„Die Branche muss schleunigst umdenken!“

Peter Kelis, Betriebsratsvorsitzender der Raiffeisen Informatik GmbH, strebt in einer zukunftsorientierten Branche auch zukunftsweisende Arbeitsbedingungen an. Nach langen und schwierigen KV-Verhandlungen ist zwar vorerst Ruhe eingekehrt, es bleibt aber genug zu tun.

Peter Kelis ist Betriebsratsvorsitzender der Raiffeisen Informatik GmbH, einem Unternehmen, das IT-Dienstleistungen für Finanz- und Versicherungsdienstleister erbringt. Das Unternehmen hat mehrere Tochtergesellschaften und ist auch international tätig. Am Standort im 2. Wiener Gemeindebezirk, wo Kelis arbeitet, sind 750 Mitarbeiter:innen beschäftigt. Im Betriebsratsteam engagieren sich 13 Kolleg:innen.

Was ihn als Vorsitzenden dieses Teams vor allem beschäftigt ist der permanente Druck, der durch den Sparauftrag der Unternehmensleitung entsteht: „Viele Mitarbeiter:innen brennen aus“, berichtet Kelis, „weil die Personaldecke dünn ist und die Arbeitszeiten ausufern. Als Betriebsrat bemühen wir uns, den Sparkurs möglichst abzufedern und ein faires Gleitzeitmodell durchzusetzen.“

Kelis ist außerdem Teil des Verhandlungsteams für den IT-Kollektivvertrag, das dieses Jahr sehr schwierige KV-Verhandlungsrunden hinter sich hat. „Es hat sich gelohnt“, findet er, „trotzdem gibt es noch viel zu tun in dieser Branche.“

„Als Betriebsrat bemühen wir uns, den Sparkurs möglichst abzufedern und ein faires Gleitzeitmodell durchzusetzen.“

Peter Kelis

Betriebsrat aus Überzeugung

Seit 1995 ist Kelis bereits Mitglied des Betriebsratsteams. Er begann als stellvertretender Betriebsrat, seit 2001 hat er den Vorsitz inne. Bei allen Betriebsratswahlen war er auf der Liste vertreten – wobei es immer nur eine Liste gab: „Die Kolleginnen und Kollegen sind mit unserer Arbeit sehr zufrieden“, freut er sich.

Kelis hat seinen Berufswunsch, den er schon seit seiner Schulzeit hatte, hundertprozentig verwirklicht. Er wollte in der IT oder in einer Bank arbeiten – und hat beides erreicht. Die IT ist für ihn Beruf und Hobby zugleich. Seit mittlerweile dreißig Jahren ist er für die Raiffeisen Informatik tätig. Nach verschiedenen anderen Etappen arbeitet er nun im Application Management.

Peter Kelis hat außerdem ein Lebensmotto, das ihn bei seinem langjährigen Engagement als Betriebsrat leitet: „Was haben andere davon, dass es mich gibt?“ fragt er sich. Bei Verhandlungen, Diskussionen oder in schwierigen Situationen hilft ihm dieses Motto, den Fokus zu finden. „Ich möchte anderen zu dem verhelfen, was ihnen rechtlich zusteht – mindestens das. Und ich kämpfe, wo immer es möglich ist, für mehr!“

Ungeregelte Arbeitszeiten

Die Raiffeisen Informatik produziert keine Software, sondern betreut die Infrastruktur ihrer Kunden, darunter Arbeitsplätze und Server für Banken. Das Unternehmen zeichnet sich durch seine Größe aus und ist in Österreich eher eine Ausnahme, da die Branche von Kleinbetrieben dominiert wird.

Die Infrastruktur der Banken wie Server, Netzwerk, u. dgl., die von der Firma betreut werden, erfordern regelmäßige Wartungsarbeiten. Diese müssen größtenteils nachts oder am Wochenende durchgeführt werden, um den Betrieb so wenig wie möglich zu beeinträchtigen. Für die Kolleg:innen bedeutet das oft Arbeit außerhalb der regulären Arbeitszeiten. Für das Gleitzeitkontomodell seines Betriebs wären dringend Verbesserungen notwendig: Arbeiten am Sonntag z.B. wird nur mit Zeitausgleich vergütet, eine Auszahlung als Überstunden ist nicht möglich. „Wenn ich am Montag frei habe anstatt am Sonntag, so ist das nicht familienfreundlich. Überstunden sollten auch ausbezahlt werden können“, findet Kelis. Doch da das Unternehmen die Kosten senken will, bedeutet jede Nachbesserung im Gleitzeitmodell für den Betriebsrat das Bohren harter Bretter.

Die oft ungeregelten Arbeitszeiten, insbesondere die Nachtarbeit, sind auch der Grund, warum der Frauenanteil im Betrieb nur bei den branchenüblichen 20 Prozent liegt. „Hier müsste endlich etwas an den Rahmenbedingungen geändert werden“, kritisiert Kelis.

Fachkräftemangel

Die Sparmaßnahmen führen außerdem dazu, dass die Personaldecke dünn ist. „Wir kämpfen dafür, dass der Mitarbeiterstand erhalten bleibt“, betont Kelis. Den Personalstand zu reduzieren, um Kosten zu sparen, ist in einer Branche wie der IT nämlich kontraproduktiv: „Bei uns arbeiten Spezialisten. Wenn beispielsweise eine Stelle nach einer Pensionierung nicht nachbesetzt wird, macht sich das bemerkbar, weil eine ganz bestimmte Expertise fehlt“, fügt er hinzu. „Und natürlich führt Personalabbau – wie überall – zur Überlastung der Belegschaft, da der Arbeitsdruck ständig steigt.“

Die Personalfluktuation ist hoch. Was motiviert Mitarbeiter:innen andererseits zu bleiben? „Der Zusammenhalt ist sehr gut“, erklärt Kelis, „Das motiviert alle. Denn die Leute wissen: Wenn das Boot sinkt, schöpfen wir alle gemeinsam! Ein gutes Team ist wirklich viel wert und kompensiert andere Mängel.“

Hast du schon einmal überlegt, selbst einen Betriebsrat zu gründen?

