Handels-KV: „Es geht um Anerkennung und Respekt!“

Betriebsrat Christian Lindmeier

Die Pandemie hat den Beschäftigten im Handel stark zugesetzt, allerdings auf unterschiedliche Weise: Die Modebranche, für die Betriebsrat Christian Lindmeier arbeitet, geriet ziemlich unter die Räder. Was erwarten die KollegInnen von den aktuellen KV-Verhandlungen?

Christian Lindmeier war, wie er sagt, „schon immer“ Betriebsrat – denn das ist seine Rolle und seine Berufung, seit über 15 Jahren. In seinem Betrieb, der Leder und Schuh AG, wo er gelernt hat und seit fast 38 Jahren arbeitet, hatte er auch immer schon eine laute Stimme, wenn nicht alles so lief, wie es sollte.

Lindmeiers Arbeitgeber, die Leder und Schuh Gruppe, ist eines der größten Schuhhandelsunternehmen Europas. Sie vertreibt in mehr als 120 Filialen in Österreich Schuhe und Accessoires der Linien ‚Humanic’ und ‚Shoe4You’. Dazu kommen noch zahlreiche Niederlassungen in 8 europäischen Ländern. In Österreich beschäftigt das Unternehmen knapp über 1.100 MitarbeiterInnen.

Lindmeier ist von Beruf Einzelhandelskaufmann mit einer Zusatzausbildung als Visual Merchandiser. Er ist Vorsitzender des Betriebsrats und außerdem Vorsitzender des Zentralbetriebsrats. Zudem ist er aktiv in der FCG gewerkschaftlich tätig. Die letzten eineinhalb Jahre waren extrem fordernd, denn die Modebranche hat unter der Pandemie und den Lockdowns stark gelitten.

„Leider sind wir derzeit eine Branche ohne Erfolgserlebnisse “, beschreibt Lindmeier die Situation. Die Kunden bleiben aus, für die MitarbeiterInnen ist diese Situation frustrierend. Sie kämpfen mit Stress am Arbeitsplatz, bedingt durch Corona, aber auch durch zu viele Nebenarbeiten und ständig wachsende Anforderungen. Die Personaldecke ist dünn, gleichzeitig ist es schwer, neue MitarbeiterInnen zu finden, nicht zuletzt durch das niedrige Lohnniveau in der Branche. „Während der Pandemie gingen viele KollegInnen über ihre Grenzen“, berichtet Lindmeier, „denn nicht nur die Arbeit war belastend, auch in der Freizeit war es schwierig, Erholung zu finden.“

Krise und Corona

Die Pandemie war für den Handel eine enorme Herausforderung. Der Modehandel war allerdings von Corona ganz anders betroffen als die Supermärkte oder zB die Möbelbranche. „Es kamen nur mehr BedarfskäuferInnen“, erinnert sich Lindmeier. „Wenn die Schuhe abgetreten waren, mussten neue her. Doch die Mode-ShopperInnen blieben aus, es fanden keine Feiern statt, man fuhr nicht auf Urlaub, entsprechend kaufte man dafür auch keine neuen Schuhe.“ Damit wurde das Kaufverhalten unkalkulierbar, das Geschäft brach ein – eine belastende Situation für die MitarbeiterInnen.

Auch die Maskenpflicht trug viel zur Verunsicherung bei. Lindmeiers Betrieb ging keinen eigenen Weg, sondern vertraute immer der Regierung und ihren Anweisungen. „Allerdings kam dann der Punkt, an dem sich keiner mehr richtig auskannte, die Unsicherheit war groß. Gerade in der Beratung sind das Gesicht und die Mimik enorm wichtig, das Maskentragen erschwert unsere Arbeit ungemein.“

Noch dazu kommt es auch in dieser Branche zu Lieferproblemen: „Es fehlt Ware. Ich höre von vielen KollegInnen in den Filialen, dass sie durchaus mehr verkaufen könnten, die Ware dafür aber nicht ausreichend vorhanden ist.“ Glücklicherweise sind die Onlinebestellungen gestiegen, denn bei der Digitalisierung ist die Leder und Schuh Gruppe vorne mit dabei: Der Service heißt „Send to Home“, und Lindmeier freut sich, dass es ausgezeichnet funktioniert.

Arbeitszeit

Das schlimme an der Covid-Krise, erinnert sich Lindmeier, war die Gesamtsituation. Nicht nur während der Arbeit, sondern auch in der Freizeit fand niemand richtig Ruhe. Dazu kamen die Lockdowns und die Kurzarbeit. „Die Unsicherheitsfaktoren machten den KollegInnen am stärksten zu schaffen, denn man wusste nicht, was auf einen zukommt: Wie wird es weitergehen, ist der Arbeitsplatz noch sicher?“

Kurzarbeit bedeutete zwar weniger Geld – und auch das war natürlich für viele belastend -, zugleich aber den Erhalt der Arbeitsplätze. Und plötzlich hatten die Menschen aufgrund der Kurzarbeit mehr Freizeit, sie konnten sehen, wie wichtig das ist. „Die Zeit ist daher wirklich reif für eine Arbeitszeitverkürzung“, fordert Lindmeier, „Die Menschen brauchen längere Erholungsphasen. Und auch der Betrieb gewinnt, wenn die MitarbeiterInnen frisch und ausgeruht zur Arbeit kommen und nicht ständig am Limit sind.“

