Für ein Grundrecht auf Information für alle BürgerInnen

Eike Kullmann bei seiner Rede anlässlich der Verleihung des Kurt Vorhofer-Preises an Eva Linsinger vom Profil und des Robert Hochner-Preises an Martin Thür vom ORF.
Foto: Martin Panholzer

Rede des Vorsitzenden der JournalistInnengewerkschaft in der GPA Eike Kullmann bei der Verleihung des Kurt-Vorhofer- und des Robert-Hochner-Preises am 30.6.2022

Ich weiß nicht, wie es Ihnen bei den Worten Medienförderung, Amtsgeheimnis und Inseratenvergabe geht. Ich jedenfalls komme mir vor wie in einer Dauerschleife. Die JournalistInnengewerkschaft in der GPA fordert seit Jahren Qualitätskriterien bei der Journalismusförderung ein, fordert ein Informationsfreiheitsgesetz und damit die Abschaffung des Amtsgeheimnisses, verlangt klare Regeln, transparente Regeln für die Inseratenvergabe öffentlicher Stellen. Und wir bekommen dafür durchaus viel Zuspruch. Aber was passiert: nichts.

Daran hat in den vergangenen Wochen nicht einmal der dramatische Absturz im internationalen Ranking der Pressefreiheit auf Platz 31 etwas bewirkt.

Die Medienbranche ist eine personalintensive. Artikel, Beiträge, Reportagen, Kommentare auf welcher Plattform auch immer werden – glücklicherweise – nicht von Maschinen, sondern von Menschen gemacht. Diese brauchen für ihre Recherche, für kritisches Hinterfragen und pointiert formulieren neben Expertise gute Arbeitsbedingungen und hier vor allem Zeit. Um die für qualitätsvolle Arbeit nötige Zeit auch aufbringen zu können, bedarf es gut ausgestatteter Redaktionen. Und davon sind wir in vielen  Bereichen mittlerweile leider meilenweit entfernt. Die Medienunternehmen müssen offensichtlich sparen, tun dies aber unverständlicherweise ausgerechnet bei ihrem größten Schatz: Den RedakteurInnen und den ebenso unverzichtbaren freien JournalistInnen.

Um diesen für den Qualitätsjournalismus existenzbedrohenden Trend entgegen zu wirken, bedarf es – wie eingangs schon erwähnt – endlich einer Journalismusförderung nach klar definierten Qualitätskriterien. Hier hat der Kommunikationswissenschafter Hannes Haas bereits hervorragende Arbeit geleistet und 2012, also vor zehn Jahren, dem Bundeskanzleramt eine 296 Seiten umfassende Studie vorgelegt. Diese beinhaltet kurz gesagt, die Mittel nach Qualitätskriterien zu vergeben, Aus- und Weiterbildung mit entsprechenden Mitteln auszustatten sowie die inhaltliche Vielfalt besser zu fördern.

All das haben die Vorgängerregierungen bereits sträflich verabsäumt und die derzeitige Bundesregierung schiebt dies erneut auf die lange Bank. Da hält die neue Medienministerin zwar mehrere Medienkonferenzen ab – dies aber vorsorglich hinter verschlossenen Türen. Wer genau bei den Treffen eingeladen war, wird verschwiegen, Protokolle der Konferenzen gibt es nicht. Transparenz sieht wahrlich anders aus.

Dabei ist es eigentlich ganz einfach. Liebe Medienministerin, liebe Bundesregierung: Nehmen sie doch einfach die von uns vor wenigen Tagen vorgestellten Kriterien. Diese hat die JournalistInnengewerkschaft gemeinsam mit dem Presseclub Concordia, dem Medienhaus Wien, dem Presserat und Vertretern der universitären Einrichtungen erarbeitet. Sie fußen auf den Vorstellungen, die bei einem runden Tisch erörtert worden sind. Einem runden Tisch, zu dem ich Namens der JournalistInnengewerkschaft bei der Vorhofer- und Hochnerpreis-Verleihung im vergangenen Herbst eingeladen hatte.

Bei diesem runden Tisch wurde nicht nur festgehalten, dass die derzeitige Förderung inakzeptabel niedrig ist – für die JournalistInnengewerkschaft kann ich hier nur nochmals eine umgehende Erhöhung auf mindestens 150 Millionen Euro plus jährliche Valorisierung fordern. Diese muss sich klarerweise und endlich nach klaren Qualitätskriterien richten.

Was übrigens nicht heißt, dass es keine Vertriebsförderung mehr geben soll. Diese ist sicherlich nötig, um eine Verbreitung auf Papier weiterhin sicherzustellen. Verbesserte Kriterien bei der Vergabe halte ich auch hier für dringend erforderlich. Es darf schließlich nicht mehr sein, AusträgerInnen mit Hungerlöhnen abzuspeisen.

Aber zurück zu den Qualitätskriterien für Journalismusförderung. Ich möchte hier nur einige hervorheben:

1. Unabdingbar sind die Anwendung des Journalistengesetzes sowie einschlägige weitere Bestimmungen in entsprechenden Kollektivverträgen.