Wenn es bei dir im Betrieb mindestens 5 Beschäftigte gibt, kann eine Betriebsratswahl stattfinden. Dein Chef/deine Chefin, darf die Wahl nicht behindern. Als Betriebsrätin/Betriebsrat hast du einen besonderen Kündigungsschutz und du kannst einen Teil deiner Arbeitszeit für die Betriebsratstätigkeit verwenden. Wir unterstützen und begleiten dich und deine KollegInnen bei der Durchführung der Betriebsratswahl.
Du möchtest mit uns darüber reden? Dann wende dich an unsere Beratung in deinem Bundesland. Alle Kontakte findest du hier: https://www.gpa.at/kontakt

Verhandlungsteam IT-Kollektivvertrag

Seit 2017 ist Kelis im Verhandlungsteam für den IT-Kollektivvertrag. Dieses Jahr brauchte es neun Runden, um zu einem Abschluss zu kommen – für alle Verhandler:innen eine extrem herausfordernde Zeit!

Der hart erkämpfte Abschluss von 7,8 Prozent gilt erstmalig für zwei Jahre. „Unser Ziel war es, über der Inflationsrate abzuschließen, das haben wir erreicht, damit ist der Werterhalt gegeben.“ Der Mindestbetrag von 175 Euro stärkt besonders die niedrigen Einkommen. Der Wermutstropfen: Der Abschluss gilt erst ab 1. Juli (und nicht schon ab April) und es konnte keine Ist-Erhöhung erkämpft werden.

„Unser Ziel war es, über der Inflationsrate abzuschließen, das haben wir erreicht, damit ist der Werterhalt gegeben.“

Peter Kelis

Kelis ist sich zwar bewusst, dass es in einer Dienstleistungsbranche schwieriger ist, Gehaltserhöhungen durchzusetzen als in der Industrie, da sich höhere Personalkosten weit stärker auswirken. Trotzdem war er von der Unnachgiebigkeit der Gegenseite während der Verhandlungen unangenehm überrascht. „Es kamen Ausreden wie Umsatzeinbrüche oder die Wirtschaftslage“, kritisiert er, „Tatsächlich boomt die Branche seit Corona. Das wahre Problem ist der Personalmangel, und der wird durch stagnierende Gehälter nur schlimmer werden!“ Gerüchten zufolge werden in Österreich 20.000 Personen in der IT gesucht.

Trotz relativ guter Einstiegsgehälter ist es in der IT schwierig, im Verlauf der Karriere beim Verdienst zuzulegen. Auch sonst sind die Arbeitgeber kaum zu Verbesserungen bereit. „Das beginnt schon bei der Lehre, es gibt z.B. keine Bildungsfreistellung für Lehrlinge, die zugleich die Matura ablegen, wie in anderen Branchen. Woher soll der Nachwuchs kommen, wenn wir ihn so wenig fördern?“ ärgert sich der Belegschaftsvertreter, „Wir sind eine Dienstleistungsbranche und sollten daher auch unsere eigenen Beschäftigten entsprechend behandeln.“ Neues Personal zu finden ist daher nicht einfach. „Wenn wir als Branche attraktiv sein wollen, müssen wir schleunigst umdenken!“

Mitgliederzuwächse

Als Ziele für zukünftige Verhandlungen bleiben das Erreichen einer Ist-Erhöhung sowie die Vorverlegung des Gültigkeitstermins des KV in zwei Schritten, zunächst auf den 1. April und dann auf den 1. Jänner. Doch Kelis weiß aus langjähriger Erfahrung, dass hier viel Geduld vonnöten sein wird. Auch Forderungen wie die 6. Urlaubswoche oder Prämien stoßen bei den Arbeitgebern auf taube Ohren. „Selbst eine kleine Forderung, nämlich die nach einem freien Tag zum Geburtstag, wurde abgeschmettert“, berichtet er, „In meinem Unternehmen gibt es diesen freien Tag und auch weitere Vorteile wie Prämien sehr wohl. Einzelne Personen im Verhandlungsteam blockieren hier Fortschritte“, fasst er zusammen.

Positiv sieht Kelis die große Aufmerksamkeit, die die vielen Demos vor den KV-Verhandlungsrunden erregt haben. „Das hat uns gute Mitgliederzuwächse gebracht“, freut er sich, „Für die Zukunft gibt uns das eine bessere Verhandlungsmacht!“ Und schließlich sind die Kolleg:innen auch zufrieden mit dem Abschluss: „Die Lohnsumme ist gesichert, das ist wichtig!“

Zur Person:
Als alleinerziehender Vater ist Peter Kelis sehr beschäftigt: von den vier Kindern aus seiner Ehe lebt das jüngste bei ihm. Trotzdem bleibt ihm noch Zeit für sein Hobby: Geländewagenfahren mit dem Pinzgauer, einem militärischen Fahrzeug. Kelis nimmt an Wettbewerben zur Fahrgeschicklichkeit teil, wo die Herausforderung darin besteht, kurvige, steile oder schwer befahrbare Strecken zu meistern. „Solche Herausforderungen begeistern mich – und sie machen mir den Kopf frei!“

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