Wer für seine Ausbildung ein Pflichtpraktikum absolviert, wird oft schlecht oder gar nicht bezahlt. Praktikant:innen dürfen aber keine unbezahlten Arbeitskräfte sein, wenn sie normale Leistung erbringen, hat nun der Oberste Gerichtshof (OGH) entschieden.
Während des Sommers nehmen viele Schüler:innen und Studierende einen Ferienjob an, um Geld zu verdienen. Für sie gelten die gleichen arbeitsrechtlichen Bestimmungen wie für alle Arbeitnehmer:innen. „Wer richtig arbeitet, sollte sich nicht mit einem Taschengeld abspeisen lassen“, betont GPA Jugendsekretär Marcel Hortensky. Wie sieht es aber bei einem Pflichtpraktikum aus, muss das auch entlohnt werden?
„Das österreichische Arbeitsrecht unterscheidet zwischen Arbeits- und Ausbildungsverhältnissen“, erklärt Hortensky. Auch wenn das Wort ‚Praktikum‘ umgangssprachlich oft für alle möglichen Ferienjobs verwendet wird – ein echtes Praktikum dient der Ausbildung. „Pflichtpraktika müssen absolviert werden, um die Schule oder das Studium abschließen zu können“, so Hortensky weiter.
„Pflichtpraktika müssen absolviert werden, um die Schule oder das Studium abschließen zu können.“
Marcel Hortensky
Dass auch bei einem Pflichtpraktikum ein Entgelt zusteht, wenn die Arbeitsleistung – und nicht die Ausbildung – im Vordergrund steht, das hat vor kurzem ein Urteil des Obersten Gerichtshofes (OGH) präzisiert.
OGH Urteil
Anlass für das Gerichtsurteil war ein medizinischer Masseur in Ausbildung. In seinem Ausbildungsvertrag wurde festgehalten, dass er unentgeltlich tätig war, sein Pflichtpraktikum umfasste über 800 Stunden. Der Mann erhielt aber keine Ausbildung, sondern musste Vollzeit allein und ohne Aufsicht Patient:innen massieren. Nach dem Ende des Praktikums zog er vor Gericht und klagte den Lohn für seine Arbeitsleistung ein.
Das Arbeits- und Sozialgericht gab ihm recht und sprach ihm eine angemessene Bezahlung zu. Daraufhin zog der Arbeitgeber vor den OGH, mit dem Argument, dass im Vertrag Unentgeltlichkeit vereinbart gewesen war. Doch der OGH entschied: auch wenn im Vertrag etwas anderes stand, habe es sich letztlich um ein klassisches Arbeitsverhältnis gehandelt. Was zählt, ist die gelebte Praxis, so der OGH. Daher steht dem Masseur eine Entlohnung zu.
„Ganz klar, dem Arbeitgeber ging es wirklich nur darum, die Arbeitskraft des Masseurs auszunutzen ohne ihn dafür zu bezahlen“
Marcel Hortensky
Der Fall war eindeutig. Der Masseur hatte Dienstpläne für seine Arbeitszeiten und Listen mit den zu massierenden Patient:innen erhalten. Der Arbeitgeber hatte diese nicht mal informiert, dass sie von einem Praktikanten behandelt wurden, die Patient:innen mussten genauso viel bezahlen wie bei einer Massage durch eine fertig ausgebildete Fachkraft. „Ganz klar, dem Arbeitgeber ging es wirklich nur darum, die Arbeitskraft des Masseurs auszunutzen ohne ihn dafür zu bezahlen“, sagt Hortensky.
Ausbildung …
Was bedeutet nun dieser OGH-Entscheid? Wer an fixe Arbeitszeiten gebunden ist und voll in den Arbeitsprozess eingegliedert ist, der steht in einem normalen Arbeitsverhältnis, das auch entsprechend entlohnt werden muss. „Die Frage ist eben, ob die Arbeitsleistung im Vordergrund steht“, erklärt Hortensky, „Manchmal ersetzen Praktikant:innen ja auch Mitarbeiter:innen, die auf Urlaub sind, da geht es eindeutig um Arbeit und nicht um Ausbildung.“
Ein echtes Ausbildungspraktikum muss in erster Linie den Interessen der Person, die ausgebildet wird, dienen. Praktikant:innen sollen sich Kenntnisse aneignen können. Arbeiten, die nicht der Ausbildung dienen, dürfen nur in „einem zeitlich zu vernachlässigenden Ausmaß“ verrichtet werden, hält der OGH fest.
