Eine neue Studie im Auftrag der Arbeiterkammern belegt, dass Vermögen in Österreich noch wesentlich konzentrierter sind, als bisher angenommen.
Über Geld spricht man nicht. Man hat es einfach – oder auch nicht. Kaum ein Thema ist in unserer Gesellschaft mit so vielen Tabus behaftet, wie die Frage nach dem lieben Geld. Dass Armut von den Betroffenen oft als Schande empfunden wird, ist wenig überraschend. Doch auch über Reichtum wird bestenfalls getuschelt. Der Wert von Villa, Bankkonto und Finanzanlagen ist normalerweise ein gut gehütetes Geheimnis. So gut gehütet, dass auch in Befragungen tiefgestapelt und verschleiert wird. Je vermögender jemand ist, umso weniger ist er/sie in der Regel bereit, ehrliche Auskunft über das Vermögen zu geben. Auch bei der Erhebung der Österreichischen Nationalbank zu den Vermögen in Österreich wurde durch diesen Effekt das Vermögen der reichsten Haushalte systematisch unterschätzt, denn besonders im obersten Bereich häufen sich Aussageverweigerungen und Falschangaben. Die Nationalbank hat daher bereits in ihrer Studie festgehalten, dass Vermögen in Österreich vor allem an der Spitze noch wesentlich konzentrierter ist, als sich durch eine Befragung erheben lässt.
Diese Verzerrung der tatsächlichen Vermögenssituation ist bekannt und bleibt unbefriedigend. Die AK hat daher bei der Kepler-Universität Linz eine Studie in Auftrag gegeben, die mittels eines etablierten statistischen Verfahrens Vermögensdaten hochrechnet. Auf Basis der Nationalbankdaten vom Herbst wurde die Spitze der Vermögenshierarchie neu berechnet – mit selbst für die Experten überraschenden Ergebnissen.
Die Reichen sind noch reicher
Das reichste Prozent der Bevölkerung ist noch wesentlich vermögender als bisher angenommen und besitzt fast eine halbe Billion (469 Milliarden Euro) an Vermögen. Das sind fast 40 Prozent des Gesamtvermögens. Bisher ist man davon ausgegangen, dass das reichste Prozent der Bevölkerung etwa 23 Prozent des gesamten Vermögens besitzt. Der Reichtum des obersten Prozents wurde bisher um fast 100 Prozent zu niedrig eingeschätzt. Insgesamt besitzen die österreichischen Haushalte um etwa ein Viertel mehr als angenommen. Das gesamte Nettovermögen der österreichischen Haushalte beträgt nicht wie bisher vermutet 1 Billion, sondern 1,25 Billionen Euro. Das sind 1.250 Milliarden Euro. Um die Dimensionen dieser Zahlen zu verdeutlichen: Das gesamte Bruttoinlandsprodukt 2012 betrug 305 Milliarden. Die Staatsverschuldung 227 Milliarden. Deutlich erhöht im Vergleich zu den Ausgangsdaten hat sich auch der Anteil der obersten 10 Prozent. Sie besitzen mit fast 70 Prozent mehr als doppelt so viel wie die restlichen 90 Prozent. Die untere Hälfte besitzt daher gerade einmal 2 Prozent des gesamten Vermögens.
Das Ergebnis der Berechnungen ist auch deshalb so dramatisch, weil die Wissenschaftler in ihren Annahmen konservativ und vorsichtig vorgegangen sind. So wurde eine obere Begrenzung der höchsten Vermögen bei einer Milliarde Euro eingeführt, um eine Überschätzung des Gesamtvermögens möglichst auszuschließen. Daher sind auch in der Neuberechnung keine privaten Vermögen von mehr als einer Milliarde Euro enthalten. Wenn die Reichen nun also noch reicher sind als gedacht, und ihr Vermögen bisher weit unterschätzt wurde, bedeutet das, dass auch die möglichen Einnahmen aus einer Vermögenssteuer bisher unterschätzt wurden. Durch die starke Vermögenskonzentration bringt selbst eine Vermögenssteuer mit einem großzügigen Freibetrag und progressiven Steuersätzen hohe Einnahmen.
Mittelstandsargument ist unsinnig
„Für uns war schon vor Bekanntwerden dieser Studie klar, dass kein Weg an einer Vermögensbesteuerung vorbeiführt. Auch die Mehrheit der Österreicherinnen und Österreicher ist von der Notwendigkeit einer Vermögenssteuer überzeugt. Vielleicht führen die aktuellen Zahlen auch bei den Gegnern endlich zu einem Umdenken und dazu, dass sie nicht länger mit Halbwahrheiten argumentieren“, kommentiert Wolfgang Katzian die neue Studie. Wer angesichts der neuen Verteilungssituation weiterhin behauptet die Vermögenssteuer würde nicht die Milliardäre und Millionäre treffen, sondern den Mittelstand, läuft Gefahr, sich der Lächerlichkeit preiszugeben.