Zu wenige PädagogInnen für zu viele Kinder

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Seit Jahren machen Wiens ElementarpädagogInnen auf ihre schwierigen Arbeitsbedingungen aufmerksam: Mit der Corona-Pandemie spitzt sich die Situation nun weiter zu.

Es wurden in den vergangenen zehn Jahren zwar massiv Betreuungsplätze ausgebaut – dabei aber nur auf Quantität und nicht Qualität geachtet, so die Kritik. Es brauche daher nun rasch mehr Mittel für mehr Beschäftigte in den Kindergärten.

Link Krumpel liebt seinen Job. Er entschied sich erst im Erwachsenenalter für die Ausbildung zum Elementarpädagogen und ist sich bis heute sicher: das ist eine Aufgabe, die Sinn macht. Aber die Rahmenbedingungen sind schwierig. Gerne würde er auf die Bedürfnisse der ihm anvertrauten Mädchen und Buben optimal eingehen. Doch dazu fehlt die Zeit. Sie fehlt, weil er als Pädagoge, unterstützt durch eine Assistentin, die aber nur 20 Stunden in der Gruppe ist, 25 Kinder begleitet und betreut. Sie fehlt, weil er in seiner Arbeitszeit auch Dokumentationsarbeit erledigen, Entwicklungsgespräche führen und anderes Organisatorisches erledigen muss. „Da geht wertvolle Zeit verloren, die man nicht beim Kind ist.“

Fachkräftemangel

Eine der Konsequenzen: viele, die eine BAfEP (Bundesbildungsanstalt für Elementarpädagogik) absolviert haben, gehen erst gar nicht in den Job und fangen gleich zu studieren an oder verbleiben nur kurze Zeit im Beruf. Davon kann auch Karin Samer, Betriebsrätin bei den Wiener Kinderfreunden, ein Lied singen. „Wenn ich mit AbsolventInnen spreche, höre ich: Das, was ich den Kindern mitgeben soll, stimmt nicht mit den Rahmenbedingungen überein. Und das Entgelt ist dafür, was ich leiste, zu niedrig.“ In der Branche herrscht daher ein Fachkräftemangel – obwohl es genügend ausgebildete ElementarpädagogInnen gäbe.

„PädagogInnen kommen an die Grenzen des Machbaren: Sie sollen jedes Kind individuell fördern, sind aber oft alleine in der Gruppe.“

Karin Wilflingseder

Die, die im Job bleiben, sehen sich von Jahr zu Jahr in einer angespannteren Situation. „PädagogInnen kommen an die Grenzen des Machbaren: Sie sollen jedes Kind individuell fördern, sind aber oft alleine in der Gruppe, müssen manche Kinder noch wickeln und können teils nicht einmal auf die Toilette gehen. Und dann gibt es auch immer wieder Kinder in Krisensituationen, wo sich etwa die Eltern trennen oder Pflegekinder, die schon Sachen erlebt haben, die Kinder nicht erleben sollten, und diese brauchen dann spezielle Aufmerksamkeit“, erzählt Karin Wilflingseder, Vorsitzende der Wiener GPA-djp-Themenplattform Elementar-, Hort- und Freizeitpädagogen.

Bessere Arbeitsbedingungen gefordert

Seit Jahren fordern die ElementarpädagogInnen in Wien daher bessere Arbeitsbedingungen. Man habe in der Bundeshauptstadt auf den Ausbau der Kindergartenplätze – also auf Quantität gesetzt. Auf der Strecke bleibe dabei aber die Qualität, so Wilflingseder. Die zentralen Forderungen: ein besseres Erwachsenen-Kind-Verhältnis und kleinere Gruppengrößen. Das bedeutet: die Förderungen der öffentlichen Hand für Kindergärten müssen massiv angehoben werden. Denn ohne mehr Mittel können die meist privaten BetreiberInnen – in Wien sind 71 Prozent der Kindergärten von privaten Trägern geführt – es sich schlicht nicht leisten, mehr PädagogInnen einzustellen. Studien würden sagen, es brauche Aufwendungen in Höhe von einem Prozent des Bruttoinlandsproduktes für die Elementarpädagogik, betont Samer. Österreich liege hier bei einem Wert von 0,5 bis 0,6 Prozent. „Da haben wir noch Potenzial.“

„Studien sagen, es braucht Aufwendungen in Höhe von einem Prozent des Bruttoinlandsproduktes für die Elementarpädagogik. Österreich liege hier bei einem Wert von 0,5 bis 0,6 Prozent. Da haben wir noch Potenzial.“

Karin Samer

Gefragt ist deshalb nun die Politik: die Themenplattform startet daher jetzt eine Petition, die sich an die politisch Verantwortlichen richtet. Es geht darum, Verständnis dafür zu erreichen, dass es so wie bisher nicht weitergehen kann. Ideal wären 16 Kinder pro PädagogIn, sagt Wilflingseder, wobei sie weiß: hier werde man sich nur schrittweise annähern können. Aber es brauche nun eben einmal zumindest rasch eine Bewegung in diese Richtung. Denn sie warnt: „Bei uns ist jetzt der Ofen aus. Die Stimmung unter den KollegInnen ist sehr schlecht.“ Seit Jahren weise man auf die schlechten Rahmenbedingungen hin – doch es passiere nichts.