Das Pflichtpraktikum ist Teil einer schulischen oder universitären Ausbildung, es muss absolviert werden, damit diese Ausbildung abgeschlossen werden kann. Es steht der Erwerb von Wissen im Vordergrund. Man ist nicht in den betrieblichen Ablauf eingebunden, steht in keinem hierarchischen Verhältnis und ist nicht leistungsverpflichtet. Die Entlohnung eines Ausbildungsverhältnisses kann der/die Praktikumsgeber:in selbst entscheiden, „auch ein kompletter Verzicht auf Entlohnung ist rechtlich an sich erlaubt“, ergänzt Hortensky. Es gibt keinen Anspruch auf Urlaub. Die Schutzbestimmungen für Arbeitnehmer:innen (Arbeitszeiten, Ruhezeiten, Pausen, etc.) gelten aber natürlich trotzdem, insbesondere die Sonderregelungen bei Minderjährigen!
… oder Arbeit
Ferienjobs (Ferialjobs) hingegen sind ganz normale Arbeitsverhältnisse. Dazu gehören alle sozialrechtlichen Vorteile, jedoch auch eine Arbeitspflicht. Man ist in die betrieblichen Abläufe eingebunden, es gelten die arbeitsrechtlichen und kollektivvertraglichen Vorschriften. „Hier geht es vor allem ums Geld verdienen, nicht um eine Ausbildung“, sagt Hortensky.
Anders gesagt: Ein Ferienjob ist nicht Teil einer verpflichtenden Ergänzung zur schulischen oder universitären Ausbildung. Je nach Tätigkeitsbereich gilt ein Kollektivvertrag, der ein entsprechendes Gehalt definiert. Und bei Jobs, die von keiner kollektivvertraglichen Regelung erfasst sind, kann man sich an anderen Kollektivverträgen orientieren. „Dazu kommen außerdem noch aliquotes Urlaubs- und Weihnachtsgeld und die Urlaubsersatzleistung für nicht konsumierten Urlaub“, betont Hortensky. Manchmal „vergessen“ Arbeitgeber übrigens auf diese Zahlungen und man sollte sie einfordern.
Beweislast
„Das OGH-Urteil definiert, was ein echtes Praktikum ist und was nicht. Es wird aber immer der Einzelfall zu beurteilen sein,“ sagt Hortensky. Nur so kann entschieden werden, ob es sich tatsächlich um ein Arbeitsverhältnis handelt oder nicht.
Muss also der/die Praktikant:in beweisen, ob sie/er während des Praktikums eine Ausbildung erhalten hat oder nicht? Hier ist die Antwort eindeutig nein: Die Beweislast liegt beim Arbeitgeber! Er muss, falls es zu unterschiedlichen Auffassungen kommt, nachweisen können, dass der Ausbildungszweck überwiegt. Für den OGH steht der Schutz des Auszubildenden im Vordergrund.
Konkret heißt das, dass die Arbeiten im Praktikum sich von jenen der anderen Beschäftigten unterscheiden müssen. Egal ob nun im Vertrag „Praktikum“, „Volontariat“ oder etwas anderes steht – es geht um die gelebte Praxis! „Wenn es während des Praktikums dann doch nur um die Arbeitsleistung ging, so sollte man nicht zögern, die Entlohnung einzufordern“, betont Hortensky. „Im Zweifel wendet euch am besten an eure Gewerkschaft GPA!“
Ein echtes Praktikum dient dazu, etwas zu lernen. „Leider machen zu viele junge Menschen beim ersten Kontakt mit der Arbeitswelt schlechte Erfahrungen“, kritisiert Hortensky. „Daher ist es gut, wenn auch der Jugendvertrauensrat und der Betriebsrat sensibilisiert sind und darauf schauen, dass der Betrieb sowohl mit Praktikant:innen, als auch mit Ferialarbeitenden fair umgeht!“
GPA Jugend
Die GPA Jugend ist die laute Stimme für Fairness in der Arbeitswelt: faire Arbeitszeiten, faire Entlohnung und eine gute Ausbildung! Wende dich an uns, wenn du Fragen zu deinen Rechten als Praktikant:in hast!
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