Betriebsrät:innen können KI-Anwendungen im Betrieb mitgestalten

Foto: Edgar Ketzer / Gewerkschaft GPA

Arbeitsrechtler Elias Felten sieht Recht auf Information und Mitbestimmung durch geltende Gesetze gut abgesichert. Soziologin Sabine Pfeiffer zeigt Schwachstellen künstlicher Intelligenz auf und erklärt, warum der Mensch beim Einsatz von KI als Kontrollinstanz immer notwendig sein wird.

Bei der Tagung „KI – Kolleg:in oder Kontrolleur:in?“, veranstaltet von der Abteilung Arbeit & Technik der GPA und der Abteilung Sozialpolitik der Arbeiterkammer Wien, haben Expert:innen aufgezeigt, welche Handlungsoptionen Betriebsrät:innen in der Praxis haben, um dem immer häufigeren Einsatz von Systemen Künstlicher Intelligenz im Arbeitsalltag auf Augenhöhe zu begegnen.

Den rechtlichen Rahmen steckte Elias Felten, Professor für Arbeits- und Sozialrecht an der Paris Lodron Universität Salzburg, ab – er sieht für Betriebsrät:innen „großen Spielraum, den Einsatz von KI mitzugestalten: Die Mitwirkungsrechte der Belegschaftsvertretung sind über das Arbeitsverfassungsgesetz sehr gut abgesichert.“

Felten sieht unseren Arbeitsalltag bereits heute durch KI-Programme geprägt, laut Strategiepapier der Bundesregierung zum Thema Digitale Kompetenzen könne der vermehrte Einsatz von Künstlicher Intelligenz bis zu 20.000 neue Arbeitsplätze pro Jahr schaffen. Der Arbeitsrechtler ist überzeugt davon, dass „neue Anwendungen auch neue Arbeitsverhältnisse schaffen werden, um den Einsatz Künstlicher Intelligenz zu steuern und zu überwachen.“

Auch die Betriebsrät:innen sollten über neue Möglichkeiten der Digitalisierung gut Bescheid wissen um „aktiv mitreden und mitgestalten zu können und technologische Vorteile besser nutzen zu können: Durch den Einsatz von KI verändern sich Arbeitsabläufe und Prozesse direkt in den Betrieben.“

Mitwirkungsechte von Betriebsrät:innen gesetzlich gut abgesichert

Obwohl der Begriff der Künstlichen Intelligenz weder im Arbeitsrecht noch im Arbeitsverfassungsrecht explizit erwähnt wird, sieht Felten die betriebsrätlichen Mitwirkungsrechte und Befugnisse in Bezug auf die neuen Technologien ausreichend abgesichert: „Betriebsinhaber:innen müssen die Belegschaftsvertretung proaktiv darüber informieren, auf welche Art sie personenbezogene Daten automationsunterstützt speichern, übermitteln und auswerten. Auch der Zweck der Datenverarbeitung muss offengelegt werden. Das gilt auch für KI-unterstützte Systeme.“

Nach herrschender Lehre müssten Betriebsrät:innen bei KI Anwendungen sogar Zugang zur Software bekommen: „Dabei können sich Belegschaftsvertreter:innen auch Expertise von außen holen und sich bei der Einschätzung der Risiken – direkt in den Verhandlungen – von der gesetzlichen oder freiwilligen Interessenvertretung, also den Arbeiterkammern oder Gewerkschaften, beraten lassen.“

„Die Mitspracherechte der Belegschaftsvertretungen sind in den Bereichen Information, Beratung und Mitbestimmung in den bestehenden Gesetzen ausreichend abgebildet.“
Professor Elias Felten, Paris Lodron Universität Salzburg

Wird die Implementierung von KI-gestützten Systemen in einem Betrieb angedacht, habe die Belegschaftsvertretung „das Recht zur Teilnahme an diesen Verhandlungen: Dieser arbeitsrechtliche Anspruch knüpft an eine Betriebsänderung an, es müssen demnach neue Arbeitsmethoden eingeführt werden oder Rationalisierungsmaßnahmen mit großer Auswirkung vor der Tür stehen. Das wird bei KI-Anwendungen sicherlich der Fall sein.“