Die Corona-Pandemie verschärfe das noch. Denn hier fühlen sich die ElementarpädagogInnen mehrfach alleine gelassen. Ihre Gesundheit werde quasi auf dem Silbertablett serviert: kleine Kinder könnten nicht Abstand halten und Masken tragen. Das scheine die Politik aber nicht groß zu interessieren, mehr noch: Eltern würden gegen die PädagogInnen ausgespielt, kritisiert Wilflingseder.  KollegInnen, die in Quarantäne müssten, oder solche, die RisikopatientInnen seien und daher derzeit keinen Kinderdienst leisten können, fallen aus. Das mache die ohnehin schon gespannte Personalsituation noch schlimmer.

Kein Kollektivvertrag in privaten Kindergärten

Wer in einem Wiener Kindergarten eines privaten Trägers arbeitet, fällt derzeit übrigens unter keinen Kollektivvertrag. Es wird vielmehr die Mindestlohntabelle herangezogen plus das, was in allfälligen Betriebsvereinbarungen vereinbart wurde. Andererseits gilt hinsichtlich des Betreuungsverhältnisses, was auf Landesebene festgelegt wurde. In Wien bedeutet das: in einer Kindergartengruppe werden bis zu 25 Mädchen und Buben von einem/r PädagogIn (für 40 Stunden) sowie einer/m AssistentIn (für 20 Stunden) betreut. Vorgeschrieben ist etwa auch, was wie zu dokumentieren ist – aber nicht, wann sich die PädagogInnen auf ihre Arbeit mit den Kindern vorbereiten. Einige TrägerInnen haben hier bezahlte Vorbereitungszeit in der Betriebsvereinbarung verankert. Kleinere TrägerInnen können sich dies jedoch nicht leisten. Hier wären eben höhere Förderungen nötig. Auch nur mit mehr Mitteln könnte zudem ein besseres Betreuungsverhältnis gewährleistet werden.

Langfristig braucht es daher ein österreichweit einheitliches Bundesrahmengesetz, betonen Wilflingseder und Samer. Derzeit sind die Regelungen, wieviele Kinder etwa in einer Gruppe betreut werden, in allen Bundesländern unterschiedlich. Ebenso wird Vorbereitungszeit teils gar nicht, teils doch in kleinem Umfang abgegolten. In der Praxis wird aber viel Vorbereitungszeit in der Freizeit und damit nicht entlohnt geleistet, sagt Samer.

Ausbildung attraktivieren

Ebenfalls Zukunftsmusik ist eine Ausbildung auf tertiärer Ebene. So könnte es auch gelingen, dass mehr AbsolventInnen dann auch tatsächlich in den Beruf einsteigen. Samer hielte eine Modulsystem für sinnvoll, das alle pädagogischen Berufsfelder umfasst. So könnte man zum Beispiel in seinem beruflichen Lebensweg nach dem Absolvieren der entsprechenden Module sowohl in einem Kindergarten als auch in einer Volksschule unterrichten. Noch stärker betont würde so auch der Bildungsauftrag von Kindergärten. Da gehe es eben nicht nur um Betreuung, der Kindergarten sei eine Bildungsinstitution.

Das Umstellen der derzeitigen Ausbildung an BAfEPs auf ein Studium, das nach der Matura absolviert wird, braucht eine Übergangszeit, weiß Samer. Doch auch hier gelte: wenn damit nie begonnen werde, würden weitere zehn Jahre vergehen, ohne dass etwas passiere. Klar sei auch: werde die Elementarpädagogik auf die tertiäre Ebene gehoben, müssten AbsolventInnen zudem besser bezahlt werden. Die schlechte Bezahlung ist aber auch gerade einer der Punkte, die viele BAfEP-AbsolventInnen in andere Berufe und ein weiterführendes Studium treibt.

Unisono betonen Krumpel, Wilflingseder und Samer allerdings: wenn man mit PädagogInnen spreche, sei der vorherrschende Tenor: etwas an den Arbeitsbedingungen zu ändern, sei momentan vorrangig. Jeder freue sich zwar über mehr Gehalt, wichtig sei es aber nun vor allem, mehr Mittel für mehr PädagogInnen, kleinere Gruppen und bezahlte Vorbereitungszeit zur Verfügung stellen. Wünschenswert wären auch größere Räume – festgelegt etwa höhere Vorgaben, wieviel Platz jedem Kind zur Verfügung stehen muss, so Krumpel. Denn: „Kinder müssen sich bewegen können – sie brauchen aber auch Räume, in denen sie sich unbeobachtet fühlen.“ Beides sei derzeit oft nicht gewährleistet. Freuen würden sich die PädagogInnen auch über eine 38,5-Stunden-Woche. Derzeit betrage die Wochenarbeitszeit bei einer Vollzeitbeschäftigung 40 Stunden – und da komme dann eben aber oft noch unbezahlte Vorbereitungstätigkeit dazu.

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