auch aliquot für die Teilzeitkräfte.“

„Ich scheue keine Konfrontation. Manchmal müssen Probleme eskalieren, damit sie danach gelöst werden können.“

Denise Polley

Seit 1. November ist Polley für ihre Betriebsratsarbeit freigestellt und will ihre interne Präsenz in die Höhe schrauben: „Wissen ist Macht. Wenn die Leute nicht informiert sind, können sie sich keine Meinung bilden oder sich für etwas entscheiden.“ Ihr scheint, die Geschäftsführung sehe den Wert der MitarbeiterInnen nicht und investiere lieber in den Standort: „Es werden Maschinen angeschafft und Räume umgebaut, anstatt die Arbeitsbedingungen für die Belegschaft zu verbessern.“

Hast du schon einmal überlegt selbst einen Betriebsrat zu gründen?

Wenn es bei dir im Betrieb mindestens 5 Beschäftigte gibt, kann eine Betriebsratswahl stattfinden. Dein Chef/deine Chefin, darf die Wahl nicht behindern. Als Betriebsrätin/Betriebsrat hast du einen besonderen Kündigungsschutz und du kannst einen Teil deiner Arbeitszeit für die Betriebsratstätigkeit verwenden. Wir unterstützen und begleiten dich und deine KollegInnen bei der Durchführung der Betriebsratswahl.
Du möchtest mit uns darüber reden? Dann wende dich an unsere Beratung in deinem Bundesland. Alle Kontakte findest du hier: https://www.gpa.at/kontakt

Seit der Pandemie registriert die Betriebsrätin eine gravierende Veränderung bei den Beschäftigten: „Sie arbeiten um zu leben und leben nicht um zu arbeiten.“ Die Bedingungen der Arbeit würden immer wichtiger: „Die Branche arbeitet seit 2017 ohne gültigen Kollektivvertrag, uns laufen viele qualifizierte KollegInnen davon. Wir versuchen mit Betriebsvereinbarungen etwas zu bewegen, um zumindest automatisierte Gehaltserhöhungen zu erreichen.“

In schwierigen Verhandlungen bleibt Polley stets lösungsorientiert, scheut aber keine Konfrontation: „Als Fürsprecherin der Belegschaft fürchte ich mich nicht davor, keinen Konsens zu finden. Manchmal müssen Probleme eskalieren, damit dann wieder alles gut wird.“

Kritiker überzeugen

Polley ist ein Organisationstalent, sie interessiert sich für rechtliche Inhalte und bleibt immer authentisch: „Ich achte sehr auf meine Formulierungen und weiß respektvolle und offene Kommunikation sehr zu schätzen.“ Als Vorsitzende möchte sie die KollegInnen „bestärken, den Mut zu finden sich aufzumachen: Sei es auch nur zu uns BetriebsrätInnen, damit wir sie vertreten können.“ Stolz macht es sie, dass sie „nach eineinhalb Jahren Arbeit so manchen internen Kritiker überzeugt hat sich zu informieren oder um Hilfe zu bitten.“

Zur Person:
Denise Polley lebt in Wien, ist 35 Jahre alt und hat eine kleine Tochter. In ihrer Freizeit entspannt sie am liebsten beim interaktiven Rollenspiel „Dungeons and Dragons“.

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