Sonntag frei

Laut einer repräsentativen Erhebung der „Sonntagsallianz“ unter 1000 ÖsterreicherInnen zwischen 16 und 69 Jahren wollen 60 Prozent sonntags nicht arbeiten.
Grafik: GPA-djp Öffentlichkeitsarbeit/Adobe Stock

Entgegen dem Druck von Wirtschaftsseite soll der Tag des Herrn vor allem auch einer der Familie, Freiwilligenarbeit und Umwelt bleiben, meinen Gewerkschafts- und KirchenvertreterInnen.

Haben Sie an einem Sonntag in Österreich schon einmal versucht, einen Liter Milch zu kaufen, weil Sie ihn dringend brauchten und Ihnen NachbarInnen nicht aushelfen konnten? Möglicherweise sind Sie am Bahnhof, an der Tankstelle oder in einem Kaffeehaus fündig geworden, sofern vorhanden, haben dafür einen etwas höheren Preis bezahlt – aber mehr haben Sie deshalb nicht eingekauft.

Der Sonntag ist in christlich geprägten Ländern wie Österreich etwas Besonderes. Er ist Familien-, Ausflugs- oder schlicht Ruhetag. Und kostet mehr, wenn er betriebswirtschaftlich genutzt wird, seien es finanzielle Zuschläge oder weniger Erholung. Nicht mehr bringt hingegen der Wirtschaft ein Sonntag, der als Einkaufstag allgemein frei gegeben wird, so die Argumentation der ArbeitnehmervertreterInnen. Die Menschen hätten deshalb nicht mehr Geld zur Verfügung, um es auszugeben, lautet der Tenor.

„Aber wenn Sie sich etwa in einem Shoppingcenter umschauen, wo Geschäfte bis 21 Uhr offen halten dürfen, wird das ja gar nicht angenommen von den KundInnen. Die KonsumentInnen geben deshalb nicht mehr Geld aus.“

Anita Palkovich, Chefverhandlerin für den Handel

„Wir wollen den arbeitsfreien Sonntag beibehalten. Daran hat sich wenig geändert“, betont Anita Palkovich von der GPA-djp. Sie ist auf Gewerkschaftsseite Chef-Verhandlerin des Kollektivvertrags (KV) für die rund 500.000 Handelsangestellten. Teile der Arbeitgeber und Wirtschaftskammer möchten die Öffnungszeiten der Geschäfte in Österreich weiter ausdehnen. „Aber wenn Sie sich etwa in einem Shoppingcenter umschauen, wo Geschäfte bis 21 Uhr offen halten dürfen, wird das ja gar nicht angenommen von den KundInnen. Die KonsumentInnen geben deshalb nicht mehr Geld aus.“

Sonntag für Familie und Freunde

Auch in Tourismusregionen, zu denen beispielsweise auch die Wiener Innenstadt zählt, dürfen aufgrund einer Ausnahmeregelung Geschäfte länger aufsperren. Voraussetzung ist, es herrschen faire Arbeitsbedingungen, so Palkovich. „Der Sonntag gehört der Familie und Freunden. Das bestätigen auch unsere Meinungsumfragen.“ Laut jüngsten Erhebungen der GPA-djp lehnen es etwa unter den Handelsangestellten in Wien mehr als 90 Prozent ab, an Sonntagen zu arbeiten. Das wäre „eine Verschlechterung der Arbeits- und Lebensqualität der Betroffenen“, der die Gewerkschaft nicht zustimmen werde.

So konterte die Bundesvorsitzende der GPA-djp, Barbara Teiber, eine entsprechende Forderung der Österreichischen Hoteliervereinigung ab. Diese hatte ihrerseits im Spätsommer eine Befragung in Auftrag gegeben, die ergab, dass mehr als 50 Prozent der WienerInnen die generelle Sonntagsöffnung in der Bundeshauptstadt befürworten und auch nützen würden. Die Hoteliers glauben im Gegensatz zu den ArbeitnehmervertreterInnen an eine höhere Geberlaune, mehr Steuereinnahmen und Jobs durch offene Geschäfte sonntags in ganz Wien.

Es ist eine Frage der Perspektive. Einer repräsentative Erhebung der „Sonntagsallianz“ unter 1000 ÖsterreicherInnen zwischen 16 und 69 Jahren zufolge wollen knapp 60 Prozent den arbeitsfreien Sonntag „unbedingt behalten“ und sind nicht bereit, sonntags regelmäßig selbst zu arbeiten. Sechs von zehn Befragten lehnen eine Aufhebung der Wochenendruhe zugunsten individuell freier Tage ab. Gegen eine Aufweichung sind in erster Linie Mütter und Personen zwischen 30 und 49 Jahren.

