Die Situation in den Kindergärten hierzulande sei ein „Armutszeugnis“, kritisiert Kabarettistin Caroline Athanasiadis. Sie fordert: Mehr streiken – und dass auch Männer mal den Mund aufmachen!
KOMPETENZ: Sie haben sich in den vergangenen Jahren mehr Richtung politisches Kabarett orientiert. Gibt es einen bestimmten Grund dafür?
Caroline Athanasiadis: Auslöser war die Pandemie. Ich habe mich am Anfang einfach nur ans Fenster gesetzt, wo sich um 18 Uhr meist mehrere Künstler auf diversen Plattformen getroffen haben und musiziert haben. Das habe ich auch gemacht und ich habe Lieder umgetextet. Dann habe ich für jeden Tag ein Thema gebraucht und habe natürlich das tagespolitische Geschehen hergenommen. Das ist passiert, ich habe mich nicht hingesetzt und geplant, dass ich jetzt politisches Kabarett mache. Abgesehen davon war ich immer schon ein sehr politischer Mensch und ich wollte zu gewissen Dingen einfach nicht mehr schweigen. Ich finde, man kann ruhig – man sollte sogar – Stellung beziehen! Ich finde es immer ein bisschen einfach und bequem, immer nur allen gefallen zu wollen. Das funktioniert sowieso nicht.
KOMPETENZ: In einem Lied richteten Sie Ex-Kanzler Kurz aus: „Ich wünsche dir und deinem Schatz einen freien Kindergartenplatz“. Glauben Sie, hat er den mittlerweile gefunden?
Caroline Athanasiadis: Ich glaube nicht, dass er sich darum kümmert. Das ist meine große Überzeugung. Ich glaube, die Mutter wird sich darum kümmern. Ich hoffe, sie hat sich schon darum gekümmert, denn sonst wird’s schwierig. Das Kind ist schon auf der Welt und als ich damals mit meinem zwei Wochen alten Sohn in den Kindergarten spaziert bin und ich gefragt habe, ob ich in zwei Jahren einen Platz haben kann, da haben sie mich ausgelacht. Sie haben gemeint, ich bin zu spät dran. Ich habe gedacht, das kann ja nicht wahr sein. Wann soll ich einen Kindergartenplatz reservieren? Beim Eisprung? Das kann nicht wahr sein – aber es ist Realität! Ich habe meinen Sohn in sechs Kindergärten angemeldet und habe in keinem einen Platz bekommen. Ich konnte nur durch Zufall einen ergattern, weil ein anderer Kindergarten neu eröffnete. Das war mein Glück! Ich gehe davon aus, dass Kurz einen bekommt, weil er die richtigen Leute kennt. Aber das ist nicht die Regel. Es ist eigentlich ein Armutszeugnis für ein so reiches Land wie Österreich, dass wir bei der Kinderbetreuung sparen.
KOMPETENZ: Elementarpädagogik ist ein Thema, mit dem Sie sich schon lange auseinandersetzen. Wieso?
Caroline Athanasiadis: Ich habe gesehen, dass eine große Fluktuation herrscht. Ich habe beobachtet, wie viele gute Kindergartenpädagoginnen weggehen, weil sie es nicht mehr aushalten. Nicht, weil die Kinder so furchtbar sind, sondern weil die Bedingungen so schlecht sind. Es gibt einfach viel zu wenig Personal und es wird nicht richtig entlohnt. Jeder, der einmal auf ein Kind aufgepasst hat, weiß wie anstrengend das ist – und die passen einfach auf 20 Kinder auf. Ich finde, das gehört besser entlohnt.
