Der Europäische Gerichtshof (EuGH) hat zugunsten der Beschäftigten entschieden. Wer vom Arbeitgeber in eine Fortbildung geschickt wird, kann das als Arbeitszeit abrechnen.
In der Praxis stellt sich immer wieder die Frage, ob eine berufliche Fortbildung Arbeitszeit ist oder die Beschäftigten eine solche in ihrer Freizeit absolvieren müssen. Das Problem dabei ist, dass solche Ausbildungszeiten außerhalb des gewöhnlichen Arbeitsortes in der Praxis je nach Unternehmen unterschiedlich gehandhabt werden.
Mitunter wird die Ausbildung nur so weit als Arbeit verzeichnet und bezahlt, als sie während der vereinbarten Arbeitszeit stattfindet. Besuchen MitarbeiterInnen Kurse am Abend oder am Wochenende, dann gilt das als Freizeit und bleibt unbezahlt.
Der Europäischer Gerichtshof gibt nun auf diese Frage eine klare Antwort:
Der EuGH hat in einer Richtlinie aus 2003 den Begriff Arbeitszeit als „jede Zeitspanne definiert, während der ein Arbeitnehmer (…) arbeitet, dem Arbeitgeber zur Verfügung steht und seine Tätigkeit ausübt oder Aufgaben wahrnimmt“ (Art. 2 Nr. 1 der Arbeitszeitrichtlinie 2003/88/EG). Ruhezeit wird negativ definiert als jede Zeitspanne außerhalb der Arbeitszeit. Arbeitszeit und Ruhezeit schließen somit einander also aus.
Wann liegt also unzweifelhaft Arbeitszeit vor?
Wenn der/die ArbeitnehmerIn persönlich an dem vom Arbeitgeber bestimmten Ort anwesend sein und ihm zur Verfügung stehen muss, um gegebenenfalls sofort seine Leistungen erbringen zu können. Arbeitsplatz kann dabei jeder Ort sein, an dem der/die ArbeitnehmerIn nach Weisung seines Arbeitgebers eine Tätigkeit auszuüben hat.
Erhält ein/eine ArbeitnehmerIn von seinem Arbeitgeber die Anweisung, eine berufliche Fortbildung zu absolvieren, um die von ihm wahrgenommenen Aufgaben ausüben zu können, und hat der Arbeitgeber den Vertrag über die berufliche Fortbildung mit dem Unternehmen unterzeichnet, das diese Fortbildung durchführt, ist davon auszugehen, dass der/die ArbeitnehmerIn während der Zeiten der beruflichen Fortbildung seinem Arbeitgeber im Sinne der EU-Richtlinie (RL 2003/88/EG) zur Verfügung steht. Unerheblich ist dabei – so der EuGH -, dass sich die Verpflichtung, eine berufliche Fortbildung zu absolvieren, aus nationalen Rechtsvorschriften ergibt, dass die Zeiten der beruflichen Fortbildung ganz oder teilweise außerhalb der normalen Arbeitszeit liegen, und dass die Fortbildung nicht am gewöhnlichen Arbeitsort des Arbeitnehmers stattfindet, sondern in den Räumlichkeiten des Unternehmens, das die Fortbildungsdienstleistungen erbringt.
Schließlich steht auch der Umstand, dass sich die Tätigkeit, die ein/eine ArbeitnehmerIn während der Zeiten der beruflichen Fortbildung ausübt, von der Tätigkeit unterscheidet, die er im Rahmen seiner gewöhnlichen Aufgaben ausübt, dem nicht entgegen, dass diese Zeiten als Arbeitszeit eingestuft werden, wenn die berufliche Fortbildung auf Veranlassung des Arbeitgebers absolviert wird und der/die ArbeitnehmerIn folglich im Rahmen dieser Fortbildung dessen Weisungen unterliegt.
Der EuGH kommt somit zum Ergebnis, dass die Zeit, in der ein/eine ArbeitnehmerIn eine ihm von seinem Arbeitgeber vorgeschriebene berufliche Fortbildung absolviert, die außerhalb seines gewöhnlichen Arbeitsorts in den Räumlichkeiten des Fortbildungsdienstleisters stattfindet und während der er/sie nicht seinen gewöhnlichen Aufgaben nachgeht, Arbeitszeit im Sinne der EU-Richtlinie (RL 2003/88/EG) darstellt (Anmerkung: im rumänischen Ausgangsfall ging es um die Vergütung von insgesamt 124 Fortbildungsstunden, die der Arbeitnehmer außerhalb seiner normalen Arbeitszeit – überwiegend am Wochenende – absolvieren musste).
Arbeitgeber sollten somit diese Entscheidung beachten! Sonst drohen Entgeltnachforderungen und Verwaltungsstrafen nach dem Arbeitszeitgesetz und Arbeitsruhegesetz!
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