Lehrlinge: Jugendliche zweiter Klasse?

Foto: Daniel Novotny

Die Lehrlinge wurden während der Pandemie von der Bundesregierung vernachlässigt. Die Gewerkschaftsjugend fordert die Schaffung von Lehrstellen, Unterstützung für BerufsschülerInnen und eine bessere Berufsorientierung.

„Wir befürchten, dass sich die Lage für Lehrlinge, die nach einer Lehrstelle suchen, im Herbst wieder zuspitzen wird,“ erklärt Christian Hofmann, Bundesjugendsekretär der GPA. Im Herbst werden mehr SchulabgängerInnen auf den Arbeitsmarkt drängen. „Auch wenn die Wirtschaft es abstreitet – in Wahrheit fehlen tausende Lehrstellen“, kritisiert Hofmann. Die offiziellen Zahlen spiegeln nicht die reale Situation wieder: Schon im Frühjahr zählten ÖGJ und Arbeiterkammer über 20.000 Lehrlinge ohne Lehrstelle in einem Betrieb. Entgegen den offizielle Zahlen der Regierung bezieht die Gewerkschaftsjugend bei ihrer Zählung auch jene Jugendlichen mit ein, die in einer Schulung sind oder in überbetrieblicher Ausbildung.

Berufsschüler vernachlässigt

Die Lehrlinge wurden während der Pandemie von der Regierung stiefmütterlich behandelt. Berufsschulen unterrichteten im Distance Learning, Betriebe waren in Kurzarbeit – all das ging zu Lasten der Qualität der Lehrausbildung. „Lehrlinge sind keine SchülerInnen zweiter Klasse, sie haben sich einen Bildungsminister verdient, der sich ihrer genauso ernsthaft annimmt, wie allen anderen SchülerInnen auch“, fordert Hofmann, „Vor allem muss sichergestellt sein, dass jede und jeder die Lehrabschlussprüfung schafft.“

Berufsorientierung

In manchen Unternehmen bewerben sich mehrere hundert Jugendliche auf einige
wenige Lehrstellen. „Viele Lehrstellen sind überlaufen, gleichzeitig können anderswo freie Stellen nicht besetzt werden,“ berichtet Hofmann. Berufe wie Einzelhandelskaufmann/-frau, Kfz-TechnikerIn oder Bürokauffrau/-mann sind deutlich stärker nachgefragt als andere. Hier braucht es eine verbesserte Berufsorientierung, die traditionelle Rollenbilder in der Berufswahl aufbricht und die Neigungen und Interessen der Jugendlichen ernst nimmt.

Schreckgespenst Jugendarbeitslosigkeit

Der Schlüssel zu einem erfolgreichen Berufsleben als FacharbeiterIn ist die Lehrlingsausbildung: „Junge Menschen mit stabilen Beschäftigungsverhältnissen verdienen 10 bis 20 Prozent mehr als
Gleichaltrige ohne abgeschlossene Berufsausbildung, die immer wieder arbeitslos werden“, rechnet Hofmann vor. Dies hat Effekte auf ihr gesamtes weiteres Leben, bis hin zu einer geringeren Pension.
Im Sommer lag die Jugendarbeitslosigkeit in Österreich mit 11 Prozent deutlich über der allgemeinen Arbeitslosenquote von 6,4 Prozent. Solche Zahlen, befürchtet Hofmann, sind ein Warnsignal und eine klare Aufforderung, endlich konkrete Schritte zu setzen.

Forderungen

Der Bundesjugendsekretär appelliert an die Wirtschaft, mehr Ausbildungsplätze zu schaffen. „Große Betriebe müssen in der jetzigen Situation über Bedarf ausbilden, besonders in jenen Gegenden, in denen zu wenige Lehrstellen angeboten werden, die Regierung sollte hierfür Anreize schaffen.“ Kleine und mittlere Unternehmen benötigen zielgerichtete Unterstützungsgelder, um zusätzliche Lehrstellen schaffen zu können. Ebenso muss der öffentliche Dienst einspringen und verstärkt Lehrlinge aufnehmen.

Für alle, die keine Stelle im Betrieb finden können, sollte es ausreichend Plätze in der überbetrieblichen Ausbildung geben. Zur Unterstützung bei der Lehrabschlussprüfung will die Gewerkschaftsjugend eine Freistellung vom Betrieb für Lerntage.

Die Finanzierung für diese Maßnahmen könnte man mithilfe öffentlicher Gelder sicherstellen. „Die Vorschläge liegen seit dem letzten Jahr auf dem Tisch – allerhöchste Zeit, sie endlich umzusetzen“, richtet Hofmann seinen Appell an die Regierung.

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