Die GPA fordert auch dieses Jahr bei den KV-Verhandlungen die sechste Urlaubwoche für alle, die seit 25 Jahren arbeiten. Bislang gibt es diese zusätzlichen Urlaubstage nur für jene, die seit 25 Jahren im gleichen Betrieb beschäftigt sind. „Das ist natürlich nicht fair“, sagt Lindmeier, „denn nur sehr wenige arbeiten in unserer Branche so lange für die gleiche Firma. Warum werden sie also benachteiligt?“

„Ich würde aber noch weiter gehen“, setzt Lindmeier nach, „ich wünsche mir generell eine Arbeitszeitverkürzung, über den zusätzlichen Urlaub hinaus. 35 Stunden wäre ein Fortschritt, optimal wäre eine 32-Stunden-Woche.“

Auch der Kampf für den freien Sonntag ist für Lindmeier, Sprecher der Wiener Sonntagsallianz, enorm wichtig. Ginge es nach ihm, würde der freie Sonntag im Handel zum Kulturgut erklärt werden: „Das war und ist eine unserer zentralen Errungenschaften im Handel! Für die Beschäftigten ist der freie Sonntag nicht verhandelbar.“

Mitgliederwerbeprojekt

Zum richtigen Zeitpunkt ist nun die GPA kürzlich an den Betriebsrat auch mit einem neuen Mitgliederwerbeprojekt herangetreten, das Lindmeier voll und ganz unterstützt. Mittels einer App, die alle KollegInnen auf ihren Handys installierten, kann er mit den MitarbeiterInnen in den Filialen Kontakt halten. „In einem Betrieb mit einer dezentralen Struktur ist das Gold wert“, freut sich Lindmeier. Als Betriebsrat kann er seine KollegInnen nun über die App direkt und unkompliziert erreichen. So verschickt er aktuell jede Woche eine Aussendung, um alle über die laufenden KV-Verhandlungen zu informieren. In den Aussendungen spricht er zu seinen KollegInnen per Video. Auf diesem Weg will Lindmeier auch möglichst viele MitarbeiterInnen überzeugen, wie wichtig die Mitgliedschaft bei der Gewerkschaft ist.

Lohn- und Gehaltserhöhungen

Die Situation bei den KV-Verhandlungen dieses Jahr ist anders als sonst, denn im Handel gibt es durch die Pandemie Gewinner und Verlierer. Der Lebensmittelhandel, Baumärkte oder auch der Möbelhandel waren unter den Gewinnern. Die Modebranche gehört leider zu den Verlierern. „Hier hat nur das Überleben gezählt“, sagt Lindmeier.

Trotzdem ist eine Anpassung der Gehälter an die steigenden Lebenskosten unbedingt notwendig. „Sonst wäre es ja de facto eine Gehaltskürzung. Man muss von seiner Arbeit schließlich leben können.“ Lindmeier sieht seine Branche im Vergleich zu anderen benachteiligt, was das Lohnniveau angeht. Besonders Frauen, die im Einzelhandel die Mehrheit stellen, sind von niedrigen Einkommen betroffen.

Es fehle auch die Anerkennung und der Respekt von der Arbeitgeberseite bei den KV-Verhandlungen, kritisiert Lindmeier. „Leider geht es oft nur mehr darum zu zeigen, wer der Stärkere ist.“ Als Betriebsrat wünscht er sich für die Zukunft nicht nur respektvolle Verhandlungen auf Augenhöhe, sondern auch eine festgelegte Erhöhung der Löhne und Gehälter um die Inflationsrate. „Das wäre die Basis, das festgesetzte Minimum. Die Verhandlungen könnten sich dann auf jene Erhöhungen konzentrieren, die darüber hinaus gehen. In guten Branchen kann man dann auch ein größeres Stück vom Kuchen rausholen.“

Trotz der schwierigen Zeit gibt es einen ganz wesentlichen Erfolg in Lindmeiers Unternehmen: „Wir leben noch.“ Dass der Betrieb die Corona-Krise überstand, ist als Erfolg zu verbuchen – viele andere mussten aufgeben. Sowohl Arbeitgeber als auch Betriebsrat legten ihre ganze Kraft außerdem in ein gemeinsames Ziel: Niemand sollte den Arbeitsplatz verlieren während der Krise. Und das ist geglückt: „Es wurde keine einzige der MitarbeiterInnen gekündigt.“

Zur Person:

In seiner Freizeit will Christian Lindmeier Kraft tanken und abschalten. Er verbringt viel Zeit mit seiner Familie und Freunden und geht gern raus in der Natur. Am liebsten in die Berge, im Sommer auf dem Mountainbike, auf Skiern im Winter. „Die Berge sind mein Ruhepol, dort kann ich abschalten.“ Sein Ziel: „Mehr Zeit für Erholung und für die Familie. Und als Betriebsrat“, fügt er noch hinzu, „wünsche ich mir, dass ich eines Tages ohne Arbeit bin, weil alle Probleme und Konflikte gelöst sind.“

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