„Und die Kindergartenmitarbeiterinnen sind alle viel zu nett – die streiken einfach nicht. Weil sie sich denken, die armen Kinder sitzen dann vor der Tür. Ich finde, sie sollten eine ganze Woche streiken, weil, wenn die Eltern sich aufregen, dann würde mehr weitergehen.“
Caroline Athanasiadis
Jeder möchte nur das Beste für sein Kind und da verstehe ich nicht, wieso genau da gespart wird. Es ist unlogisch, unverständlich, seit Jahren! Außer in Österreich ist Elementarpädagogik in jedem anderen europäischen Land eine akademische Ausbildung. Die werden auch dementsprechend entlohnt – und ich finde, das gehört hier genauso! Das Schockierendste für mich war, als ich in der Pandemie mitbekommen habe, dass die Elementarpädagoginnen nicht der Bildungsdirektion unterstehen. Das heißt, bei uns in Österreich beginnt die Bildung erst in der Volksschule, was ja ein vollkommener Blödsinn ist! Das gehört echt geändert! Und die Kindergartenmitarbeiterinnen sind alle viel zu nett – die streiken einfach nicht. Weil sie sich denken, die armen Kinder sitzen dann vor der Tür. Ich finde, sie sollten eine ganze Woche streiken, weil, wenn die Eltern sich aufregen, dann würde mehr weitergehen.
KOMPETENZ: Welche Möglichkeiten stehen Ihnen als Kabarettistin da zur Verfügung?
Caroline Athanasiadis: Ich kann laut sein! Ich kann laut sein und immer wieder das Gleiche sagen. Bis es irgendwann ankommt. Ich weiß, dass es ankommt! Ich habe definitiv etwas ausgelöst, jetzt heißt es dranbleiben! Ich bin niemand, der das nur einmal sagt und dann wieder vergisst. Ich habe das ganze Jahr unter das Motto Bildung gestellt. Denn es ist jetzt echt an der Zeit, dass die Politik ihren Arsch bewegt. Wir sind im Mittelalter, was die Bildung betrifft. Dann wundern sie sich, dass die Leute auf die Straße gehen und Diktatur schreien und nicht mal wissen, was Diktatur bedeutet. Ich denke, mit Bildung könnte man sehr viel auffangen!
KOMPETENZ: Welches Potential sehen Sie hier?
Caroline Athanasiadis: Die Elementarpädagoginnen müssen konsequenter sein! Gerade heute war in den Schlagzeilen, dass sie teils Leute aus der Pension zurückholen müssen. Das kann‘s doch nicht sein! Aber wenn man den Beruf attraktiver macht, gerecht entlohnt und vielleicht bei Managergehältern einspart, dann kann mir keiner sagen, dass man das nicht finanzieren kann. Wer das sagt, der lügt.
KOMPETENZ: Gibt es mehrere in Ihrer Branche, die sich diesem Thema derzeit annehmen?
Caroline Athanasiadis: Es ist etwas lächerlich, dass dieses Thema nur Frauen ansprechen. Wieso nicht Männer auch? Ich bin’s leid, als Frau aufzustehen und zu sagen, ich bin für die Kindererziehung zuständig! Es könnten meiner Meinung nach auch Männer ihren Mund aufmachen bei diesem Thema!
KOMPETENZ: Angesichts der Skandale und Chats der vergangenen Monate: Wie schwierig ist es, mit Kabarett noch einen draufzusetzen, wenn die politische Realität schon derart absurd ist?
Caroline Athanasiadis: Wenn‘s so weiter geht, bin ich bald arbeitslos! Ich find’s schlimm, dass es normal geworden ist, dass Politik „kabarettistisch“ ist. Man glaubt ja oft gar nicht, dass das wahr ist, was da passiert. Hätte ich das frei erfunden und in ein Kabarettprogramm verpackt, hätten das alle für total übertrieben gefunden. Aber das ist die Realität – eigentlich könnte man die exakten Sätze und die exakten Zitate nehmen und auf die Bühne bringen. Jeder würde glauben, das ist Satire. Aber ja, oft sitzt man sprachlos da und fragt sich, was soll ich auf der Bühne eigentlich noch machen?
Zur Person:
Caroline Athanasiadis, geb. 1980, ist Schauspielerin, Sängerin und Kabarettistin. Vergangenes Jahr gewann sie die ORF-Tanzshow „Dancing Stars“.