Dem Gleichbehandlungsgesetz zum Trotz kämpfen schätzungsweise zehn Prozent homosexuelle ArbeitnehmerInnen vor allem gegen indirekte Diskriminierungen.
Claudia ist für die Kinder etwas Besonderes. Ihre Kindergartenpädagogin „liebt nämlich eine Frau“, und das ist gut so, finden die Kinder. Das ist alles andere als selbstverständlich in Österreich. Oftmals geben die Kinder die Vorurteile der Erwachsenen wieder, und die existieren in Bezug auf homosexuelle Menschen. „Bringst Du zum Sommerfest Deine Frau mit?“ Wenn ein Mann das gefragt wird, aber gerne seinen Partner mitnehmen möchte, wird sich ein noch neuerer Arbeitskollege eher bedeckt halten. Und wer den Arbeitsplatz mit einem Foto von der gleichgeschlechtlichen Familie schmücken will, geniert sich vielleicht.
„Es gibt in Österreich Probleme für homosexuelle und Transgenderpersonen, auch an der Universität“, bestätigt Andreas „Andi“ Salat im Interview. Er ist Chirurg am Wiener Allgemeinen Krankenhaus (AKH) und damit auch in die Lehre der Medizinischen Universität Wien (MUW) eingebunden. Er selbst habe sich bereits zwei Mal um ein Primariat beworben und die Primararztstelle nicht bekommen, erzählt er. Gut möglich, dass dafür nicht mangelnde Qualifikation ausschlaggebend war.
Diskriminierungsverbot
„Wir haben nach dem Gleichbehandlungsgesetz ein Diskriminierungsverbot. Aber das gilt nur am Arbeitsplatz“, betont Ewa Dziedzic. „Wenn ich aus dem Lokal oder aus dem Schwimmbad fliege, weil ich meine Freundin küsse, ist das nicht einklagbar.“ Ewa Dziedzic, Grüne Bezirkspolitikerin und Politikwissenschaftlerin an der Uni Wien, und Andi Salat sind die Obleute des im Vorjahr gegründeten Vereins „Christopher Street Day (CSD) Vienna“ und damit Organisatoren der Regenbogenparade Mitte Juni in der Wiener Innenstadt. Der öffentliche Raum sei wichtig, um zu zeigen „schaut, wie viele wir sind“, so Dziedzic.
In einem Unternehmen mit hundert ArbeitnehmerInnen sind bis zu zehn Personen homosexuell. Laut „Kinsey-Report“ des US-amerikanischen Sexualforschers Alfred Kinsey sind fünf bis zehn Prozent der Bevölkerung bi- bzw. homosexuell veranlagt, davon gehen auch Studien in europäischen Ländern, vor allem in Deutschland, aus. „Wir kommen nicht mehr in den Kerker derzeit“, sagt Ewa Dziedzic. Es bestehe jedoch die Gefahr eines Rückschlages. „Wir wissen nicht, wie die nächste Wahl ausgeht“, sekundiert Andi Salat.
Regenbogenparade
Der ist denn auch froh über „die schützenden Hände“ der Stadt Wien und dass die Parade 2012 erstmals um die komplette Wiener Ringstraße marschieren kann. Zum zweiten Mal wird es dabei das „Pride Village“ geben: Mit Diskussionen, Shows, Informationsständen und Kulinarik präsentiert sich in einem „Dorf“ aus Zelten die Gemeinschaft der Lesben, Schwulen und Transgenderpersonen – und lädt auch „Außenstehende“, sprich: das Gros der Heterosexuellen, ein. Damit BesucherInnen allfällige Berührungsängste abbauen. Dass es diese angstfreien Räume gibt, sei ganz wichtig. „Wir kommen von einer Seite, die ein Leben lang in Angst lebt“, meint Salat.
Der gesetzlichen Gleichstellung und dem Verbot von Diskriminierung Homosexueller auf der einen Seite steht nämlich auf der anderen Seite (noch) keine faktische Gleichstellung gegenüber. Neben offen geäußertem Hass und Bedrohungen gibt es zudem subtile Formen der Ausgrenzung oder dass Karrieremöglichkeiten verhindert werden. Hin und wieder übe die EU Kritik an Österreich, so Ewa Dziedzic, „ich habe das Gefühl, man tut nur das Mindeste“. Schwule und Lesben hätten jedenfalls von der Europäischen Union profitiert, findet Manfred Wolf von der GPA-djp.
Diversität fördern
Was seiner Meinung nach fehlt, ist „eine proaktive Politik“. So wie es Frauenförderpläne gibt, sollten Betriebe auch die „Diversität“ – also die persönliche Vielfalt, zu der die sexuelle Orientierung ebenso gehört – fördern. Österreich folge diesbezüglich hingegen einer Defensivstrategie, so der Arbeitnehmervertreter. Und er betont, dass sich die Betroffenen melden müssten, „sie müssten bereit sein, sich zu vernetzen“. Manfred Wolfs Ziel wäre, dass sich Schwule, Lesben und Transgenderpersonen selbst mit ihren Anliegen an Gewerkschaft, Arbeiterkammer und Betriebsrat wenden.
Das Gleichbehandlungsgesetz ist Teil des gesetzlichen Auftrages der BetriebsrätInnen, Gleichstellungsfragen sind Bestandteil der alltäglichen Arbeit von GewerkschaftsvertreterInnen. Andi Salat kann sich vorstellen, dass es in den Gewerkschaften sogar eine Art „Sonderbeauftragte/n“ für Homosexuelle gibt. „Das wäre ein Zeichen.“ Das Sichtbarmachen und die Solidarität seien wichtig im Sinne der Bewusstseinsbildung in der Bevölkerung, findet auch Ewa Dziedzic. Ihr sind außerdem „niederschwellige Angebote“ wichtig.
Netzwerke
Dazu zählen etwa das Netzwerk schwuler Unternehmer, Fach- und Führungskräfte „agpro – austrian gay professionals“ und als Pendant die Vernetzung der lesbischen Wirtschaftstreibenden unter „Queer Business Women“. Die beiden Organisationen vergeben jährlich den „Meritus“ als Auszeichnung an Unternehmen, die sich um ein offenes Betriebsklima und die Gleichbehandlung homosexueller MitarbeiterInnen bemühen.
Aktionismus ist gut – das alleine ändert freilich nichts. Im Endeffekt haben alle Menschen die gleichen Bedürfnisse, „das kann man nicht auf Schwule und Lesben reduzieren“, resümiert Manfred Wolf. „Wir kämpfen um die volle Lebensqualität. Man kann die Lebenswelt und die Arbeitswelt nicht trennen.“
Links
„Christopher Street Day (CSD) Vienna“ (Vienna Pride): www.csdvienna.at
Sozialdemokratische Homosexuellenorganisation: www.soho.or.at
Netzwerk schwuler Unternehmer, Fach- und Führungskräfte: www.agpro.at
Vernetzung der lesbischen Wirtschaftstreibenden: www.queer-business-women.at