Initiative lohnt sich

Porträtfoto, 2 Männer, 1 Frau. Das Betriebsratsteam der Sigmund Freud Privatuni: Erich Eder, Handan Özbaş, Carlos Watzka
Das Betriebsratsteam der Sigmund Freud Privatuni v.l.n.r.: Erich Eder, Handan Özbaş, Carlos Watzka
Foto: Alexander Kobinger

In der Sigmund Freud Privatuniversität werden endlich Betriebsvereinbarungen abgeschlossen – die Beteiligung steirischer Sturschädel wird nicht abgestritten.

„Ab und an braucht es ein bisschen Druck, damit etwas passiert“, erklärt Carlos Watzka mit einem Lachen. Der assoziierte Professor für Psychotherapiewissenschaft in Linz ist auch als Betriebsratsvorsitzender der Sigmund Freud Privat Universität (SFU) tätig. Gegründet 2005 in Wien, kamen weitere Standorte in Linz, Berlin, Paris, Ljubljana und Mailand hinzu. Doch mit einem Betriebsrat kann sich die SFU erst seit Dezember 2022 schmücken: rund 400 Arbeitnehmer:innen werden in Wien und Linz von Watzka und seinem BR-Team vertreten.

Derzeit gilt es, eine Reihe von Aufgaben zu lösen, die seit der Gründung unerledigt geblieben sind: etwa ein transparentes Gehaltsschema zu schaffen. Schließlich gibt es bis heute keinen Kollektivvertrag für Arbeitnehmer:innen in Privatuniversitäten – die Gehälter liegen oft deutlich unter denen vergleichbarer Positionen an öffentlichen Unis. Angesichts der hohen Studiengebühren ist das eine überraschende Tatsache. 

In Zukunft mit Betriebsrat

Handan Özbaş, studierte Politikwissenschafterin und Verwaltungsangestellte am SFU-Standort Wien, ärgerte sich schon länger über diese Missstände. „Viele meiner Kolleg:innen waren über die unterschiedlichen Löhne für die gleichen Tätigkeiten frustriert, viele Stellen konnten damit einfach nicht nachbesetzt werden“, macht Özbaş deutlich.

„Viele meiner Kolleg:innen waren über die unterschiedlichen Löhne für die gleichen Tätigkeiten frustriert, viele Stellen konnten damit einfach nicht nachbesetzt werden.“

Handan Özbaş

Entschlossen, einen Betriebsrat zu gründen, führte sie ein Aushang in der Uni geradewegs zu Gleichgesinnten.  Der Verfasser der Mitteilung war freilich Carlos Watzka: „Dass sich die Studierenden an die ÖH wenden können, Mitarbeiter:innen aber nirgendwo hin, das fand ich kurios“. Nach der BR-Wahl Ende 2022 übernahm Watzka die Funktion des Vorsitzenden, Handan Özbaş die seiner Stellvertreterin – ein kongeniales Team. Er ist öffentliches Auftreten gewohnt, sie ist eine äußerst routinierte Organisatorin.

Die gebürtigen Steirer haben sich erst über die Arbeit kennengelernt – zwei „steirische Sturschädel“ mit Migrationshintergrund. Watzkas Vater stammt aus Brasilien, Özbaş wurde in der Osttürkei geboren und hat kurdische Wurzeln. Mit im BR-Team ist der Biologe Erich Eder, der Medizinstudent:innen an der SFU Wien unterrichtet. Wie erwähnt, mangelt es ihnen nicht an Aufgaben: um Personal zu sparen, wurden Stellen teilweise nicht ausgeschrieben, unattraktive Gehälter zogen – wenig verwunderlich – keine Bewerber:innen nach sich. Fazit: einige Abteilungen sind geradezu chronisch überlastet.

Hast du schon einmal überlegt, selbst einen Betriebsrat zu gründen?

Wenn es bei dir im Betrieb mindestens 5 Beschäftigte gibt, kann eine Betriebsratswahl stattfinden. Dein Chef/deine Chefin, darf die Wahl nicht behindern. Als Betriebsrätin/Betriebsrat hast du einen besonderen Kündigungsschutz und du kannst einen Teil deiner Arbeitszeit für die Betriebsratstätigkeit verwenden. Wir unterstützen und begleiten dich und deine KollegInnen bei der Durchführung der Betriebsratswahl.
Du möchtest mit uns darüber reden? Dann wende dich an unsere Beratung in deinem Bundesland. Alle Kontakte findest du hier: https://www.gpa.at/kontakt

Sparen zu Lasten der Belegschaft

Für eine Entschärfung der angespannten SFU-Personal-Causa sollten erste Gespräche im Mai 2023 sorgen. „Die Geschäftsführung war schon bereit, Regeln zu vereinbaren, doch eilig hatte sie es nicht“, weiß Betriebsratsvorsitzender Watzka zu berichten. „Der bisherige Zustand hat der Chefetage durchaus viele Kosten erspart.“ Unter der Devise schleichen statt eilen, verging beinahe ein Jahr ohne entscheidenden Fortschritt – dem Betriebsrat wurde es zu guter Letzt zu bunt. Für Ende April wurde eine öffentliche Protestversammlung vor der Wiener SFU ausgerufen und ein Warnstreik initiiert. In kürzester Zeit zeigte sich die Geschäftsführung zu neuen Gesprächen bereit, ein Negativ-Image schien wohl wenig attraktiv. „Es ist schließlich sehr schnell gegangen“, freut sich die stellvertretende Betriebsratsvorsitzende Handan Özbaş. Die erste Betriebsvereinbarung – sie regelt das Gehaltsschema – wurde nur eine Woche später abgeschlossen.

„Der bisherige Zustand hat der Chefetage durchaus viele Kosten erspart.“

Carlos Watzka

„Wir haben die Tätigkeitsbereiche sowohl für die wissenschaftlichen als auch für die administrativ-unterstützenden Mitarbeiter:innen detailliert festgehalten“, erklärt Özbaş das nunmehr endlich transparente und übersichtliche System. „Dazu wurden Mindestgehälter und auch ein moderates Vorrückungsschema nach Dienstjahren vereinbart.“

Und Betriebsrat Eder ergänzt: „Anhand von Tabellen ist einfach ersichtlich, wem welches Mindestgehalt zusteht“. Doch auch für den Arbeitgeber stellt die Betriebsvereinbarung eine Erleichterung dar: die Vielzahl an Einzelverträgen ist Geschichte.

Umsichtiger Seiltanz

Die Nachbesetzung der lange vakanten Stellen scheint mit den erhöhten Einstiegsgehältern gelöst. Betriebsvereinbarungen zu Mehrleistung, Gleitzeit, Homeoffice und Urlaub folgen demnächst. Gerade die Gleitzeitvereinbarung ist für das administrative Personal und die klinischen Mitarbeiter:innen entscheidend, eine gewisse Flexibilität zu schaffen ist überfällig. Zudem muss festgesetzt werden, wann eine Überstundenvergütung bezahlt und wann sie durch Zeitausgleich abgebaut wird. Bald sollen auch Betriebsvereinbarungen über Homeoffice und Urlaube abgeschlossen werden.

Watzka, Özbaş, Eder und das weitere BR-Team sind bei den Verhandlungen freilich nicht auf sich alleine gestellt: der Linzer GPA-Regionalsekretär Hannes Wanka und sein Wiener Kollege Karl Humpelstetter stehen ihnen mit Rat und Tat zur Seite. „Ohne die GPA wäre die Betriebsratsgründung viel schwieriger gewesen“, lobt Carlos Watzka. Wer frisch als Betriebsrat agiert, muss durchaus einiges lernen.

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