Bereits im Vorfeld könnten „Betriebsrät:innen konkrete Fragen zum geplanten Einsatz einer KI im Betrieb und den Auswirkungen stellen: Dieser Auskunftsanspruch besteht, weil die Digitalisierung die wirtschaftlichen Interessen der Belegschaft berührt.“

KI-Systeme wirken sich auf die Gesundheit und Sicherheit der Belegschaft aus

Informationsrechte leitet Felten auch aus §92a Arbeitsverfassungsgesetz ab, das den Betriebsinhaber dazu verpflichtet „sich mit der Belegschaftsvertretung zu beraten, wenn es um Angelegenheiten geht, die konkrete Auswirkungen auf die Gesundheit oder Sicherheit der Arbeitnehmer:innen haben: Das ist bei KI-Anwendungen ohne Zweifel der Fall. Der Einsatz derartiger Systeme kann zu Stress führen, was psychische und körperliche Auswirkungen haben kann.“

Grundsätzlich könnten Betriebsrat:innen auch bei der Auswahl jener KI-Systeme mitreden, über welche neue Beschäftigte rekrutiert werden sollen bzw. die Arbeitszeit erfasst wird: „Die rechtliche Basis dafür biete §96 Arbeitsverfassungsgesetz, der die Mitwirkungsrechte im Bewerbungsprozess regelt und „sowohl auf Personalfragebögen als auch auf automatisierte Systeme und Algorithmen, die passendes Personal suchen, anzuwenden ist.“

Gewerkschaften fördern sozialen Fortschritt

Für den Leiter der Grundlagenabteilung der GPA, David Mum, ist klar, dass es auch gesellschaftliche Änderungen brauche um die Arbeitsbedingungen durch den Einsatz von KI dauerhaft zu verbessern: „Technischer Fortschritt übersetzt sich nicht automatisch in sozialen Fortschritt und in eine Verbesserung der Lebensbedingungen.“ Neue Techniken sollten aus Sicht der Gewerkschaften unterstützend wirken, nicht kontrollierend oder ersetzend, was auch eine Frage der Machtverteilung ist: „Produktionsfortschritte dürfen sich nicht bei einer Elite verfangen.“

„Wir brauchen keinen blinden Technik-Optimismus, sondern starke Gewerkschaften, die sich dafür einsetzen, Fortschritt zur Verbesserung der Lebens- und Arbeitsbedingungen zu nutzen.“
David Mum, Mitglied der Gewerkschaft GPA Bundesgeschäftsführung

Software, die Künstliche Intelligenz beinhaltet und Algorithmen-basierte Entscheidungen trifft, wird im Arbeitsalltag bereits häufig eingesetzt, etwa für Protokollierungen, Bildbearbeitung oder bei der Schicht- oder Routenplanung.

Sabine Pfeiffer, Soziologin an der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg, hält KI-gesteuerte Entscheidungsprozesse für sinnvoll, wenn es um die Implementierung technischer Systeme oder Marketingstrategien geht, nicht aber „für die dauerhafte Gestaltung betrieblicher Arbeitsabläufe oder die kritische Infrastruktur: Um sinnvolle und für die Beschäftigten vorteilhafte Ergebnisse zu erzielen, muss genau abgesteckt werden, mit welchen Daten die Rechenprozesse gefüttert werden. Der konkrete Nutzen für die Beschäftigten sollte immer im Vordergrund stehen.“

