Kommentar: Tauziehen um JournalistInnen-Kollektivvertrag

Jahreslanges Ringen um einen neuen Kollektivvertrag und die Aufkündigung desselben brachte im Oktober Österreich weit zahlreiche JournalistInnen auf die Straße.

Rund dreieinhalb Verhandlungsjahre, rund drei Dutzend Verhandlungsrunden – und dann auch noch die Kündigung des Kollektivvertrages: Das Tauziehen um einen neuen Journalisten-Kollektivvertrag für Tages- und Wochenzeitungen sowie für die entsprechenden Online-Redaktionen gestaltet sich mühsam und konfliktreich. Doch zunächst die positive Nachricht: Es ist gelungen, die von den Unternehmern ausgesprochene Kündigung des Kollektivertrags rückgängig zu machen. Eine – ja, sagen wir´s ruhig: überraschend gut besuchte – Kundgebung vor dem Räumlichkeiten des Kollektivvertragspartners VÖZ hat gezeigt, dass auch Journalistinnen und Journalisten bereit sind, für wichtige Ziele auf die Straße zu gehen. Eine Berufsgruppe, in der Individualismus groß und Solidarität üblicherweise etwas weniger groß geschrieben wird, hat ein machtvolles Zeichen in der Öffentlichkeit gesetzt. Und wichtig ist das Ziel jedenfalls, für das man gemeinsam kämpft: Es gilt, einen Kollektivvertrag abzuschließen, der nicht nur den Printbereich, sondern auch die Onlineredaktionen und die so genannten „Freien“ (aus Sicht der Journalistengewerkschaft in der GPA-djp prekäre Dienstverhältnisse) umfasst und der die ausgegliederten Redaktionsteile wieder in den Journalisten-Kollektivvertrag zurückholt.

Rücknahme der Kündigung

Es gilt aber auch, keine „kollektivvertragslose Zeit“ zu riskieren. Die Unternehmervertreter haben im Gegenzug für die Rücknahme der Kündigung für das Jahr 2013 eine vierteljährliche Kündigungsfrist gefordert, ebenso die Rücknahme der vom Präsidium der Journalistengewerkschaft in der GPA-djp gefassten Streikbeschlüsse. Beiden Forderungen haben wir entsprochen, da auch für uns die gleichen Argumente gelten, wie wir sie für die Rücknahme der Kündigung angeführt haben: Sinnvoll verhandeln kann man nicht, wenn die Messer bereits offen sind, sondern nur auf der Basis gegenseitigen Vertrauens.

Wichtig war die Erfahrung einer Kollektivvertragskündigung für die betroffenen Journalistinnen und Journalisten aus zwei Gründen: Erstens, weil eine üblicherweise eher „friedliche“ Berufsgruppe erkannt hat, dass man bisweilen für seiner Rechte kämpfen und dafür auch auf die Straße gehen muss, und dass das dann auch funktioniert – unterstützt durch die straffe, schlagkräftige Infrastruktur der GPA-djp. Zweitens aber, weil es für uns Journalistinnen und Journalisten eine wichtige Erfahrung ist: Zu sehen, wie bedeutend ein Kollektivvertrag ist, wie wichtig eine starke Vertretung ist, wie bedrohlich eine Situation für jede und jeden von uns rasch werden kann – und wie man sich als Betroffener dann fühlt. Ein interessanter Impuls auch für die künftige Berichterstattung über ähnliche Themen.

Druck und Gegendruck

Was hätte die Vertragskündigung bedeutet: Zunächst einmal für die Bereiche Online, Freie und Ausgegliederte, dass ein wichtiges Argument in den Verhandlungen über den neuen Vertrag – nämlich die Existenz des aktuellen Vertrages – weggefallen wäre. Wenn es keinen alten Vertrag gibt, so muss es auch keinen neuen geben, so hätten die Unternehmer argumentieren können. Für jene, die sich im aktuellen Vertrag befinden, hätte sich zunächst nichts geändert – der gekündigte Vertrag wird quasi zum Bestandteil des neuen Vertrages. Allerdings kann ein Einzeldienstvertrag jederzeit durch übereinstimmende Willenserklärungen abgeändert werden. Es wäre wohl nur eine Frage der Zeit, wann die Unternehmer/Manager versuchen würden, vor allem ältere Kolleginnen und Kollegen zum „freiwilligen“ Verzicht zumindest auf Quinquennien zu „überreden“. Bereits jetzt sind ja solche Fälle bekannt.

Wozu führen Druck und Gegendruck? Endlose Streitereien, Klagen, Betriebsversammlungen, Krankenkassenprüfungen, Visiten der Arbeitsinspektorate – all das hätte auf Jahre Unruhe in die Branche gebracht. Ebenso unangenehm wären die Konsequenzen für die – überwiegend jüngeren – Kolleginnen und Kollegen in den Onlineredaktionen, den ausgegliederten Redaktionsteilen und bei den „Freien“. Wäre die Kündigung des KV aufrecht geblieben, dann wären Lohn- und Sozialdumping sowie rechtlich fragwürdige Umgehungskonstruktionen noch stärker als schon bisher im Vormarsch. Was wäre die Konsequenz gewesen? Auch hier mühsame rechtliche Auseinandersetzungen, Unruhe in den Unternehmen, Unsicherheit für alle Beteiligten.

Rahmenbedingungen

Nun ist zügiges Verhandeln gefragt. Was muss der neue Kollektivvertrag leisten: Zunächst muss er faire materielle Voraussetzungen für Menschen gewährleisten, die in einem stressigen, verantwortungsvollen und exponierten Beruf tätig sind. Unabhängiger Journalismus ist nur unter gesicherten materiellen Rahmenbedingungen möglich. Wer ständig nur ums bloße Überleben kämpfen muss,
wer täglich um seine Existenz fürchten muss, wer bei kritischen Berichten oder Kommentaren vom akuten Jobverlust bedroht ist, dessen journalistischer Spielraum ist durch die materiellen Rahmenbedingungen stark eingeschränkt. Insbesondere gilt dies für die zahlreichen so genannten „Freien“, die teils als journalistische Tagelöhner systemerhaltende Tätigkeiten in den Redaktionen ausüben.

Freilich geht es keineswegs nur um die materiellen Rahmenbedingungen. Die von den Unternehmern als „Ausweichlösungen“ in Onlineredaktionen und ausgegliederten Redaktionsteilen verwendeten IT- oder Werbungs-Kollektivverträge gehen in keiner Weise auf journalistische Bedürfnisse ein und eignen sich nicht für die Anwendung in Redaktionen. Urheberrecht und Meinungsschutz existieren in diesen Verträgen nicht. Demokratie braucht einen starken und unabhängigen Journalismus, und ein unabhängiger Journalismus braucht faire und gesicherte Rahmenbedingungen, die in einem neuen Kollektivvertrag festgeschrieben werden müssen.

Franz C. Bauer ist Vorsitzender der Journalistengewerkschaft in der GPA-djp.

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