Sonntag für die Freiwilligenarbeit

„Ein verkaufsoffener Sonntag wäre ein Dammbruch“, sagt der Betriebsrat und Sprecher der „Sonntagsallianz“, Philipp Kuhlmann, im Gespräch mit der KOMPETENZ. Denn der Handel sei als Branche ein gewisser Taktgeber für die gesamte Gesellschaft. Die „Sonntagsallianz“ macht sich seit bald zehn Jahren für die Beibehaltung des arbeitsfreien Sonntags stark. Sie ist eine gemeinsame Plattform von mehr als 50 kirchlichen und gewerkschaftlichen Organisationen sowie aus Wirtschaft und Zivilgesellschaft. Koordiniert wird die Arbeit der Allianz durch die Katholische Sozialakademie Österreichs.

„Manche müssen sonntags arbeiten“, verweist Kuhlmann auf Bereiche wie Krankenhäuser, Polizei oder den öffentlichen Verkehr. „Da sagen wir danke! Wir sind aber gegen eine Ausweitung von Sonntagsarbeit, wo es nicht notwendig ist.“ Dass ja aber auch im Internet rund um die Uhr eingekauft werden könne, hält er für ein Scheinargument. Der Online-Handel funktioniere nur in bestimmten Segmenten, nicht etwa in der Lebensmittel-Branche, verschiebe die Kundenausgaben, steigere sie aber nicht.

„Wir sind aber gegen eine Ausweitung von Sonntagsarbeit, wo es nicht notwendig ist.“

Philipp Kuhlmann, Betriebsrat und Sprecher der Sonntagsallianz

Zur vermehrten Bewusstseinsbildung geht die „Sonntagsallianz“ denn auch mit einer neuen Kampagne in ihr Jubiläumsjahr, die weit über den religiösen Aspekt hinausgeht. Dabei sticht ein Argument für den arbeitsfreien Sonntag heraus, das gerne übersehen wird: Die Freiwilligenarbeit in Ehrenämtern, die viele ÖsterreicherInnen in Naturschutz- und Sportorganisationen oder anderen Vereinen ausüben. So sind zum Beispiel 99 Prozent der Feuerwehren in Österreich ehrenamtlich organisiert.

„Eine Einschränkung des Ehrenamtes gefährdet sozialen Zusammenhalt und Gesellschaft“, heißt daher ein Slogan. Der Umweltschutz wird ebenfalls ins Treffen geführt. „Unser Leben beruhigt sich an Sonn- und Feiertagen, damit auch der Verkehr und die Umweltbelastung.“ Eine Anspielung auf den regen Pendlerverkehr, da die meisten Beschäftigten nicht vor der Haustür jobben können. Schließlich sei der Verkehr laut Umweltbundesamt Hauptverursacher bei den klimarelevanten Gasen. In Anlehnung an die mittlerweile etablierten Freitagsdemonstrationen von KlimaschützerInnen auf der ganzen Welt verleiht die „Sonntagsallianz“ ihrer Forderung Nachdruck mit dem Schlagwort „#sundays4future“.

Das Thema bleibt Österreich mit Sicherheit erhalten. Nicht zuletzt, weil die ehemalige Kaiserstadt Bad Ischl im Jahr 2024 Europäische Kulturhauptstadt sein wird. Das freut insbesondere LokalpatriotInnen im oberösterreichischen Salzkammergut. ArbeitnehmervertreterInnen ruft das eher auf den Plan. Bereits heuer dürfen in den 35 Bad Ischler Innenstadtgeschäften die Angestellten zum Mariä Empfängnis-Feiertag am 8. Dezember nicht arbeiten. Dieser fällt 2019 auf einen Sonntag – und mit dem Bad Ischler Nikolokirtag und -markt zusammen.

Aus diesem Anlass sprachen sich die Handelsangestellten dort bereits in einer Umfrage der GPA-djp Oberösterreich zu 82 Prozent gegen Sonntagsarbeit aus. Sie wurden jetzt vom Arbeitsministerium sogar aufgrund des Arbeitsruhegesetzes zur Sonntagsruhe am 8. Dezember verdonnert – die GeschäftebetreiberInnen selbst dürfen/müssen arbeiten. Wie sich das mit dem erhöhten Tourismus-Aufkommen im Kulturhauptstadt-Jahr ausgehen wird, bleibt abzuwarten.

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