2. Die Mitbestimmung der Redaktionsmitglieder in Form von Statuten und Arbeitnehmervertretungen.

3. Die Anzahl der angestellten RedakteurInnen muss im Verhältnis zum journalistischen Produkt stehen – im Übrigen egal auf welcher Plattform dieser stattfindet.

4. Damit Journalisten die Qualität liefern können, bedarf es einer hausinternen und –externen Aus- und Weiterbildung, deren Kriterien etwa in Kollektivverträgen klar geregelt sein müssen. Das bedingt auch gute Aus- und Weiterbildungsangebote.

5. Freie JournalistInnen müssen nach klaren Kriterien sowie mit fairer Entlohnung beschäftigt werden.

Und nicht zu vergessen, der Presserat. Die Mitgliedschaft und damit Anerkennung des Ehrenkodex sowie die damit verbundene Selbstverpflichtung, die Entscheidungen der journalistischen Selbstkontrolle zum eigenen Medium zu veröffentlichen.

Die Arbeit des Presserates muss zudem finanziell abgesichert sein.

Lassen sie mich beim Presserat hier gleich noch einen Vorschlag an alle Trägerverbände unterbreiten. Wir JournalistInnen fordern immer wieder Transparenz ein – und das zu Recht. Wir sollten beim Presserat daher mit gutem Beispiel vorangehen: Mitglieder der einzelnen Senate sollen künftig ihre jeweiligen Entscheidungen bei der Beurteilung der einzelnen Fälle öffentlich kundtun können.

Apropos Transparenz: Es ist kein Wunder, dass Österreich im Ranking der Pressefreiheit von „Reporter ohne Grenzen“ so dramatisch abgestürzt ist. Was wir in den vergangenen Jahren zu wahrlich weltmeisterlicher Perfektion im negativen Sinne gebracht haben, ist die Vergabe von Inseraten durch öffentliche Stellen.

Natürlich haben öffentliche Stellen einen Informationsauftrag und sie müssen diesem nachkommen. Es bedarf allerdings Klarheit, weshalb ein Inserat geschaltet wird, warum dies in bestimmten Medien passiert, welche Zielgruppe angesprochen werden soll, etc. Dafür muss umgehend eine permanente Datenbank aufgebaut werden, in der alle geschalteten Inserate bzw. bezahlten Kooperationen mit Medien eingesehen werden können. Damit würden Grundsätze einer zeitgerechten Transparenz erfüllt.

Sinnvoll auf Bundesebene wäre zudem, müssten Inserate einzelner Ministerien durch die Regierung beschlossen werden. Wohl ein frommer Wunsch. Denn, lehnt etwa die VP eine Einschaltung eines Ressorts des grünen Koalitionspartners ab, ist die Retourkutsche programmiert.

Aber auch die Medienhäuser sind gefordert. Sie müssen öffentlich transparent machen, dass es eine klare Trennung zwischen redaktionellen Inhalten und Inseraten gibt. Ein Inserat darf keinen Einfluss auf die Redaktion haben. Denn, ich kann es nur wiederholen: Wo Propaganda gedeiht, stirbt die Pressefreiheit. Für ein Inserat – egal von wem es geschaltet wird – kann es daher nur eine Gegenleistung geben: den Platz für das Inserat selbst.

Der Gipfel der österreichischen Intransparenz ist allerdings das Amtsgeheimnis. Die Heimlichtuerei hat System. Die Koalition hat zwar vereinbart, das Amtsgeheimnis endlich abzuschaffen – wir sind peinliches Schlusslicht in der EU. Das Informationsfreiheitsgesetz soll daher ein Grundrecht auf Information für alle BürgerInnen bringen und Behörden und staatliche Stellen zur Auskunft verpflichten. Doch außer einem Entwurf – der noch dazu mit vielen schwammigen Formulierungen und langen Fristen versehen ist und dem ein Informationsfreiheitsbeauftragter fehlt – gibt es bisher nichts. Denn, so die inakzeptable Begründung: Länder und Gemeinden argumentieren mit dem Datenschutz und überbordendem Verwaltungsaufwand. Daher sei man dagegen. Und anstatt mit gutem Beispiel voranzugehen sagt der Bund: Na, da könne man dann eben nichts machen. Und so bleibt es bei der so gerne geübten und bequemen Praxis der Intransparenz. Ein Trauerspiel. Ein Trauerspiel. Diese Worte treffen es wohl auch, wenn ich mir die Aktivitäten der Regierung in punkto „Wiener Zeitung“ ansehe. Was passiert mit der ältesten gedruckten Tageszeitung der Welt? Seit Jahren werden die großartigen Journalismus bietenden KollegInnen hingehalten was ihre Zukunft betrifft. Die Bundesregierung als Eigentümervertreterin der Republik Österreich ist hier in der Pflicht, die Zukunft der Wiener Zeitung sicherzustellen. Und zwar in gedruckter Form. Hören sie daher umgehend damit auf, darüber zu sinnieren, diese nur noch online erscheinen zu lassen. Dies wäre aus meiner Sicht nur ein Tod auf Raten. 

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