Vorsitzender Wolfgang Katzian zur Verteilungsgerechtigkeit und zu den Steuerforderungen der GPA-djp.
KOMPETENZ: Die GPA-djp hat im April 700 BetriebsrätInnen zu einer Konferenz eingeladen und auf das Thema Verteilungsgerechtigkeit eingeschworen. Müssen sich die Arbeitgeber jetzt fürchten?
Wolfgang Katzian: Wir freuen uns natürlich, dass unsere Konferenz von den Medien, aber auch von der Arbeitgeberseite als wichtiges Ereignis wahrgenommen wurde. Fürchten muss sich aber niemand. Uns ging es bei der Konferenz darum mit dem Thema Verteilungsgerechtigkeit noch mehr in die Breite zu gehen. Wir haben eine Reihe wirklich guter Konzepte ausgearbeitet. Viele dieser Konzepte, etwa die Vermögenssteuer, sind auch inzwischen in der Öffentlichkeit bekannt und finden große Zustimmung. Auch unsere Gremien haben diese Ideen diskutiert und beschlossen. Was wir jetzt noch stärker brauchen, ist das Bewusstsein in der gesamten Organisation, dass jede und jeder auch im Betrieb einen Beitrag leisten kann, dass noch mehr weiter gehen kann, wenn wir gemeinsam dran bleiben.
KOMPETENZ: Was wurde bisher konkret erreicht? Eine Vermögenssteuer gibt es ja nach wie vor nicht.
Wolfgang Katzian: Es ist richtig, dass es eine Vermögenssubstanzbesteuerung nach wie vor in Österreich nur in sehr kleinem Ausmaß gibt. Wir merken aber deutlich, dass der Gegenwind im Vergleich zu 2007, als wir zum ersten Mal mit dieser Forderung rausgegangen sind, deutlich abgeflaut ist. Konkrete Erfolge gibt es außerdem bei vermögensbezogenen Steuern insgesamt schon. Wir haben eine Vermögenszuwachssteuer erreicht, außerdem ein Verschärfung der Stiftungsbesteuerung. Es wurde die 10-jährige Spekulationsfrist bei Immobilien abgeschafft. Außerdem gibt es die Umwidmungsabgabe und den Solidarbeitrag für SpitzenverdienerInnen. All das würde es wahrscheinlich nicht geben, wenn wir nicht seit Jahren Druck machen würden.
KOMPETENZ: Dass sich der politische Gegner bei der Vermögens- oder Erbschaftssteuer bewegt, lässt sich bisher nicht erkennen. Die Finanzministerin ist nach wie vor der Meinung, das würde den Mittelstand treffen.
Wolfgang Katzian: Dieses Mittelstandsargument ist eine reine Farce. Mich wundert, dass die Finanzministerin und die Herren von der Industriellenvereinigung und der Wirtschaftskammer nicht selbst drüber lachen müssen. Wie soll eine Vermögenssteuer mit einem Freibetrag von 700.000 Euro oder gar einer Million Euro den Mittelstand treffen? Wir dürfen bei der Diskussion um die Vermögenssteuer nicht in die Mittelstandsfalle tappen. Wenn Frau Fekter, Herr Leitl, Herr Kapsch oder auch Herr Keuschnigg vom IHS der Meinung sind, Millionäre gehören zum Mittelstand, dann lassen wir Ihnen doch diese Meinung. Dann besteuern wir eben diese Mittelstandsmillionäre.
KOMPETENZ: Das Mittelstandsargument ist aber nicht das einzige gegen eine Vermögenssteuer, das man immer wieder hört.
Wolfgang Katzian: Auch andere Argumente gegen eine Vermögenssteuer, wie zuletzt die in der Studie des IHS dargestellten, sind übrigens meist fragwürdig und strotzen vor Widersprüchen. Weder dass eine Vermögenssteuer das Wirtschaftswachstum beeinträchtigt, noch dass Vermögenssteuern Verwaltungskosten in der Höhe von 20 Prozent ihres Aufkommens verursachen, kann die Studie, die im Auftrag der Wirtschaftskammer gemacht wurde, wirklich nachweisen. Liest man genauer nach, bleibt auch nach 140 Seiten Lektüre wenig Substanz gegen eine Vermögenssteuer übrig. Manche Argumente belegen eigentlich das Gegenteil von dem, was die Auftraggeber der Studie beabsichtigt haben, nämlich dass es kein vernünftiges Argument gegen ein faireres Steuersystem gibt.
KOMPETENZ: Was wäre abgesehen von den Änderungen im Steuersystem noch zu tun, um mehr Verteilungsgerechtigkeit zu erreichen?
Wolfgang Katzian: Nicht vom Thema Verteilungsgerechtigkeit zu trennen ist das Thema Arbeitszeit. Zeit ist eines der wichtigsten Güter in unserer schnelllebigen Gesellschaft und wird daher auch in Geld aufgewogen. Außerdem zeichnet sich bereits ab, dass das Wirtschaftswachstum in den nächsten Jahren nicht ausreichen wird, um die Arbeitslosigkeit stark zu reduzieren. Wir brauchen daher eine Verkürzung der gesetzlichen Arbeitszeit und weitere Verkürzungen der kollektivvertraglichen Arbeitszeiten.
KOMPETENZ: Wie könnte das konkret aussehen?
Wolfgang Katzian: Da gäbe es viele sinnvolle Möglichkeiten. Forderungen wie die 35-Stunden-Woche bleiben natürlich weiterhin aufrecht. Wir sehen uns jedoch, wenn wir über eine Verkürzung der Arbeitszeit verhandeln wollen, oft verhärteten „unflexiblen“ Fronten bei den Arbeitgebern gegenüber. Um die Diskussion zu beleben, haben wir daher in den vergangenen Jahren versucht, auf mehreren Ebenen anzusetzen. Da ist einerseits das Thema Überstunden. Dabei geht es einerseits um eine generelle Reduktion von Überstunden, also eine Verkürzung der tatsächlich geleisteten Arbeitszeit, denn da sind wir Europameister. Ein erster konkreter wichtiger Schritt wäre auch ein Abbau der unbezahlten Überstunden. Die GPA-djp wird daher gemeinsam mit Gebietskrankenkassen und Arbeitsinspektorat sehr genau schauen dass geleistete Arbeit auch bezahlt wird. „Schwarze Schafe(herden)“ sollen sich nicht mehr sicher fühlen können, sondern müssen mit Sanktionen und auch öffentlichen Aktionen rechnen.
Die zweite konkrete Forderung, auf die wir uns in letzter Zeit konzentriert haben, ist der leichtere Zugang zur 6. Urlaubswoche. Die 6. Urlaubswoche gibt es in Österreich bereits lange, nur erreichen immer weniger Menschen die dafür notwendigen 25 Jahre bei einem Dienstgeber. Vor allem für Frauen ist das oft unrealistisch. Es geht dabei also nicht nur um eine Arbeitszeitverkürzung, sondern auch um Geschlechtergerechtigkeit.