GPA-djp Vorsitzender Wolfgang Katzian über Schuldenabbau, Steuerpolitik und die Wichtigkeit guter Gehaltsabschlüsse.
KOMPETENZ: Hat Österreich die Krise bewältigt oder haben wir jetzt zu hohe Schulden?
Wolfgang Katzian: Österreich hat die Krise 2008/2009 besser bewältigt als viele andere europäische Länder. Wir haben hervorragende Wirtschaftsdaten, die Unternehmen fahren gute Ergebnisse ein und die Beschäftigung ist im europäischen Vergleich hoch. Die Finanzmarktkrise hat jedoch dazu geführt, dass Österreich nun höhere Staatsschulden hat. Diese Staatsschulden sind eine Folge der Finanzmarktkrise – nicht ihre Ursache, wie oft von manchen Politikern behauptet wird!
Massive staatliche Programme wie die Kurzarbeit haben zur raschen wirtschaftlichen Erholung beigetragen, aber auch die extrem gute Lohnrunde von 2008 war hier ein wichtiger Wirtschaftsfaktor. Die Lohnpolitik hat uns also auch geholfen, die Krise nicht so stark zu spüren wie in anderen Ländern, weil sie die Kaufkraft der Leute gestärkt hat.
KOMPETENZ: Welche Gefahren bringt nun die Budgetkonsolidierung für die ArbeitnehmerInnen für den Sozialstaat?
Wolfgang Katzian: Der Anstieg der Staatschulden ist nicht auf eine unfinanzierbare Ausweitung des Sozialstaates zurückzuführen und die Menschen haben auch nicht über ihre Verhältnisse gelebt. Im Gegenteil: Die SteuerzahlerInnen haben mit dem Bankenrettungspaket geholfen, die Krise zu überstehen. Wir wehren uns dagegen, dass im Rahmen von Sparpaketen nun genau diese „kleinen“ SteuerzahlerInnen die Staatsschulden abtragen sollen und mit ansehen sollen, wie ihr Sozialstaat kaputt gespart wird. Unsere Devise lautet daher: Hände weg vom Geld der ArbeitnehmerInnen!
Es ist höchste Zeit, nun endlich die Hauptprofiteure der Konjunktur- und Bankenpakete zur Kasse zu bitten, also jene, deren Vermögen und Vermögenswerte 2008 geschützt und gerettet wurden.
KOMPETENZ: Wie sollte der Schuldenabbau bewältigt werden?
Wolfgang Katzian: Man darf die Staatsschulden natürlich nicht aus dem Ruder laufen lassen, das ist klar. Doch diese Schulden nur ausgabenseitig abzubauen und neue Steuern für die ArbeitnehmerInnen zu erfinden, wie das der Finanzministerin vorschwebt, das würde direkt in die Rezession führen. Für eine Sanierung des Budgets brauchen wir mehr Einnahmen. Gewerkschaften und Arbeiterkammer haben ein gemeinsames Forderungspaket erarbeitet: Wir wollen einen Maßnahmen-Mix aus sinnvollen Einsparungen – wir könnten uns zum Beispiel durchaus eine Kürzung der Wirtschaftsförderung vorstellen und auch diverse Förderungen für die Landwirtschaft kann man sicher hinterfragen – und natürlich neuen Einnahmen.
Dazu gehören eine Besteuerung von Vermögen über 700.000 Euro mit einem Steuersatz 0,5 bis maximal 1,5 Prozent und eine stärkere Besteuerung der Spitzenverdiener. Keinesfalls darf es eine Erhöhung der Massensteuern wie der Mehrwertsteuer oder der Mineralölsteuer geben, denn das trifft die BezieherInnen niedriger Einkommen am stärksten und wäre daher sozial äußerst ungerecht.
KOMPETENZ: Wie sind Ihre Prognosen für das Jahr 2012?
Wolfgang Katzian: Aller Voraussicht nach ist in Österreich 2012 mit einem Wirtschafts-Abschwung zu rechnen. Die Maßnahmen zur Budgetkonsolidierung dürfen daher die wirtschaftspolitischen Ziele Beschäftigung, Wachstum und Verteilung nicht aus den Augen verlieren. Oberste Priorität haben der Arbeitsmarkt und die Nachfrage.
Durch die aktuelle Teuerung wird die Kaufkraft immer geringer. Wir brauchen daher Lohnabschlüsse, die das aufwiegen. Derzeit versuchen die Unternehmer in den Kollektivvertragsrunden die Abschlüsse nach unten zu drücken. Hier haben wir als Gewerkschaft momentan alle Hände voll zu tun. Unsere Abschlüsse in der Herbstlohnrunde waren sehr gut, und wir lassen auch weiterhin nicht locker – denn wenn die Nettoeinkommen sinken, würde sonst der Konsum einbrechen, und das wäre dann wie Öl ins Feuer einer beginnenden Rezession.
KOMPETENZ: Was ist für Sie derzeit das Wichtigste – die Lohnabschlüsse oder die Steuerpolitik?
Wolfgang Katzian: Beides ist gleichermaßen wichtig, weil beides die ArbeitnehmerInnen direkt betrifft. Uns geht es darum, dass den Leuten genug Geld im Börsel bleibt, sie einen Arbeitsplatz haben und die Wirtschaft brummt. Dazu brauche ich einerseits gute Gehaltsabschlüsse, damit sich die Menschen das Leben auch leisten können, andererseits eine Steuerpolitik, die die mühsam erkämpften Gehaltserhöhungen nicht gleich wieder auffrisst. Und der Wirtschaft geht’s nur dann gut, wenn’s uns allen gut geht – die Wirtschaft braucht Konsumenten, die genug verdienen und Vertrauen in die Zukunft haben, sonst kaufen sie nichts und sparen statt dessen.