KI zum Vorteil der Belegschaft einsetzen

Problematisch werde es, wenn „Anwender:innen von KI an jeden Zusammenhang glauben, den das System aufzeigt: Chat GPT spuckt jene Verknüpfungen aus, die der programmierte Algorithmus findet. Weil die Bedeutungskenntnis fehlt, muss immer ein Mensch beurteilen, ob eine Lösung wirklich passen kann oder nicht.“ Daher müssen bei der Anwendung KI-gestützter Systeme immer die Beschäftigten mit einbezogen werden: „Sie steuern den Anwendungsprozess, entscheiden, mit welchen Daten die Rechenprozesse gefüttert werden und können auf veränderte Rahmenbedingungen reagieren.“

Pfeiffer sieht „die Reduktion der Komplexität als gängiges Problem aller stochastischen Verfahren, also jener mathematischen Modelle, die große Datenmengen ordnen: Was wir nicht abfragen, wird in der Auswertung nicht berücksichtigt.“ Auch Artefakte sind bei der Nutzung von KI ein häufiges Problem: „Je mehr Daten ich verarbeite, umso wahrscheinlicher wird es, dass irgendwelche Beziehungen gefunden werden.“ Wenn sich Wahrscheinlichkeitseinschätzungen in eine falsche Richtung aufschaukeln, komme nichts Brauchbares heraus: „Die menschliche Intelligenz vermag auffällige Datenpunkte zu erkennen und zu gewichten.“ Die KI habe die Tendenz „schleichend immer auf die Mitte hin zu optimieren: Ausreißer werden aussortiert, die KI wird dadurch ungenauer und kann sehr ungewöhnliche Veränderungen nicht mehr erkennen.“

„KI ist toll, aber man sollte sich öfter fragen wo sie Sinn macht. Man muss ihre Grenzen verstehen, damit man damit umgehen kann.“
Sabine Pfeiffer, Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg

Pfeiffer glaubt, dass sich die KI in der Mehrzahl der Betriebe als nützliche Ergänzung zum menschlichen Handeln etablieren wird: „Bei komplexen Arbeitsanforderungen kann eine KI im Regelfall nur in einzelnen Facetten eines Tätigkeitsprofils entlasten und muss an die Arbeitsprozesse angepasst werden. Lediglich Jobs, die auf eine bestimmte Tätigkeit zugeschnitten sind, können leicht ersetzt werden.“

Die Wissenschaftlerin betrachtet KI-Systeme „nicht als echte Intelligenz: Über statistische Verfahren wird versucht Zusammenhänge zu erkennen und aus diesen Verknüpfungen Prognosen abzuleiten.“ Diese können stimmen, müssen aber nicht korrekt sein, weil eine KI nur schwer feststellen kann, ob es sich um kausale Zusammenhänge handelt: „Künstliche Intelligenz träumt nicht, sie kann keine kreativen Lösungen hervorbringen, weil sie nicht denkt.“ Verschlechterungen in den Ergebnissen könnten sich zudem ergeben, weil „KI-Systeme zunehmend aus Texten lernen, die andere KIs hervorgebracht haben.

Datenpfützen bringen keine guten Ergebnisse

Pfeiffer warnt davor, Künstliche Intelligenz als „einfache Lösung für viele Problemlagen im Betrieb zu sehen: Manche haben die Hoffnung, dass sie Arbeit produktiver gestalten können oder neue Geschäftsmodelle entwickeln, wenn sie die KI über eine möglichst große Datenmenge drüber laufen lassen.“ Abgesehen von den hohen Energiekosten müssten für generalisierte Lösungen „Unmengen an Daten bereitgestellt werden, um verlässliche Aussagen treffen zu können: Diese Daten stehen oft gar nicht zur Verfügung oder sind den Aufwand nicht wert. Datenpfützen bringen keine guten Ergebnisse, es wäre sogar gefährlich, aus unvollständigen Daten wichtige Rückschlüsse ziehen zu wollen.“

Fotos der Tagung „KI – Kolleg:in oder Kontrolleur:in?“, veranstaltet von der Abteilung Arbeit & Technik der Gewerkschaft GPA und der Abteilung Sozialpolitik der Arbeiterkammer Wien.
c Edgar Ketzer / Gewerkschaft GPA

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